VwGH 97/05/0046

VwGH97/05/004629.8.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des H in P, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 21. März 1996, Zl. KUVS-K1-21/9/96, betreffend eine Baustrafe (weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Krnt 1992 §23;
BauO Krnt 1992 §24;
BauO Krnt 1992 §4 lita;
BauO Krnt 1992 §48 Abs1 Z1 lita;
BauO Krnt 1992 §5;
BauRallg;
VwRallg;
BauO Krnt 1992 §23;
BauO Krnt 1992 §24;
BauO Krnt 1992 §4 lita;
BauO Krnt 1992 §48 Abs1 Z1 lita;
BauO Krnt 1992 §5;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen

Begründung

Am 5. Juli 1994 zeigte der Bürgermeister der Marktgemeinde V der Bezirkshauptmannschaft Villach an, dass der Beschwerdeführer auf seiner näher bezeichneten Parzelle im Juli 1994 ein baubewilligungspflichtiges Vorhaben ohne Bewilligung errichtet habe, weshalb er eine Verwaltungsübertretung begangen hätte. Es handelte sich nach dieser Anzeige um ein eingeschoßiges Gebäude (WC-Anlage) im Ausmaß von 1,20 m x 1,50 m und einer Höhe von ca. 2,00 m. Der Anzeige wurde ein Foto angeschlossen.

Der Beschwerdeführer wurde zu diesem Vorwurf gehört; von der Marktgemeinde V wurde der Behörde bekannt gegeben, dass die gegenständliche Parzelle im Flächenwidmungsplan als "Wald" gewidmet sei.

Mit Straferkenntnis vom 5. Dezember 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe Anfang Juli 1994 die genannte bauliche Anlage errichtet bzw. ausgeführt, obwohl er nicht im Besitz einer hiefür erforderlichen Baubewilligung gewesen sei. Er habe damit § 48 Abs. 1 Z. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 lit. a Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 64/1992 in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Fassung, verletzt. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 20.000,-- verhängt.

In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, bei dem Objekt handle es sich um ein Container-WC, also um ein mobiles Objekt, welches nur vorübergehend am Grundstück gelagert werde. Es liege keine Errichtung vor, weil eine Errichtung voraussetzen würde, dass ein dauerhafter Verbleib beabsichtigt sei. Dem Beschwerdeführer habe jedweder Vorsatz gefehlt, eine Gesetzesübertretung vorzunehmen, vielmehr sei er im Sinne der Umweltreinhaltung tätig geworden.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies die belangte Behörde diese Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses bestätigte die belangte Behörde mit der Maßgabe, dass er nunmehr wie folgt zu lauten hatte:

"Der Beschuldigte hat, wie dies am 5.7.1994 durch ein Organ der Marktgemeinde V festgestellt worden ist, Anfang Juli 1994 auf der näher bezeichneten Parzelle ein (eingeschossiges) Gebäude - WC - im Ausmaß von ca. 1,20 m x 1,50 m und einer Höhe von ca. 2,0 m ausgeführt, obwohl die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen einer Baubewilligung bedarf. Er hat dadurch § 48 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 4 lit. a der Kärntner Bauordnung, LGBl. 64/1992 idgF, verletzt."

