Normen
B-VG Art103 Abs4;
PStG §67;
B-VG Art103 Abs4;
PStG §67;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1996, eingelangt im Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt am 30. Dezember 1996, teilte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter mit, anlässlich der Eintragung in das Geburtenbuch sei der Antrag auf Erteilung einer Ausfertigung der Geburtsurkunde in slowenischer Sprache gestellt worden. Nunmehr sei eine Fotokopie der Geburtsurkunde mit einer von einer gerichtlich beeideten Dolmetscherin "amtlich beglaubigten" Übersetzung in die slowenische Sprache übermittelt worden, was dem Antrag nicht entsprochen habe. § 20 des Volksgruppengesetzes erfordere vielmehr, dass die Behörde (selbst) auf Verlangen eine derartige Ausfertigung in der Volksgruppensprache erteilt. Es werde daher beantragt, eine von der Behörde erstellte Ausfertigung der Geburtsurkunde (in slowenischer Sprache) "zukommen zu lassen". Sollte die Behörde diesem Ersuchen nicht näher treten können, werde um bescheidmäßige Erledigung ersucht.
Mit Schreiben vom 1. Juli 1997, eingelangt im Amt der Kärntner Landesregierung am 11. Juli 1997, stellte die Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit an den Landeshauptmann von Kärnten als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde. Begründend wurde ausgeführt, bis zum 2. Juli 1997 sei der Antrag vom 23. Dezember 1996 weder erledigt worden, noch sei ein Bescheid erlassen worden.
Mit Bescheid vom 9. September 1997 wurde "zufolge des Devolutionsantrages vom 1.7.1997" der Antrag der Beschwerdeführerin "auf neuerliche Ausstellung einer Geburtsurkunde ... gemäß § 73 Abs. 2 AVG zurückgewiesen". In der Begründung führte der Landeshauptmann von Kärnten aus, der Beschwerdeführerin sei am 19. November 1996 eine Geburtsurkunde ausgestellt worden. Anlässlich dieser Ausstellung habe der Kindesvater auch eine Ausfertigung in slowenischer Sprache beantragt. In der Folge habe das Standesamt des Magistrates Klagenfurt eine Übersetzung in slowenischer Sprache durch einen gerichtlich beeideten Dolmetscher in Auftrag gegeben und dieselbe dem "Einschreiter" übermittelt. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1996 habe der Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass eine amtlich beglaubigte Übersetzung der Geburtsurkunde nicht dem § 20 des Volksgruppengesetzes entspreche. Neuerlich sei um eine von der Behörde erstellte Ausfertigung der Geburtsurkunde, widrigenfalls um eine bescheidmäßige Erledigung ersucht worden.
Das Standesamt des Magistrates Klagenfurt habe das seitens des Vaters der Beschwerdeführerin gerichtete Verlangen auf Ausstellung einer Geburtsurkunde in slowenischer Sprache zum Anlass genommen, eine Übersetzung der in deutscher Sprache ausgestellten Geburtsurkunde herstellen zu lassen. Die Übersetzung sei durch einen allgemein beeideten gerichtlichen Dolmetscher hergestellt und der antragstellenden Partei ausgefolgt worden. Wenn die Beschwerdeführerin nunmehr auf dem Standpunkt stehe, dass § 20 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes damit nicht Rechnung getragen worden sei, weil nicht das Standesamt selbst eine Geburtsurkunde in slowenischer Sprache ausgestellt habe, sondern lediglich eine Übersetzung durch einen allgemein beeideten gerichtlichen Dolmetscher habe anfertigen lassen und diese weitergeleitet habe, so gehe diese Argumentation "ins Leere". Das Standesamt Klagenfurt habe, wie sich auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage eines Volksgruppengesetzes ergebe, dem § 20 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes Rechnung getragen, indem es eine Übersetzung der in Rede stehenden Geburtsurkunde in die Sprache der Volksgruppe anfertigen ließ. Die Antragstellung auf eine bescheidmäßige Erledigung durch das Standesamt Klagenfurt gehe "gleichfalls ins Leere". Eine behördliche Beurkundung, eine solche sei die Ausstellung einer Geburtsurkunde, stelle keinen Bescheid dar. Die Beurkundung habe den Charakter einer Erklärung, einer Bestätigung, die vom Inhalt einer Berechtigung abhängt. Eine Bescheidqualität sei dieser Urkunde nicht zuzuerkennen, weil diese lediglich als Abgabe einer Wissensäußerung zu verstehen sei. Da "somit" ein Anspruch auf eine bescheidmäßige Erledigung nicht bestehe und dem Verlangen auf Ausstellung einer in die Sprache der slowenischer Volksgruppe übersetzten Geburtsurkunde vom Standesamt Klagenfurt vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine - im Wesentlichen die Begründung des angefochtenen Bescheides wiederholende - Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet verlangt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Personenstandsgesetzes (PStG), BGBl. Nr. 60/1983, lauten (auszugsweise):
"§ 31. (1) Personenstandsurkunden sind Auszüge aus den Personenstandsbüchern, die den wesentlichen Inhalt der Eintragung wiedergeben.
