VwGH 97/13/0100

VwGH97/13/01002.8.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Walter Lattenmayer, Dr. Andreas Luks & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Mahlerstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. März 1997, Zl. GA 8 - 2052/94, betreffend Rückzahlung von zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer für die Jahre 1984 bis 1987, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §15 Abs1;
EStG 1972 §15 Abs2;
EStG 1972 §15 Abs1;
EStG 1972 §15 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war in den vom Streit betroffenen Jahren als Hausarbeiter eines Wiener Pensionistenheims beschäftigt und benutzte die in diesem Heim befindliche Dienstwohnung.

Eine in den Verwaltungsakten auszugsweise einliegende Ablichtung der dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nach als Bestandteil des Dienstvertrages des Beschwerdeführers mit seinem Arbeitgeber anzusehenden "Dienstvorschrift für Verwalter von Pensionistenheimen" sieht unter der Rubrik "V. Hausarbeiter" Folgendes vor:

"V. 1. Die Dienstaufsicht wird vom Verwalter ausgeübt.

V. 2. Grundsätzlich obliegen den Hausarbeitern alle im Haus anfallenden Arbeiten, die nicht vornehmlich einer anderen Gruppe zugewiesen sind bzw. während der Abwesenheit anderer Gruppen alle unbedingt notwendigen Arbeiten.

V. 3. Die Hausarbeiter haben sämtliche Reparaturarbeiten durchzuführen, soweit diese in eigener Regie möglich sind, sowie die Bedienung und Wartung aller Geräte, Maschinen und Anlagen durchzuführen.

V. 4. Den Hausarbeitern obliegt die Pflege der Gartenanlagen, die Gehsteigreinigung (Schnee, Glatteis, Streusand, Unrat u.dgl.) sowie die tägliche Abfall- und Müllbeseitigung im Bereich des ganzen Hauses und des Gartens.

V. 5. Die Hausarbeiter haben die Reinigungsarbeiten im Keller und auf dem Dachboden durchzuführen.

V. 6. Die Hausarbeiter haben bei der Warenübernahme und Warenausgabe mitzuhelfen.

V. 7. Den Hausarbeitern obliegt das tägliche Auf- und Absperren des Hauses, das Ein- und Ausschalten des Lichtes, die Bedienung der Fernsehapparate, die Mithilfe bei Möbeltransporten innerhalb des Hauses, nach Verlassenschaften und nach Festen und Feiern, sowie die Mitwirkung bei der Speisenverteilung.

V. 8. Ein Hausarbeiter, dem eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt wird, hat diese zu benützen. So wie der Verwalter, informiert dieser Hausarbeiter bei Abwesenheit während der Nachtzeit die Dienst habende Schwester.

V. 9. Die mit dem Benützungsrecht an der Dienstwohnung verbundenen zusätzlichen Verpflichtungen sind vom Hausarbeiter mit Dienstwohnung in einer separaten Verpflichtungserklärung zu unterfertigen."

Eine solche Verpflichtungserklärung wurde vom Beschwerdeführer am 22. September 1972 unterschrieben. Ihr Text enthält zu Beginn die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer das Benützungsrecht für die im Haus des betroffenen Pensionistenheimes befindliche Dienstwohnung eingeräumt worden sei. Für diese Dienstwohnung würden dem Beschwerdeführer weder Betriebskosten noch ein Nutzungsentgelt in Rechnung gestellt werden, jedoch würden vom Beschwerdeführer folgende Arbeitsleistungen ohne Anspruch auf weiteres Entgelt erbracht werden:

"1. Ich habe bei allen dringenden Arbeiten einzuspringen, sofern sich kein anderer Hausarbeiter im Dienst befindet bzw. der Dienst habende Hausarbeiter abwesend sein sollte oder einer Hilfe bedarf. So werde ich unter anderem auch in der Nachtzeit dringende Hilfeleistungen für Pensionäre, das Öffnen des Haustores, die Einweisung der Rettung bei Spitalstransporten sowie bei Bedarf Hilfeleistungen für die Nachtdienstschwester durchführen. (Wenn diese z.B. für Personen- und Bettentransporte Unterstützung benötigt.)

2. Ich habe mich mit allen technischen Einrichtungen des Heimes vertraut zu machen und werde unaufschiebbare Reparaturarbeiten jeder Art, im Notfall Absperrung von Geräten, Maschinen, Rohrleitungen, Strom u.dgl. durchführen.

3. Wenn das Telefon unbesetzt ist, habe ich die Telefongespräche entgegenzunehmen, einschließlich Haustelefon und Bedienung der Multitonanlage.

