Normen
AVG §8;
BergG 1975 §203 Abs2;
MinroG 1999 §179 Abs2;
VwRallg;
AVG §8;
BergG 1975 §203 Abs2;
MinroG 1999 §179 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Berghauptmannschaft Innsbruck vom 2. Juni 1997, Zl. 33.047/29/97, wird gemäß § 42 Abs. 5 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.200,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Berghauptmannschaft Innsbruck vom 2. Juni 1997 wurden nach § 203 Abs. 2 Berggesetz 1975 gegenüber der E GmbH eine Reihe von Anordnungen (insgesamt 43) getroffen.
Weiters wurde (u.a.) ausgesprochen, dass den Anträgen der Beschwerdeführer
- den Sachverständigen für Lärmfragen Dipl.-Ing. P abzulehnen,
- den Betrieb vorläufig überhaupt einzustellen oder einzuschränken,
- einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung abzuerkennen
- die Aufnahme der Bauschäden durch einen Sachverständigen anzuordnen
- die Lärmimmissionen auf der Liegenschaft S mit 43 dB zu beschränken
- die Befundaufnahme (Bausubstanz) bei der Gemeinde N einzuholen
- die Beweissicherung der Wasserqualität der Quelle anzuordnen
- Lärmmessungen durch den Sachverständigen der Berghauptmannschaft jeweils im Auftrag der Eheleute S durchzuführen
- auch in Zukunft ausschließlich die derzeit beim Bergbaubetrieb vorhandenen Maschinen und Geräte zum Einsatz gelangen zu lassen"
nicht Folge gegeben werde.
Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid Berufung mit der Maßgabe, dass der Bescheid im Umfang der zu den Punkten 1. bis 43. angeordneten "Auflagen" unbekämpft bleibe. In der Berufung wird beantragt:
"Den Bescheid der Berghauptmannschaft Innsbruck vom 2.6.1997, GZl. 33.047/29/97, im Sinne der im Punkt II) bis IV) erwähnten Anträge der Berufungswerber abzuändern, insbesondere die gänzliche oder teilweise Untersagung des weiteren Bergbaubetriebes auszusprechen;
in eventu
in dem ausdrücklich angefochtenen Umfang aufzuheben oder zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde 1. Instanz zurückverweisen".
Da die belangte Behörde über diese Berufung durch mehr als sechs Monate nicht entschieden hat, erhoben die Beschwerdeführer eine auf Art. 130 Abs. 1 lit. b und Art. 132 B-VG gestützte Säumnisbeschwerde.
Mit Verfügung vom 28. August 1998 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein, erteilte der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG den Auftrag, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1998 legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Es wurde bemerkt, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass den Beschwerdeführern im gegenständlichen Verfahren Parteistellung zukomme, weil dieses von der Berghauptmannschaft Innsbruck eingeleitet worden sei und sich somit wesentlich von jenem Verfahren unterscheide, das dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0016, zu Grunde liege. Die Berufung der Beschwerdeführer sei daher nach Ansicht der belangten Behörde als zulässig anzusehen, sodass ein umfangreiches ergänzendes Ermittlungsverfahren erforderlich sei, das bisher nicht habe abgeschlossen werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof, der demnach zur Entscheidung in der Sache zuständig geworden ist, hat über die gegenständliche Berufung der Beschwerdeführer erwogen:
Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof die Rechtsmittelbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9.315/A).
Das Berggesetz 1975, BGBl. Nr. 259, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 355/1990, bestimmte in § 203 Abs. 2, dass die Berghauptmannschaft, wenn durch die im § 2 Abs. 1 genannten Tätigkeiten das Leben oder die Gesundheit von fremden Personen oder fremden Sachen, besonders Gebäude, Straßen, Eisenbahnen, Wasserversorgungs- und Energieversorgungsanlagen, gefährdet werden, oder wenn eine Gefährdung zu befürchten ist, oder wenn durch die vorgenannten Tätigkeiten fremde Personen unzumutbar belästigt werden, oder wenn eine über das zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Umwelt oder von Gewässern (§ 146 Abs. 5) vorliegt, nach Anhörung der allenfalls berührten Verwaltungsbehörden dem Bergbauberechtigten, Fremdunternehmer oder Verwalter die Durchführung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen aufzutragen hat. Die Berghauptmannschaft hat in den vorgenannten Fällen Erhebungen durchzuführen, wenn dies der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie beantragt.
Das Berggesetz 1975 verlor mit Ausnahme der §§ 193 bis 196 mit dem Inkrafttreten des Mineralrohstoffgesetzes - MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, seine Wirksamkeit, "soweit sie noch gelten und die Übergangsbestimmungen nicht anderes festlegen" (§ 194 MinroG). Das MinroG ist mit hier nicht zu beachtenden Ausnahmen mit 1. Jänner 1999 in Kraft getreten.
Das MinroG bestimmt nun im § 179 Abs. 2:
"(2) Werden durch die im § 2 Abs. 1 genannten Tätigkeiten das Leben oder die Gesundheit von fremden Personen oder fremden Sachen, besonders Gebäude, Straßen, Eisenbahnen, Wasserversorgungs- und Energieversorgungsanlagen gefährdet oder ist eine Gefährdung zu befürchten oder werden durch die vorgenannten Tätigkeiten fremde Personen unzumutbar belästigt oder liegt eine über das zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Umwelt oder von Gewässern (§ 119 Abs. 5) vor, so hat die Behörde nach Anhörung der allenfalls berührten Verwaltungsbehörden dem Bergbauberechtigten, Fremdunternehmer oder Verwalter die Durchführung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen aufzutragen. Handelt es sich um Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Personen, kommt Berufungen gegen einen derartigen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zu. Die Behörde hat in den vorgenannten Fällen Erhebungen durchzuführen, wann dies der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie beantragt."
