VwGH 95/17/0103

VwGH95/17/010318.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der Republik Österreich - Bund (Bundesminister für Finanzen), vertreten durch die Finanzprokuratur in 1010 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Präsidenten der Wiener Börsekammer vom 1. Juli 1994, Zl. 8353/93, betreffend Vorschreibung des Beitrages zum Wiener Börsefonds für das Jahr 1994, zu Recht erkannt:

Normen

BörsefondsG 1993 §2 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs2;
BundesfinanzierungsG 1992 §2;
BundesfinanzierungsG 1992 §9;
BundesfinanzierungsG 1992;
EGVG Art2 Abs2 B Z31;
EGVG 2008 Art2 Abs5;
BörsefondsG 1993 §2 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs2;
BundesfinanzierungsG 1992 §2;
BundesfinanzierungsG 1992 §9;
BundesfinanzierungsG 1992;
EGVG Art2 Abs2 B Z31;
EGVG 2008 Art2 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Börsebeteiligungsgesellschaft m.b.H. p.A. des Geschäftsführers Dr. M, Rechtsanwalt in W, Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die Wiener Börsekammer richtete an die beschwerdeführende Partei "c/o Österreichische Bundesfinanzierungsagentur" ein Schreiben vom 7. Mai 1994 mit folgendem Inhalt:

"WIENER BÖRSEKAMMER

Wien, am 07.03.1994

Republik Österreich

c/o Österreichische Bundesfinanzierungsagentur

Seilerstätte 24 Z. 1259/93 EM. 8164

1015 Wien VORSCHREIBUNGS-NR: 1126

Vorschreibung

des Beitrages zum Wiener Börsefonds

Der Börsefondsbeitrag Ihrer Gesellschaft für Ihre im Amtlichen

Handel gehandelten Wertpapiere beträgt für das Jahr 1994

öS 80.000,--

Der Börsefondsbeitrag ist in zwei gleichen Raten am 1. April

und am 1. Oktober 1994 fällig. Es wird gebeten, den Beitrag auf

eines der unten angeführten Konten spesenfrei für den Empfänger zu

überweisen.

Begründung

Die Vorschreibung gründet sich auf §§ 2 und 3 Börsefondsgesetz 1993, BGBL. Nr. 529/1993, Art. II, und die Verordnung der Wiener Börsekammer vom 7. Dezember 1993, Verordnungsblatt Nr. 1519.

Die Berechnung ist der Beilage zu entnehmen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

WIENER BÖRSEKAMMER

(Unterschrift des Generalsekretär-Stellvertreters)

Generalsekretär-Stellvertreter"

1.2. Nach einigen Korrespondenzschreiben erließ der Präsident der Wiener Börsekammer folgenden, mit 6. Juni 1994 datierten Bescheid:

"WIENER BÖRSEKAMMER

Z. 8353/93-2395/94

Wien, am 6. Juni 1994

Republik Österreich

c/o Bundesministerium für Finanzen, Abt. V

Himmelpfortgasse 4 - 8 Z. 1259/9 EM. 8164

1015 Wien Vorschreibungs-Nr.: 1126

Bescheid

über die Vorschreibung

des Beitrages zum Wiener Börsefonds

1. Der Börsefondsbeitrag der Republik Österreich für deren im Amtlichen Handel an der Wiener Börse notierten Wertpapiere beträgt für das Jahr 1994

öS 80.000,--.

2. Berechnung:

Es notieren u.a.:

7,25 % Investitionsanleihe der Republik Österreich 86-9,

Wertpapierkenn-Nr. 038064

Nominale S 2.274,000.000,--

Kurswert zum 30. Juni 1993 ................. S 2.321,754.000,--

Kurswert zum 31. Dez. 1993 ................. S 2.462,742.000,--

Durchschnittskurswert ...................... S 2.392,248.000,--

davon 1/10 von Tausend ..................... S 239.225,--

daher Höchstbeitrag ........................ S 80.000,--

3. Der Börsefondsbeitrag ist in zwei gleichen Raten am 1. April und am 1. Oktober 1994 fällig. Es wird gebeten, den Beitrag auf eines der unten angeführten Konten spesenfrei für den Empfänger zu überweisen. Für die Entrichtung der ersten Rate wird eine verlängerte Zahlungsfrist bis 1. Juli 1994 festgesetzt.