Alle sonstigen Arbeitsleistungen, die einerseits über die mündlich vereinbarten Agenden eines Hausarbeiters und andererseits über die in den Punkten 1. bis 3. genannten Arbeitsleistungen hinausgehen, werden gesondert vergütet.

Für die Zeit, in der ich nicht im Hause anwesend bin, habe ich für die Verwahrung der Keller-, Boden-, Heizhaus- und sonstigen Schlüssel so Vorsorge zu treffen, dass diese Schlüssel der Hausverwaltung und Behördenorganen zugänglich sind.

Die Aufnahme von Untermietern in die Dienstwohnung ist mir nicht gestattet. Die Aufnahme von Familienangehörigen in die Dienstwohnung sowie jede beabsichtigte Veränderung an der Dienstwohnung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung durch das Kuratorium Wiener Pensionistenheime.

Ich bestätige, die Dienstwohnung in gutem Zustand übernommen zu haben, und verpflichte mich, sie in ordentlichem Zustand zu erhalten.

Ich wurde darüber belehrt, dass ich die Vorschriften ... betreffend die Reinigung von Gehsteigen, Gehwegen und Stiegenanlagen, einzuhalten habe.

Eine Abschrift der diesbezüglichen ... Vorschriften ... habe ich erhalten.

Für die Reinigung der Gehsteige und deren Bestreuung bei Glatteis entlang der Liegenschaft und den Zugang zum Haupteingang des Pensionistenheimes sowie die Abschrankung oder sonstige geeignete Kennzeichnung der betreffenden Verkehrsfläche bei Kenntnis von überhängenden Schneewechten oder Eisbildungen auf Dächern gebührt mir eine Pauschalentschädigung von S 5.500,--, welche mir je zur Hälfte am 1. Dezember und am 1. März eines jeden Jahres ausbezahlt werden wird. Dieser Betrag erhöht sich jeweils um den gleichen Prozentsatz wie mein Lohn als Hausarbeiter.

Die Durchführung der Arbeiten in zeitlicher Hinsicht hat im Sinne der diesbezüglichen straßenpolizeilichen Vorschriften rechtzeitig und zweckentsprechend zu erfolgen. Während meiner dienstfreien Zeit zwischen 6,30 Uhr früh und 20 Uhr abends wird der Verwalter des Hauses (bzw. dessen Stellvertreter) einen anderen Hausarbeiter mit meiner Vertretung betrauen.

Wenn ich verhindert bin, die von mir übernommene Verpflichtung zu erfüllen, habe ich in jedem Fall den Verwalter des Hauses (bzw. in dessen Abwesenheit seinen Stellvertreter) zu verständigen, und zwar bei unvorhergesehenen Verhinderungen sofort, ansonsten so rechtzeitig, dass eine Vertretung bestellt werden kann."

Nachdem der Arbeitgeber des Beschwerdeführers den aus der Überlassung der Dienstwohnung für den Beschwerdeführer resultierenden Vorteil als Sachbezug aus dem Dienstverhältnis den lohnabhängigen Abgaben unterzogen hatte, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Rückzahlung von zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer für die Jahre 1984 bis 1987, den er damit begründete, dass sein Dienstverhältnis vom Arbeitgeber nur unter der Voraussetzung der Benützung der Dienstwohnung aufrecht erhalten würde.

