VwGH 96/08/0194

VwGH96/08/019415.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien IX, Währinger Straße 2-4, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. November 1995, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Ruhen des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §16 Abs1 litg;
AlVG 1977 §21;
AlVG 1977 §36;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §46 Abs5;
NotstandshilfeV §1;
AlVG 1977 §16 Abs1 litg;
AlVG 1977 §21;
AlVG 1977 §36;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §46 Abs5;
NotstandshilfeV §1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund eines am 3. August 1994 gestellten Antrages Notstandshilfe für die Dauer von 364 Tagen, beginnend mit 10. August 1994, gewährt.

Der Leistungsakt enthält Zahlungs- und Verrechnungsaufträge vom 10. und 22. Februar 1995, wonach die Leistung (offenbar auf Grund von Telefonaten am 9. und 20. Februar 1995) für die Zeit vom

10. bis zum 19. Februar 1995 nicht angewiesen wurde.

Am 23. März 1995 wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen, wonach er "um Feststellungsbescheid über Auslandsaufenthalt" ersuche.

Mit Bescheid vom 30. März 1995 stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien fest, der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe ruhe für den Zeitraum vom 10. Februar 1995 bis zum 19. Februar 1995. Begründet wurde dies - nach einer Wiedergabe von Inhalten der §§ 16 Abs. 1 lit. g und 38 AlVG - damit, dass der Beschwerdeführer "im oben angeführten Zeitraum im Ausland" gewesen sei.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid gab der Beschwerdeführer an, er habe vom 11. bis zum 17. Februar 1995 einen Freund in Deutschland besucht. Er sei nicht darüber informiert gewesen, dass der Auslandsaufenthalt ein Ruhen des Anspruches auf Notstandshilfe zur Folge habe, widrigenfalls er die Reise unterlassen hätte. Auch bei der Rückmeldung sei er auf die Ruhensbestimmung nicht aufmerksam gemacht worden, als er zu der Beamtin wegen ihrer falschen Computereintragung gemeint habe, sie könne das Datum lassen, weil es sicherlich nicht relevant sei. Die Beamtin habe irrtümlich "den 20. anstatt den 18." Februar 1995 "als Rückkehrtag eingegeben". Der Beschwerdeführer sei aus näher dargestellten Gründen auf die Leistung angewiesen.

Am 17. Oktober 1995 wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift zu seiner Berufung aufgenommen. Der Beschwerdeführer gab wieder an, er habe die Ruhensbestimmung nicht gekannt. Der Auslandsaufenthalt habe nicht vom 10. bis zum 19. Februar 1995, sondern vom 11. bis zum 17. Februar 1995 gedauert. Der Fehler sei durch einen Tippfehler der Sachbearbeiterin zustande gekommen. Gemeldet habe der Beschwerdeführer den Auslandsaufenthalt am 10. Februar 1995. Auf Vorhalt der Widersprüchlichkeit seiner Angaben über den Zeitpunkt der Rückkehr aus Deutschland gab der Beschwerdeführer an, er sei am 17. Februar 1995 nach Österreich zurückgekehrt und wäre dem Arbeitsmarktservice am 18. Februar 1995 wieder zur Verfügung gestanden. Die Niederschrift enthält weder Fragen nach den genauen Aus- und Wiedereinreisezeitpunkten des Beschwerdeführers noch eine an ihn gerichtete Aufforderung, diesbezügliche Angaben durch "Belege" zu untermauern.

Am 20. Oktober 1995 wurden Ausdrucke der automationsunterstützt geführten Aufzeichnungen über die Beratungsgespräche mit dem Beschwerdeführer hergestellt. Darin finden sich keine Eintragungen im Zeitraum vom 3. August 1994 bis zum 27. Juli 1995.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Im Anschluss an eine Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung - soweit für die Behandlung der Beschwerde noch wesentlich - wie folgt:

"Bezüglich des Ruhenszeitraumes hatte sich der zuständige Ausschuss mit widersprüchlichen Angaben Ihrerseits auseinanderzusetzen. Sie haben dem Arbeitsmarktservice den Auslandsaufenthalt rechtzeitig am 9.2.1995 für den 10.2.1995 gemeldet.

