VwGH 96/21/0822

VwGH96/21/082214.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M in Tattendorf, geboren am 10. Mai 1960, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. Juli 1996, Zl. 1079/96, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs5 idF 1991/051;
AVG §63 Abs5 idF 1995/471;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs5 idF 1991/051;
AVG §63 Abs5 idF 1995/471;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. August 1995 erließ die Bezirkshauptmannschaft Baden gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 iVm den §§ 19 bis 23 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein bis 30. Juni 2005 befristetes Aufenthaltsverbot. Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 3. August 1995 zugestellt. Die am 17. August 1995 mittels Telefax beim Gendarmerieposten Baden eingebrachte Berufung langte am 18. August 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden ein. (Sie wurde in der Folge mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juli 1996 als verspätet zurückgewiesen.)

Mit Vorhalt vom 12. Oktober 1995, dem Vertreter des Beschwerdeführers am 16. Oktober 1995 zugestellt, hat die belangte Behörde auf die verspätete Berufungseinbringung hingewiesen. In seiner mittels Telefax am 30. Oktober 1995 bei der belangten Behörde eingebrachten Stellungnahme hat der Beschwerdeführer die Ansicht vertreten, dass die Berufung nicht verspätet sei, in eventu jedoch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurück. In der Begründung legte sie den Gang des Verwaltungsverfahrens dar und führte aus, dass der Wiedereinsetzungsantrag bei der erstinstanzlichen Behörde einzubringen gewesen wäre, und zwar binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, vorliegend nach Kenntnis der Verspätung der Berufung. Der Beschwerdeführer habe jedoch den Wiedereinsetzungsantrag am letzten Tag der Frist bei der belangten Behörde eingebracht, weshalb selbst bei einer unverzüglichen Weiterleitung an die zuständige Behörde die Einhaltung der Frist nicht möglich gewesen wäre. Gemäß § 6 Abs. 1 AVG habe die Behörde Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1998, Zl. 98/07/0072) ergibt sich aus dem in § 6 Abs. 1 AVG vorgenommenen Verweis auf die Gefahr des Einschreiters die Konsequenz, dass die Einbringungsfrist für eine fristgebundene Eingabe (hier: für den gemäß § 71 Abs. 2 AVG fristgebundenen Wiedereinsetzungsantrag) im Fall deren Adressierung an die zur Erledigung dieser Eingabe unzuständige Behörde nur dann gewahrt ist, wenn die unzuständige Behörde das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Einbringungsfrist zur Post gibt oder das fristgebundene Ansuchen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt.

Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Fallbezogen kommt wegen der Versäumung der Berufungsfrist nur die erstgenannte Alternative in Betracht, weshalb zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag die Behörde zuständig ist, bei der die Berufung einzubringen war. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG idF der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Zwar gilt gemäß dem letzten Satz dieser Bestimmung die Einbringung der Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde als rechtzeitige Einbringung, dieses Wahlrecht erstreckt sich jedoch nicht auf die Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages. Für eine Erstreckung der in § 63 Abs. 5 AVG idF BGBl. Nr. 471/1995 normierten Fristwahrungsfiktion auf den Fall der Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, die den Eintritt der aus den Bestimmungen des § 71 Abs. 4 AVG und des § 6 Abs. 1 AVG zwangsläufig resultierenden Rechtsfolgen hindern könnte, denn durch die Anordnung des § 63 Abs. 5 AVG wird nicht die Berufungsbehörde zu jener Behörde gemacht, bei der die Berufung einzubringen ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 98/07/0072 sowie das Erkenntnis vom 31. Mai 1999, Zl. 99/10/0026).

Entgegen der Beschwerdeansicht bot somit § 63 Abs. 5 AVG dem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit, den Wiedereinsetzungsantrag fristwahrend bei der zweitinstanzlichen Behörde einzubringen. Da diese den bei ihr eingelangten Wiedereinsetzungsantrag erst am 1. März 1996 an die Bezirkshauptmannschaft Baden weitergeleitet hat, steht die Zurückweisung des Antrags mit dem Gesetz in Einklang.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. September 2000

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