Dieser Antrag des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid im Instanzenzug mit der Begründung abgewiesen, dass der Umstand der Überlassung der Dienstwohnung an den Beschwerdeführer durch den Arbeitgeber für den Beschwerdeführer eine objektive materielle Bereicherung darstelle. Erspare sich der Beschwerdeführer damit doch verschiedene Kosten, die aus der Benützung einer Wohnung resultierten. Die direkt am Arbeitsort zur Verfügung stehende Dienstwohnung erspare dem Beschwerdeführer auch zeit- und kostenaufwändige Fahrten von seiner ursprünglichen Wohnung zum Arbeitsplatz. Es verfüge die Dienstwohnung über eine wesentlich größere Nutzfläche als die Privatwohnung (88 bis 117 m2 mit Autoabstellplatz im Vergleich zu 58 m2), weshalb die Dienstwohnung auch von Angehörigen des Beschwerdeführers als Mittelpunkt der Lebensinteressen mitbenutzt werde, was dem Beschwerdeführer die Trennung von der Familie erspare. Dass aus der Benützung der Dienstwohnung keinerlei Betriebskosten für den Beschwerdeführer anfielen, runde das Interesse des Beschwerdeführers an der Dienstwohnung noch ab. Für die Annahme von Arbeitslohn spreche auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer in der von ihm unterfertigten Verpflichtungserklärung für die Überlassung der Dienstwohnung zu verschiedenen Diensten ohne zusätzliches Entgelt verpflichtet habe. Ein ausschließliches eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Inanspruchnahme der Wohnung ergebe sich aus dem Umstand, dass das Dienstverhältnis nur unter der Voraussetzung der Benützung der Dienstwohnung aufrecht erhalten werde, noch nicht. Wenn die Erreichbarkeit und Anwesenheit des Hausarbeiters zwar im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gelegen sein möge, ändere dies nichts daran, dass die benutzte Dienstwohnung aus den dargestellten Gründen auch Intentionen des Beschwerdeführers entgegenkomme. Wenn der Beschwerdeführer eingewendet habe, dass im Hinblick auf die existente Privatwohnung ein Wohnbedürfnis an der Dienstwohnung nicht bestanden habe, sei ihm entgegenzuhalten, dass als Vorteil aus dem Dienstverhältnis nicht die Ersparnis von Miet- und Betriebskosten einer Privatwohnung, sondern der Sachwert der Nutzungsüberlassung der Dienstwohnung anzusehen sei. Ob die Privatwohnung in dieser Zeit leer stehe oder anderweitig genützt werde, unterliege der freien persönlichen Disposition des Beschwerdeführers und könne schon deswegen keinen Einfluss auf die Qualifizierung der überlassenen Dienstwohnung als Vorteil aus dem Dienstverhältnis haben. Da die Dienstwohnung somit nicht ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers in Anspruch genommen werde, sei der daraus resultierende Vorteil bei der Lohnbesteuerung zu Recht als Einnahme aus dem Dienstverhältnis erfasst worden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 15 Abs. 1 EStG 1972 liegen Einnahmen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 4 bis 7 zufließen.

Geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge) sind nach § 15 Abs. 2 EStG 1972 mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt eine freie Dienstwohnung nur dann keinen geldwerten Vorteil und damit auch keine Einnahme im Sinne des § 15 EStG 1972 dar, wenn der Arbeiternehmer sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers in Anspruch nimmt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. September 1983, 82/13/0238, vom 19. März 1985, 84/14/0149, vom 20. Jänner 1993, Slg. N.F. Nr. 6.746/F, vom 25. November 1997, 93/14/0109, und vom 10. Dezember 1997, 95/13/0078).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nicht in Abrede gestellt, dass der Dienstgeber des Beschwerdeführers zur Fortsetzung des Dienstverhältnisses nur unter der Bedingung bereit war, dass der Beschwerdeführer die Dienstwohnung benützt. Dass der Dienstgeber des Beschwerdeführers an der Benützung der Dienstwohnung im vorliegenden Fall ein erhebliches betriebliches Interesse hat, ist angesichts der mit dem Betrieb eines Pensionistenheimes verbundenen Erfordernisse, wie sie in den wiedergegebenen Bestimmungen der Dienstvorschrift und der Verpflichtungserklärung zum Ausdruck kommen, auch durchaus nachvollziehbar. Weder das Bestehen des Dienstgebers auf der Benutzung der Dienstwohnung noch das Vorliegen eines erheblichen betrieblichen Interesses des Dienstgebers an der Benutzung der Dienstwohnung steht indessen der Qualifizierung einer Dienstwohnung als geldwerten Vorteil aus dem Dienstverhältnis für sich allein schon entgegen.

Die Beurteilung der Überlassung einer Dienstwohnung als nicht steuerbar setzt nämlich die Ausschließlichkeit des Interesses des Arbeitgebers an der Benutzung der Dienstwohnung durch den Dienstnehmer derart voraus, dass nach der Lage des konkreten Einzelfalles ein dem Dienstnehmer aus der Überlassung der Dienstwohnung an ihn resultierender Vorteil (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 25. März 1999, 97/15/0089, und vom 16. Dezember 1998, 97/13/0180) schlechthin nicht besteht. Hievon kann im Beschwerdefall aber schon in Anbetracht der Gegenüberstellung der Wohnnutzflächen von Privatwohnung und Dienstwohnung des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Möglichkeit der Benutzung der Dienstwohnung durch seine Familie sachbezogen nicht die Rede sein. Dass der Beschwerdeführer sich verpflichten musste, als Gegenleistung für die unentgeltliche Überlassung der Dienstwohnung verschiedene Dienstleistungen ohne zusätzliches Entgelt zu verrichten, hat die belangte Behörde ebenso zutreffend als Indiz dafür gewertet, dass die Überlassung der Dienstwohnung an den Beschwerdeführer Teil des Leistungsaustauschverhältnisses seines Dienstvertrages war.

Da die belangte Behörde in der Einstufung der Überlassung der Dienstwohnung an den Beschwerdeführer als geldwerten Vorteil im Sinne des § 15 EStG 1972 die Rechtslage nicht verkannt hat, war die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 2. August 2000

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