Der weitere Ausspruch über Strafe und Kosten blieb von der Neufassung durch die Berufungsbehörde unberührt.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die gegenständliche Fläche im Flächenwidmungsplan als Grünland für die Forstwirtschaft (Wald) festgelegt sei und dass ein Gebäude (WC-Kabine) im genannten Ausmaß aufgestellt wurde und dafür keine Baubewilligung vorliege. Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass das Objekt ein Gebäude und somit eine bauliche Konstruktion zur Herstellung eines abgeschlossenen Raumes darstelle. Dieser Raum bestehe aus einer WC-Kabine, in die ein Fäkalientankmodul eingebaut sei. Es handle sich um ein mobiles Objekt, das ein Leergewicht von ca. 140 kg aufweise, wobei der Fäkalientank ein Fassungsvermögen von ca. 300 l habe. Rechtlich würdigte die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahingehend, dass es sich bei der gegenständlichen WC-Kabine um ein Gebäude handle, weil ein geschlossener Raum vorhanden sei. Die beliebige Standortwahl, die Fortbewegungsmöglichkeit und die Aufstellung des Gebäudes auf ebenem Grund stehe einer Beurteilung als Gebäude nicht entgegen. Das Objekt sei auch auf Grund seiner Beschaffenheit geeignet, die öffentlichen Interessen zu berühren. Es entspreche nicht den Zielsetzungen der Kärntner Bauordnung, dass mobile Gebäude in der freien Landschaft auf Grundstücken, die als Grünland festgelegt seien, ohne ein Verfahren nach der Kärntner Bauordnung realisiert würden. Der vom Beschwerdeführer angestellte Vergleich mit derartigen Anlagen als Teil einer Baustelleneinrichtung sei deswegen unpassend, weil mit der Erteilung einer Baubewilligung die bauvorbereiteten Maßnahmen, zu denen auch die Baustelleneinrichtung gehören, von der Bewilligung erfasst seien. Die Aufstellung von WC-Kabinen bei Großveranstaltungen werde dem Veranstalter behördlich vorgeschrieben. Da eine Bewilligung nach der Kärntner Bauordnung, die erforderlich gewesen wäre, nicht vorgelegen sei, sei der Tatbestand des § 48 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 4 lit. a der Kärntner Bauordnung erfüllt.

Zur Strafbarkeit genüge bereits fahrlässiges Verhalten; es müsse als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass für derartige Vorhaben ein behördlicher Konsens erforderlich sei. Dadurch, dass sich der Beschwerdeführer nicht einmal über die Genehmigungspflicht informiert habe, habe er fahrlässiges Verhalten zu verantworten.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 24. Dezember 1996, B 2215/96, die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Beschwerdeergänzung beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Zeitpunkt der Begehung der hier vorgeworfenen Tat wie auch im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung galt die Kärntner Bauordnung 1992, LGBl. Nr. 64, in der zuletzt durch das Gesetz LGBl. Nr. 25/1994 geänderten Fassung (BO). Die Novelle LGBl. Nr. 44/1996 ist erst am 1. September 1996 in Kraft getreten (Art. II Z. 4 der Kundmachung der Kärntner Landesregierung vom 2. Juli 1996, mit der die Kärntner Bauordnung 1992 wiederverlautbart wurde, LGBl. Nr. 62); sie findet somit hier noch keine Anwendung, sodass sich ein Eingehen auf die darauf beruhenden Beschwerdeausführungen erübrigt.

Gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 lit. a BO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis S 200.000,-- zu bestrafen, wer ein Gebäude ohne Baubewilligung ausführt oder ausführen lässt; die Geldstrafe beträgt nach Z. 3 dieser Bestimmung bis zu S 30.000,--, wenn (lit. g) ein Vorhaben nach § 5 ohne Anzeige oder vor Wirksamkeit der Anzeige ausgeführt wird.

Gemäß § 4 lit. a BO bedarf die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen einer Baubewilligung. § 5 BO lautet:

"Vorhaben nach § 4 lit. b bis f sowie § 4 lit. a, soweit er sich nicht auf Gebäude bezieht, durch die weder Interessen der Sicherheit, insbesondere im Hinblick auf die Standsicherheit und die Brandsicherheit, der Gesundheit, der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Schutzes des Ortsbildes noch sonstige öffentliche Interessen oder öffentlich-rechtliche Interessen der Anrainer beeinträchtigt werden können, sind anzeigepflichtig."

