VwGH 97/21/0428

VwGH97/21/042814.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des J in Graz, geboren am 24. Oktober 1971, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 12. Mai 1997, Zl. Fr 737/1996, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsangehöriger, in seinem Heimatstaat im Sinn des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. bedroht sei.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Aussage des Beschwerdeführers am 2. Juni 1995. Dieser zufolge wäre der Beschwerdeführer zwar kein Mitglied der "A Group of Patriotic Party" gewesen, doch hätte er mit dieser oppositionellen Regierungspartei sympathisiert. Ein geplanter Putschversuch wäre von der Regierung entdeckt worden. Der Beschwerdeführer hätte fliehen können. Er wäre mit einem Pkw nach Sierra Leone gefahren und hätte sich als blinder Passagier nach Europa eingeschifft. Nach ca. einem Monat wäre er in Slowenien von Bord gegangen und bereits von einem Lkw-Fahrer erwartet worden. Über die Grenze nach Österreich wäre er illegal gebracht worden. Seinen Reisepass hätte er auf der Flucht, seine Identitätskarte hier in Österreich verloren. In seiner Heimat bestünde ein Gesetz, dass jeder, der an einem Sturz der Regierung mitwirke, zum Tod verurteilt werde.

Diesen Angaben des Beschwerdeführers könne - so die belangte Behörde weiter - kein Glauben geschenkt werden. Er verfüge zwar über gewisse Grundkenntnisse hinsichtlich des Putschversuches in Monrovia am 15. September 1994. Eine Gruppe, bekannt als LHN, habe unter der Führung des Generals Julu versucht, die zu dieser Zeit amtierende Übergangsregierung zu stürzen. Dieser Vorfall sei aus verschiedenen Medienberichten bekannt geworden. Details seien dem Beschwerdeführer jedoch nicht bekannt gewesen und er habe gezielte Fragen nicht oder nur falsch beantworten können. Im Gegensatz zu seiner Aussage stehe General Julu nicht Charles Taylor nahe, tatsächlich handle es sich bei der LHN um eine Splittergruppe der AFL. Der Begriff "LHN" sei dem Beschwerdeführer überhaupt unbekannt gewesen. Er habe weder zur Struktur der LHN noch zu den Vorbereitungen (gemeint wohl: des Putsches) konkrete Angaben machen können. Nach seiner Aussage hätten die Vorbereitungen in der Stadt Krahn stattgefunden. Krahn sei jedoch keine Stadt, sondern es handle sich um den Namen einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Entgegen seiner weiteren Aussage liege das Gebiet dieses Stammes nicht in der Umgebung Monrovias, sondern im Süden von Liberia. Er vermöge weiters keinerlei Angaben über das Schiff zu machen, mit dem von Liberia nach Slowenien gelangt zu sein er behaupte.

Für den Beschwerdeführer wäre kein Reisepass in seinem Heimatstaat ausgestellt worden, wenn er dort tatsächlich verfolgt würde. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihm aktuell im Fall seiner Abschiebung nach Liberia dort die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten. Aus bloßen Vermutungen könne eine solche Gefährdung oder Bedrohung nicht abgeleitet werden. Die Glaubhaftmachung gelinge weder durch allgemein gehaltene Hinweise auf die Brisanz der derzeitigen politischen Situation noch durch Verweisung auf Berichte verschiedener Organisationen. Der Behörde sei es nach dem in § 46 AVG verankerten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens (der Asylantrag des Beschwerdeführers sei rechtskräftig abgewiesen worden) zu berücksichtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung

einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 2000, Zl. 96/21/0528.)

Die belangte Behörde verwies in zulässiger Weise (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2000, Zl. 96/21/0717) auf die Ergebnisse des den Beschwerdeführer betreffenden Asylverfahrens und schloss sich der Beweiswürdigung der Asylbehörden an. Sie legte dar, aus welchen Gründen den Angaben des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit zu versagen sei. Diese Ansicht stützte sie insbesondere darauf, dass der Beschwerdeführer über die Rebellengruppe des Generals Julu nur unvollständige und unrichtige Angaben gemacht habe, der Begriff "Krahn" entgegen seiner Aussage keine Stadt, sondern einen Stamm bezeichnet, und er letztlich keine Angaben zu seiner behaupteten Schiffsreise nach Slowenien habe tätigen können.

Angesichts dieser Argumentation vermag der Gerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung nicht als unschlüssig zu erkennen, zumal die Beschwerde auf diese Überlegungen in keiner Weise eingeht. Der Beschwerde zufolge hätte die belangte Behörde auf Grund von Feststellungen über die "allgemeine Situation" im Heimatland des Beschwerdeführers Rückschlüsse auf seine Glaubwürdigkeit ziehen können. Dieses Vorbringen ist in keiner Weise zielführend. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Unkenntnis des Beschwerdeführers über die Rebellengruppe, mit der er angeblich sympathisiert habe, und über die Bedeutung des Begriffes "Krahn" als Bezeichnung eines Volksstammes durch Ausführungen über die allgemeine Situation in Liberia erklärt werden könnte. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerdeansicht keine Veranlassung, Feststellungen über die politische Lage in Liberia zu treffen, denn die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen. Es wurden keine glaubwürdigen konkreten Anhaltspunkte dafür geltend gemacht, dass gerade der Beschwerdeführer einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Im Übrigen beinhalten die auf die Situation in Liberia bezogenen Beschwerdeausführungen solche für das Jahr 1993 und entsprechen somit nicht dem für die Glaubhaftmachung einer bevorstehenden Gefährdung oder Bedrohung erforderlichen Aktualitätsgebot.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde und bringt dazu vor, er hätte bei dessen Wahrung ausführen können, dass auf Grund der chaotischen Zustände in Liberia "teilweise die Rebellen oder die Regierungsparteien lediglich ihre unmittelbaren Vorgesetzten kennen würden und Leute wie solche in der Position des BF nicht einmal eine genaue politische Zuordnung der politischen Gruppen mit genauen Namensbezeichnungen durchführen konnten". Damit gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, weil solche Behauptungen die Unkenntnis des Beschwerdeführers über einen bestimmten Volksstamm in seinem Heimatstaat genauso wenig erklären können wie die unzureichenden Angaben über seinen Fluchtweg.

Zusammenfassend kann somit die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft zu machen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Liberia im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet oder bedroht sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 2000

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