VwGH 97/21/0610

VwGH97/21/061024.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A in Wien, geboren am 22. März 1959, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. Jänner 1997, Zl. UVS-03/P/19/05106/96, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §82 Abs1 Z1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
VerfGG 1953 §85 Abs2;
VStG §6;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
AufG 1992;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §82 Abs1 Z1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
VerfGG 1953 §85 Abs2;
VStG §6;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom 31. Jänner 1997 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 15 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 900,--, Ersatzfreiheitsstrafe 45 Stunden, verhängt, weil er sich vom 1. September 1995 bis 8. Jänner 1996 an einer näher bezeichneten Anschrift als Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz oder einer Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes zu sein, somit nicht rechtmäßig, im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung vorgebracht habe, er hätte in Österreich familiäre, soziale und wirtschaftliche Bindungen aufgebaut; eine Ausreise in sein Heimatland (Iran) wäre weder ihm noch seiner Gattin zumutbar, ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung wäre abgewiesen worden; dagegen hätte er eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht, welcher aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre.

Unbestritten sei - so die belangte Behörde weiter -, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb des angelasteten Deliktszeitraumes im Bundesgebiet aufgehalten habe, ohne über die im Spruch des Berufungsbescheides genannten aufenthaltsrechtlichen Dokumente zu verfügen. Die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den abweisenden Bescheid betreffend den Antrag auf Aufenthaltsbewilligung habe die Rechtswirkung "einer solchen" nicht auszulösen vermocht. Dem klaren Wortlaut des Gesetzes sei zu entnehmen, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet für den Normadressaten nur auf Grund einer erteilten Bewilligung rechtlich zulässig sei, nicht jedoch bereits dann, wenn "entsprechende Anträge" eingebracht worden seien. Der Umstand, dass der Beschwerde des Beschwerdeführers (zu ergänzen: gegen den seinen Verlängerungsantrag abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres) seitens des Verwaltungsgerichtshofes die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, bewirke lediglich, dass dem Beschwerdeführer jene aufenthaltsrechtliche Position zugekommen sei, welche er vor Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides innegehabt habe. Diese sei jedoch vom Fehlen der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet bestimmt gewesen. Eine Anwendung des § 17 Abs. 4 FrG komme im gegenständlichen Verfahren nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung seiner Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt hat. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten langte dieser Antrag am 2. März 1994 bei der erstinstanzlichen Aufenthaltsbehörde ein und wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1995, erlassen am 31. August 1995, rechtskräftig abgewiesen. Der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss vom 9. August 1996, Zl. 96/19/1092, dem Beschwerdeführer zugestellt am 22. August 1996, die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kommt diesem Umstand für das gegenständliche Strafverfahren, dem der Vorwurf eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Inland für den Zeitraum vom 1. September 1995 bis 8. Jänner 1996 zugrunde liegt, entscheidungsrelevante Bedeutung zu.

In § 17 Abs. 4 FrG hat der Gesetzgeber das Verbot ausgesprochen, einen Fremden während des anhängigen Verfahrens über einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch Erlassung einer Ausweisung gemäß § 17 FrG zur Ausreise aus dem Bundesgebiet zu verpflichten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 96/21/1012, dargelegt hat, gebietet es eine an den Grundsätzen der Verfassung orientierte Auslegung, § 17 Abs. 4 FrG iVm § 6 VStG dahingehend zu verstehen, dass die Strafnorm des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht die Fälle eines unrechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden erfasst, der unmittelbar auf Grund des Gesetzes einen Ausweisungsschutz genießt oder aber auf einer solchen Grundlage im Inland behördlich geduldet ist. Im Ausweisungsverbot des § 17 Abs. 4 FrG muss daher ein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund für den Tatbestand des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG gesehen werden. Diese Wirkung erstreckt sich auch auf Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, in welchen der Beschwerde (gegen den den Verlängerungsantrag abweisenden Bescheid) aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (vgl. im Einzelnen das zuvor genannte hg. Erkenntnis). Eine solche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall mit Beschluss vom 9. August 1996 - und damit vor Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses - verfügt. Dass dies erst nach Ablauf des hier in Frage stehenden Tatzeitraumes geschehen ist, ist unerheblich. Mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren über den den Verlängerungsantrag abweisenden Bescheid wurde der Eintritt der Rechtswirkungen dieses Bescheides nämlich insgesamt hinausgeschoben; er vermochte vorläufig überhaupt keine Rechtswirkungen zu entfalten. Damit hatten aber auch bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde gegen den den Verlängerungsantrag abweisenden Bescheid alle Maßnahmen, die sonst auf Grund der rechtskräftigen Abweisung des Verlängerungsantrages zulässig waren, zu unterbleiben, insbesondere also die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet (siehe zu den Konsequenzen einer durch den Verwaltungsgerichtshof bewilligten aufschiebenden Wirkung im vergleichbaren Fall der Bestrafung wegen einer Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1999, B 1575/98, und vom 30. September 1999, B 309/1999).

Die belangte Behörde hat die dargestellten Rechtswirkungen, die sich aus § 17 Abs. 4 FrG iVm der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren über die Beschwerde gegen den den Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers abweisenden Bescheid ergeben, verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. März 2000

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