Die belangte Behörde ist ausdrücklich von der Errichtung eines "Gebäudes" ausgegangen, sodass sie sich mit § 5 BO und der dafür geltenden Strafnorm nicht auseinander gesetzt hat. Die BO enthält keine Definition des Begriffes Gebäude, weshalb die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelte Definition heranzuziehen ist, wonach unter Gebäuden in fester Verbindung mit dem Boden und über demselben künstlich hergestellte Konstruktionen zu verstehen sind, durch welche ein allseits abgeschlossener Raum gebildet wird (siehe das hg. Erkenntnis vom 6. November 1990, Zl. 90/05/0111 m.w.N.). Die "Verbindung mit dem Boden" ist auch dann anzunehmen, wenn eine Anlage zwar so, wie sie ausgeführt wurde bzw. ausgeführt werden soll, keine Verbindung mit dem Boden hat, eine solche aber bei ordnungsgemäßer Ausführung nach den Regeln der technischen Wissenschaften haben müsste (siehe den Nachweis bei Hauer, Kärntner Baurecht2, 63).

Ob die hier gegebene Konstruktion bei fachgerechter Aufstellung eine Verbindung mit dem Boden aufweisen muss, lässt sich, obwohl dies vom Beschwerdeführer immer bestritten wurde, den Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht entnehmen. Nach dem angefochtenen Bescheid wurden die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Konstruktionsweise des "Gebäudes" durch die im Akt befindlichen und von ihm selbst vorgelegten Unterlagen in den wesentlichen Punkten bestätigt; gerade aus dem vorgelegten Prospekt ist aber nicht zu entnehmen, dass die WC-Anlage eine feste Verbindung mit dem Boden haben muss. Weiters wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt: "Dass bei fachgemäßer Herstellung des Gebäudes auch eine entsprechende Verbindung mit dem Boden gegeben sein muss, ergibt sich aus der Natur der Sache". Damit wird der bei Hauer, a. a.O. abgedruckte Rechtssatz aus einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1978, Zl. 610/76, verkürzt wiedergegeben; das Originalzitat lautet:

"Dass bei fachgemäßer Herstellung eines Fertigteilgebäudes auch eine entsprechende Verbindung mit dem Boden gegeben sein muss, ergibt sich schon aus der Natur der Sache, weil ansonsten eine Sicherheitsgefährdung gegeben wäre". Ob auch bei dieser Konstruktion, deren Leergewicht immerhin 140 kg beträgt, "die Natur der Sache" eine feste Verbindung erfordert, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht unmittelbar einsichtig und bedarf einer Klärung im Beweisverfahren.

Nicht nachvollziehbar ist die weitere Würdigung der belangten Behörde, die beliebige Standortwahl, die Fortbewegungsmöglichkeit und die Aufstellung des Gebäudes auf ebenem Grund stünden einer Beurteilung des Objektes "im Sinne der im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen der Kärntner Bauordnung" - also des ersten Tatbestandes im § 4 lit. a BO - nicht entgegen; wenn eine feste Verbindung mit dem Untergrund nicht gegeben ist und auch bei fachgerechter Ausführung nicht gegeben sein muss, dann liegt kein Gebäude vor und kommt daher § 4 lit. a BO nur dann zur Anwendung, wenn nicht die im § 5 BO genannten (Negativ-) Voraussetzungen eines anzeigepflichtigen Vorhabens gegeben sind.

Ob das Vorhaben eine "bauliche Anlage" im Sinne der Alternative im § 4 lit. a BO darstellte, braucht hier nicht untersucht zu werden, weil die belangte Behörde in ihrer Maßgabebestätigung ausdrücklich die Bestrafung an die Errichtung eines Gebäudes geknüpft hat. Im Übrigen kann die Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, die im Sinne des § 5 BO zur Bewilligungspflicht führte, nicht mit dem Hinweis begründet werden, dass ein derartiges Vorhaben nicht ohne ein Verfahren nach der Kärntner Bauordnung realisiert werden darf, weil in den §§ 23f. BO auch für anzeigepflichtige Vorhaben ein Verfahren vorgesehen ist.

Jedenfalls hat die belangte Behörde dadurch, dass sie ohne entsprechende Tatsachenfeststellungen von der Errichtung eines Gebäudes ausgegangen ist, Verfahrensvorschriften verletzt, sodass der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf. Der Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Stempelgebühren der Verfassungsgerichtshofbeschwerde sind hier nicht ersatzfähig.

Wien, am 29. August 2000

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