Der Ausschuss konnte Ihren geänderten Berufungsvorbringen über den Tag der Abreise nicht folgen, zumal Sie die Ausführungen durch nichts belegen konnten.

Als Tag der Rückkehr führen Sie in der Berufung den 18.2.1995 bzw. in der Niederschrift vom 17.10.1995 den 17.2.1995 an. Dem Arbeitsmarktservice haben Sie am 20.2.1995 telefonisch mitgeteilt, dass der Auslandsaufenthalt bis 19.2.1995 gedauert hätte. In freier Beweiswürdigung wurde dem Ausspruch über das Ruhen des Anspruches die erste Angabe zugrundegelegt, zumal auch hier das neue Vorbringen in der Berufung nicht belegt werden konnte.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der zwar beantragt wird, den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben, der Entscheidung der belangten Behörde aber inhaltlich nur insofern entgegengetreten wird, als die belangte Behörde eine zu lange Dauer des Auslandsaufenthaltes angenommen habe. Hiezu wird der Standpunkt vertreten, bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ermittlungsverfahrens und richtiger rechtlicher Beurteilung hätte sich ergeben, dass der Anspruch auf Notstandshilfe nur für den Zeitraum vom 11. bis zum 17. Februar 1995 geruht habe. Im Einzelnen wird dazu vorgebracht, der Beschwerdeführer habe den bevorstehenden Auslandsaufenthalt am Donnerstag, den 9. Februar 1995, beim Arbeitsmarktservice gemeldet. Am Freitag, dem 10. Februar 1995, sei er etwa um 21 Uhr nach Deutschland abgereist. Er habe die Grenze "nach Mitternacht" überquert und sei in den frühen Morgenstunden an seinem Bestimmungsort in Deutschland angekommen. Von dort sei er am Freitag, dem 17. Februar 1995, nachmittags wieder Richtung Wien aufgebrochen. Er habe etwa um 22 Uhr Wien erreicht und sich am Montag, dem 20. Februar 1995, beim Arbeitsmarktservice zurückgemeldet. Die Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren seien nicht widersprüchlich gewesen, sondern es sei jeweils "fraglich", auf welches Sachverhaltselement es bei der Bestimmung der Dauer des Auslandsaufenthaltes ankomme.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g i.V.m § 38 AlVG ruht der Anspruch auf Notstandshilfe - mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - "während des Aufenthaltes im Ausland". Auf die mangelnde Kenntnis des Beschwerdeführers von der Ruhensbestimmung wird in der Beschwerdebegründung - mit Recht - nicht mehr Bezug genommen. Strittig sind nur der Beginn und das Ende des Ruhenszeitraumes.

Sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Notstandshilfe gebühren gemäß § 21 AlVG bzw. § 36 AlVG und § 1 Notstandshilfeverordnung in "täglichen" Grundbeträgen. Daraus folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Teilung von Tagen bei der Bestimmung der Dauer des Ruhens nicht in Betracht kommt. Im Besonderen scheidet damit auch ein "stundenweises" Ruhen bei nur ganz kurzen Auslandsaufenthalten aus. Dass andererseits der Ausspruch des Ruhens auch für einzelne - zur Gänze im Ausland verbrachte - Tage und nicht erst bei Auslandsaufenthalten, deren Dauer einen konkreten Einfluss auf die Vermittelbarkeit des Arbeitslosen erwarten lässt, stattzufinden hat, ist schon dem hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1999, Zl. 99/02/0273, zu entnehmen.