Nach § 217 Abs. 2 MinroG sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängigen Verfahren und Rechtsmittelverfahren, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen.
Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage ist somit § 179 Abs. 2 MinroG anzuwenden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestimmt sich das im § 8 AVG normierte Tatbestandsmerkmal der Parteistellung in einer Verwaltungsangelegenheit nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Rechtsvorschriften. Die in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann. Dabei begründet nicht bereits die vom Gesetz der Behörde auferlegte Verpflichtung, in einem bestimmten Verwaltungsverfahren die Interessen bestimmter Personen zu berücksichtigen, deren Parteistellung, sondern erst das diesen Personen vom Gesetz eingeräumte Recht, diese Interessen im Verwaltungsweg zu verfolgen (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1996, Zl. 96/04/0199).
Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters im Beschluss vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0016, zur Regelung des § 203 Abs. 2 Berggesetz 1975 ausgesprochen hat, besteht kein subjektives öffentliches Recht (damals eines Nachbarn) auf Tätigwerden der Behörde bei Vorliegen einer Gefährdung (damals des Eigentums des Nachbarn).
Diese Rechtsauffassung liegt auf der Linie, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Erlassung eines Polizeibefehls niemandem ein Rechtsanspruch zusteht und eine Ausnahme davon nur dort besteht, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 190 zu § 8 AVG, referierte hg. Judikatur).
Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Grund, diese Rechtsprechung auf die hier anzuwendende - diesbezüglich inhaltsgleiche - Regelung des MinroG nicht zu übertragen. Dafür spricht auch, dass bei Einräumung eines Anspruches (hier der Nachbarn) auf Setzung eines behördlichen Aktes bestimmten Inhaltes die Inkaufnahme eines verhältnismäßig umständlichen, zeitaufwändigen Verfahrens (wie auch der Beschwerdefall zeigt - ein erstinstanzlicher Bescheid erging bereits im Jänner 1994), bedeutete, was jedoch mit dem erkennbaren - und von der Sache her wohl auch in nicht zu vernachlässigenden Fällen gebotenen - Verfahrensziel unvereinbar wäre, erforderlichenfalls durch eine (eben) "Sicherheitsmaßnahme" unverzüglich Abhilfe zu schaffen, was auch im gesetzlichen Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung einer Berufung (gedacht wohl des durch die Sicherheitsmaßnahmen Verpflichteten) nach Maßgabe des § 179 Abs. 2 zweiter Satz MinroG zum Ausdruck kommt.
Mit diesem Befund, dass nach der gesetzgeberischen Wertung im Hinblick auf die erforderlichenfalls gebotene Dringlichkeit einer "Sicherheitsmaßnahme", dem (hier) Nachbarn im Verfahren nach § 179 Abs. 2 MinroG ein materiell-rechtlicher - und auch verfahrensrechtlicher - Anspruch nicht zukommt, er also nicht Partei im Sinne des § 8 AVG ist, steht auch im Einklang, dass das Gesetz etwa hinsichtlich der Genehmigung von Gewinnungsbetriebsplänen (§ 116 MinroG) oder hinsichtlich der Bewilligung von Bergbauanlagen (§ 119 MinroG) differenzierte Regelungen über die Parteistellung der Nachbarn kennt, eine solche im Zusammenhalt mit der hier anzuwendenden Regelung des § 179 Abs. 2 MinroG aber nicht vorgesehen ist. Im Übrigen würde dann, wenn "fremden Personen" (§ 179 Abs. 2 MinroG) Parteistellung bei der Vorschreibung von Sicherheitsmaßnahmen zukäme, dies etwa bedeuten, dass Personen, die sich nur vorübergehend in der Nähe der Bergbauanlage aufhalten und nicht dinglich berechtigt sind, zwar keine Parteistellung bei der Genehmigung von Gewinnungsbetriebsplänen (§ 116 Abs. 3 MinroG) bzw. bei der Bewilligung von Bergbauanlagen (§ 119 Abs. 6 MinroG) genießen würden, wohl aber (als "fremde Personen") bei der Vorschreibung von Sicherheitsmaßnahmen - wofür eine sachliche Rechtfertigung nicht zu finden ist.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass Mihatsch (Mineralrohstoffgesetz (1999), Anm. 5 zu § 179) nicht darlegt, warum eine mögliche Gefährdung oder eine mögliche Belästigung "eine Parteistellung" begründe. Auch aus dem von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Judikaturhinweisen (Grass/Kreisel, Das Berggesetz (1960), Anm. 2 zu § 85 Abs. 3) lässt sich hinsichtlich einer Parteistellung nichts ableiten.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass den Beschwerdeführern im vorliegenden Fall eine Parteistellung und damit eine Berufungslegitimation nicht zukommt. Daran, dass nach dem oben Gesagten, "fremde Personen" keinen Anspruch auf Setzung einer bestimmten Sicherheitsmaßnahme (bzw. Sicherheitsmaßnahme bestimmten Inhalts) haben, ändert auch nichts, dass das Verfahren von der Berghauptmannschaft Innsbruck bereits eingeleitet worden ist. Insofern trifft es daher auch nicht zu, wenn die belangte Behörde in ihrem Vorlageschreiben die Auffassung vertritt, der vorliegende Fall unterscheide sich wesentlich von jenem der dem hg. Beschluss vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0016, zu Grunde gelegen sei.
Die Berufung der Beschwerdeführer war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass auf die Frage der Zulässigkeit des eingeschränkten Berufungsantrages der Beschwerdeführer und auch nicht inhaltlich auf das Berufungsvorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 55 Abs. 1 erster Satz, 47 Abs. 2 Z. 1, 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. Dezember 2000
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