VwGH 98/09/0170

VwGH98/09/017029.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Peter Kolb, Rechtsanwälte in 6460 Imst, Sirapult 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. Februar 1998, Zl. 3/60-5/1996, 19/259-5/1996, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §2 Abs2 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Ausspruches betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (belangte Behörde) vom 27. Februar 1998 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P Kälte-Schall-Wärme-Bau GesmbH mit Sitz in K zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft vom 18. April 1995 bis zum 11. Mai 1995 drei namentlich genannte polnische Staatsbürger und vom 1. Juli bis zum 11. Juli 1995 zwei weitere polnische Staatsbürger beschäftigt habe, obwohl für diese Arbeitnehmer weder Beschäftigungsbewilligungen noch Arbeitserlaubnisse oder Befreiungsscheine vorgelegen seien. Der Beschwerdeführer habe Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen, über ihn wurden Geldstrafen von S 10.000,-- je unerlaubt beschäftigten Ausländer und Ersatzfreiheitsstrafen von je zehn Tagen verhängt und ihm Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens von insgesamt S 5.000,-- auferlegt.

Der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid auch gemäß § 111 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG für schuldig erkannt, es unterlassen zu haben, die polnischen Staatsbürger bei der zuständigen Sozialversicherungsanstalt anzumelden, insofern wurden über ihn Geldstrafen in der Höhe von je S 1.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen von fünf Tagen verhängt und ihm Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens von insgesamt S 1.500,-- auferlegt.

Hinsichtlich der Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen bestritten habe, die fünf Ausländer seien ihm unbekannt. Es hätte mit verschiedenen Subunternehmern Werkverträge gegeben. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Werkverträge seien jedoch so wenig detailliert, dass daraus nicht darauf geschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Subunternehmen beschäftigt habe. Auch habe der ehemals handelsrechtliche Geschäftsführer einer der vom Beschwerdeführer angeführten Subfirmen, die bereits aufgelöst gewesen sei, auf der Baustelle mitgearbeitet, dies hätte dem Beschwerdeführer auffallen müssen; seine Rechtfertigung erscheine daher nicht glaubwürdig. Auch habe - anders als der Beschwerdeführer aussage - seine Ehegattin bzw. sein Unternehmen für die Unterkunft der Ausländer gesorgt.

Ein in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde als Zeuge einvernommener meldungslegender Revierinspektor habe ausgesagt, zwei ausländische Arbeiter hätten Overalls mit dem Aufdruck des Namens des Unternehmens des Beschwerdeführers getragen. Auch wenn es sich hiebei möglicherweise um Latzhosen und nicht um Overalls gehandelt haben könnte, so sei dies glaubwürdig, weil ein als Zeuge einvernommener Vorarbeiter der Firma ausgesagt habe, in der Firma würden den Arbeitern Latzhosen mit einer solchen Aufschrift zur Verfügung gestellt.

Alle fünf Ausländer hätten vor der Bezirkshauptmannschaft Imst bzw. der Bezirkshauptmannschaft Landeck Aussagen über ihre Beschäftigung durch das Unternehmen des Beschwerdeführers in fremdenpolizeilichen Verfahren gemacht. Diesen Aussagen folge die belangte Behörde im Zusammenhang mit den glaubwürdigen Aussagen jenes Revierinspektors, der angegeben hatte, zwei Ausländer arbeitend angetroffen zu haben. Die drei anderen Ausländer hätten vor der Bezirkshauptmannschaft Imst angegeben, dass die Verbindung zum Unternehmen des Beschwerdeführers über eine Vermittlungsfirma in Wien zu Stande gekommen wäre. Sie hätten ihre Beschäftigung als "Lernbeschäftigung" aufgefasst.

Die Einvernahme der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen sei entbehrlich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird. Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid vor allem deswegen für rechtswidrig, weil die Aussagen der Ausländer, wegen deren Beschäftigung er bestraft wurde, in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde entgegen § 51i VStG nicht verlesen worden seien und seinen Anträgen auf Einvernahme weiterer Zeugen nicht stattgegeben worden sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete keine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 51g Abs. 3 und § 51i VStG lauten:

"(3) Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten der Sachverständigen dürfen nur verlesen werden, wenn

1. die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder wegen Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann oder

2. die in der mündlichen Verhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früheren Aussagen abweichen oder

3. Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder Beschuldigte die Aussage verweigern oder

4. alle anwesenden Parteien zustimmen.

...

§ 51i. Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, dann ist bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51c Abs. 3 dritter Satz entfallen ist."

Im vorliegenden Fall wurden dem Protokoll der von der belangten Behörde durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zufolge die im angefochtenen Bescheid als maßgebliche Grundlage für die Feststellung der belangten Behörde, die Ausländer seien vom Unternehmen des Beschwerdeführers beschäftigt worden, herangezogenen niederschriftlichen Aussagen der Ausländer vor anderen Behörden weder verlesen noch hat der Beschwerdeführer auf die Verlesung oder gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz VStG auf die Durchführung einer fortgesetzten Verhandlung verzichtet. Im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde nach der Aktenlage nicht einmal den Versuch unternommen hat, die Ausländer zur mündlichen Berufungsverhandlung zu laden, kann auch nicht gesagt werden, dass die Voraussetzungen für die Verlesung der Vernehmungsniederschriften nach § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG bestanden hätten. Ebenso waren offensichtlich die Z. 2, 3 und 4 leg. cit. nicht erfüllt. Wurden die angeführten niederschriftlichen Aussagen aber nicht verlesen, so durfte die belangte Behörde darauf bei der Fällung ihres Erkenntnisses nicht Rücksicht nehmen und die Niederschriften hiebei nicht verwerten. Dies folgt aus dem in § 51g Abs. 2 und 3 sowie in § 51i VStG normierten Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Februar 1997, 95/09/0211, m.w.N.).

Der unterlaufene Verfahrensmangel ist wesentlich, weil die belangte Behörde ihre Feststellungen (insbesondere zur Frage der Entgeltlichkeit) entscheidend auf die protokollierten Angaben der Ausländer stützte, und diese mit der (in der Beschwerde wiederholten) Verantwortung des Beschwerdeführers nicht im Einklang standen.

Der angefochtene Bescheid war damit im Umfang seines Ausspruches betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Ob die Beschwerde auch insofern begründet ist, sofern sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes bestraft zu werden, verletzt erachtet, bleibt einer gesonderten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. November 2000

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