(2) Die Personenstandsbehörden haben auszustellen:
1. Geburtsurkunden;
...
§ 59. (1) Die in diesem Bundesgesetz geregelten Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikelwesens sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen.
(2) Unter 'Personenstandsbehörde' ist die Personenstandsbehörde erster Instanz, unter 'Standesbeamter' das Organ der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes (§ 60 Abs. 1) zu verstehen, das die Aufgaben nach Abs. 1 besorgt, oder der von dem Organ dazu herangezogene Organwalter (Abs. 3).
...
§ 67. Gegen Bescheide, die der Landeshauptmann als erste Instanz erlässt, steht ein ordentliches Rechtsmittel nicht zu."
§ 20 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, lautet (auszugsweise):
"§ 20.
...
(2) Auf Verlangen sind Auszüge aus Personenstandsbüchern und sonstige Urkunden vom Standesamt als Übersetzung in die Sprache der Volksgruppe zu erteilen."
§ 73 AVG der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (10. September 1997) maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 lautete (auszugsweise):
"§ 73. (1) Die Behörden ... sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8 ) ... ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
(2) Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ... über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde ... einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
..."
1. Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin "auf neuerliche Ausstellung einer Geburtsurkunde" zurückgewiesen. Zwar ist nicht zu übersehen, dass die Zitierung des § 73 Abs. 2 AVG als Indiz dafür verstanden werden könnte, dass die belangte Behörde bereits die Zulässigkeit des Devolutionsantrages verneint hat, doch spricht gegen eine solche Deutung des Bescheidspruches nicht nur die ausdrückliche Erwähnung des Antrages der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Wort "zurückgewiesen", sondern auch die der Sache nach auf die Unzulässigkeit dieses Antrages abstellende Begründung. Die Zitierung des § 73 Abs. 2 AVG für sich allein steht der Auslegung des Bescheidspruches im oben erwähnten Sinn, nämlich als Zurückweisung des dem Verwaltungsverfahren zu Grunde liegenden Antrages auf Ausstellung einer Geburtsurkunde in slowenischer Sprache, nicht entgegen, weil sie auch als Bekräftigung des erfolgten Zuständigkeitsüberganges verstanden werden kann. Die belangte Behörde hat in diesem Verständnis des Spruches, das der Verwaltungsgerichtshof seiner weiteren rechtlichen Beurteilung zu Grunde legt, in der durch den Antrag der Beschwerdeführerin bestimmten Verwaltungsangelegenheit, wenngleich durch Zurückweisung, entschieden.
2. Die Entscheidung der belangten Behörde erging in einer Angelegenheit des Personenstandswesens. Dieses ist gemäß Art. 102 Abs. 1 B-VG in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es, um den Instanzenzug an den Bundesminister auszuschließen, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung im Sinne des Art. 103 Abs. 4 B-VG, wenn der Landeshauptmann auf Grund eines Devolutionsantrages an Stelle der Behörde erster Instanz entscheidet (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 1994, Zl. 93/10/0171). Eine solche Abkürzung des Instanzenzuges im Sinne des Art. 103 Abs. 4 B-VG liegt in § 67 PStG vor. Gegen den angefochtenen Bescheid steht danach kein ordentliches Rechtsmittel zu, weshalb sich die Beschwerde als zulässig erweist.
3. Die belangte Behörde begründet die Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin im Ergebnis damit, dass der Antrag auf bescheidmäßige Erledigung "ins Leere" gehe, weil eine behördliche Beurkundung, wie die Ausstellung einer Geburtsurkunde, keinen Bescheid darstelle. Ein Anspruch auf eine bescheidmäßige Erledigung bestehe daher nicht. Diese Ausführungen zeigen, dass die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat.
Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, ob eine behördliche Beurkundung, wie die Ausstellung einer Geburtsurkunde, einen Bescheid darstellt. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war der - zulässige - Antrag der Beschwerdeführerin, die Personenstandsbehörde erster Instanz (der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt) möge gemäß § 20 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes eine Geburtsurkunde als Übersetzung in die slowenische Sprache, die Sprache der Volksgruppe, der die Beschwerdeführerin angehört, ausstellen. Ausdrücklich wurde weiters für den Fall der Nichtentsprechung begehrt, einen Bescheid zu erlassen. Nur im Fall der positiven Erledigung dieses Antrages durch Ausstellung der begehrten Urkunde hatte die Erlassung eines Bescheides zu unterbleiben. Da - unbestritten - die belangte Behörde, ebenso wie die Personenstandsbehörde erster Instanz, dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht entsprochen hatte, hatte sie durch Bescheid über das Bestehen des von der Beschwerdeführerin behaupteten Anspruchs auf Ausstellung der Geburtsurkunde in ihrer Volksgruppensprache abzusprechen.
Indem die belangte Behörde den Anspruch der Beschwerdeführerin auf meritorischen Abspruch über das Bestehen des behaupteten Anspruches verneinte und deren Antrag zurückwies, verletzte sie die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung. Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2000
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