Davon ausgehend kann es - wenn man aus Praktikabilitätsgründen ausscheidende Varianten, wie etwa ein Abstellen auf den "überwiegenden" Aufenthalt im Ausland während eines bestimmten Tages oder die zeitliche Lagerung der im Ausland verbrachten Stunden, beiseite lässt - in Bezug auf den Ruhensgrund des Auslandsaufenthaltes zunächst nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen, jeden auch nur ganz kurzfristigen Grenzübertritt als Ruhensgrund für den ganzen jeweiligen Tag anzusehen. Gleiches muss - in umgekehrter Richtung - für bloß stundenweise Inlandsaufenthalte während eines längeren Auslandsaufenthaltes und die damit verbundene Frage gelten, ob sie jeweils ein Aufleben des Leistungsanspruches für den betroffenen Tag zur Folge haben. Dabei kann es in beiden Fällen auch nicht darauf ankommen, ob der nur einige Stunden dauernde Aufenthalt im Aus- bzw. Inland vor oder nach Mitternacht beendet wird. Richtigerweise ist einem Wechsel vom Inlands- zum Auslandsaufenthalt oder umgekehrt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes daher nur rechtliche Bedeutung beizumessen, wenn der durch den Wechsel herbeigeführte Zustand mindestens einen vollen Kalendertag lang anhält. Im Fall eines mehrtägigen Auslandsaufenthaltes bedeutet dies, dass der Ausreisetag (wie dies in dem mit dem Erkenntnis vom 17. Dezember 1999 entschiedenen Fall von der dort belangten Behörde angenommen wurde) noch dem Inlandsaufenthalt und der Tag der Wiedereinreise (anders, als im damals entschiedenen Fall von den Behörden angenommen wurde, was vom Verwaltungsgerichtshof aber nicht zu beurteilen war) noch dem Auslandsaufenthalt zuzurechnen ist.

Davon ausgehend hätte der Leistungsanspruch des Beschwerdeführers - bei Zutreffen der Schilderung seiner Reisebewegungen in der Beschwerde - wegen des Überschreitens der Grenze erst am 11. Februar 1995 während des Zeitraumes vom 12. bis einschließlich 17. Februar 1995, und somit vier Tage weniger lang als von der belangten Behörde angenommen, geruht. Auf den Zeitpunkt der Wiedermeldung kam es nicht an (vgl. in dieser Hinsicht zu § 46 Abs. 5 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 die zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 412/1990 ergangenen Erkenntnisse vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0116, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0264).

Den Feststellungen der belangten Behörde sind die für die rechtliche Beurteilung der Dauer des Ruhenszeitraumes maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht entnehmbar. Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, wann der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen hat und wann er wieder eingereist ist, obwohl das Berufungsvorbringen zu einer näheren Prüfung dieser Frage Anlass gab und die Aufnahme der Niederschrift mit dem Beschwerdeführer Gelegenheit dazu geboten hätte. Statt dessen hat sich die belangte Behörde in einer auch aus anderen Gründen - etwa hinsichtlich des Vorwurfes, der Beschwerdeführer habe seine Angaben nicht belegen können - nicht schlüssigen Weise auf Erkenntnisquellen gestützt, die zum Teil - nämlich hinsichtlich der behaupteten Inhalte der Meldungen vom 9. und 20. Februar 1995 - nicht identifizierbar sind, und dabei nur auf Datumsangaben des Beschwerdeführers und nicht darauf abgestellt, worauf sich diese jeweils genau gezogen hätten. Die Beurteilung der Dauer des Auslandsaufenthaltes ist jedoch, wie in der Beschwerde zutreffend hervorgehoben wird, unter den dargelegten Gesichtspunkten nicht frei von rechtlichen Voraussetzungen, weshalb die belangte Behörde - da die Frage der genauen Abgrenzung des Ruhenszeitraumes strittig geworden war - die Zeitpunkte der Aus- und der Wiedereinreise des Beschwerdeführers festzustellen gehabt hätte. Darauf, dass der Beschwerdeführer - insbesondere anlässlich der Aufnahme der Niederschrift am 17. Oktober 1995 - zur dabei erforderlichen Mitwirkung nicht bereit gewesen wäre, deutet nichts hin, und die belangte Behörde stützt sich auch nicht darauf, dass dies der Fall gewesen sei.

Da die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt somit nicht ausreichend erhoben und festgestellt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 2000

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