Begründung

Gemäß § 2 Abs. 1 Börsefondsgesetz ist die Wiener Börsekammer ermächtigt, von Aktiengesellschaften und anderen Unternehmen, deren Wertpapiere im Amtlichen Handel an der Wiener Börse notieren ... einen jährlichen Beitrag zum Börsefonds ... durch Verordnung festzusetzen.

Der Bund ist aus nachfolgenden Gründen 'Unternehmen' im Sinne des Börsefondsgesetzes:

Das Gesetz vom 11. April 1876, RGBl. Nr. 62, betreffend die Beitragsleistung der Aktiengesellschaften und Creditvereine zum Wiener Börsefonds, erwähnt als beitragspflichtige Ermittenten nur Aktiengesellschaften und Kreditvereine, ebenso das Bundesgesetz vom 16. Juli 1925, BGBl. Nr. 240, durch das die gemäß dem Gesetz vom 11. April 1876, RGBl. Nr. 62, bestandene Beitragsleistung der Aktiengesellschaften und Kreditvereine zum Wiener Börsefonds neu geregelt wird (Börsefondsnovelle) und die 2. und 3. Börsefondsnovelle.

Erst im Bundesgesetz vom 5. Juli 1950, BGBl. Nr. 165, womit die Börsefondsnovelle vom 16. Juli 1925, BGBl. Nr. 240, neuerlich abgeändert wird (4. Börsefondsnovelle), werden die beitragspflichtigen Emittenten in § 1 Abs. 1 als 'Unternehmungen' bezeichnet. Die 5. Börsefondsnovelle (BGBl. Nr. 62/1953) änderte dies auf 'Aktiengesellschaften und andere Unternehmungen'. Diese Ausdrucksweise wird vom Nachfolgegesetz des Jahres 1993 beibehalten (aber: Unternehmen statt Unternehmung). Aus dem Wechsel in der Umschreibung der Emittenten ist zu entnehmen, daß der Kreis 1950 weiter gezogen wurde. Der überholte Ausdruck 'Kreditverein' wurde entfernt.

Die 'Erläuternden Bemerkungen' zur 4. Börsefondsnovelle, Beilage 184 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates (VI. G.P.) - Bericht des Finanz- und Budgetausschusses vom 28. Juni 1950, führen dazu aus: 'Ferner soll in Zukunft die Verpflichtung zur Zahlung von Börsefondsbeiträgen nicht nur für Aktiengesellschaften bestehen, sondern für 'Unternehmungen' überhaupt, da Wertpapiere nicht nur von Aktiengesellschaften, sondern auch von anderen Unternehmungen ausgegeben werden können'.

Daraus folgt, daß der Gesetzgeber mit dem Ausdruck 'Unternehmung' alle Arten von Emittenten erfassen wollte.

Der Bund wird bei der Begebung von Anleihen nicht hoheitlich tätig, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung, und daher als 'Unternehmen' im Sinne des Börsefondsgesetzes.

Eine Argumentation, wonach der Bund nicht Unternehmer sei, ist unzutreffend, zumal der Unternehmerbegriff in der österreichischen Rechtsordnung häufig auch auf juristische Personen öffentlichen Rechts Anwendung findet:

Als Beispiel sei etwa § 1 Abs. 2 KSchG genannt, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts immer als Unternehmer gelten.

§ 2 Abs. 1 UStG definiert die Begriffe 'Unternehmer' und 'Unternehmen' wie folgt:

'Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinne zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1).'

'Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 Körperschaftsteuergesetz 1988) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig (§ 2 Abs. 2 1. Satz UStG).'

Umsätze von Wertpapieren sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 6 Z. 8 lit. d UStG) steuerfrei. Gäbe es diese Bestimmung nicht, wäre die Aufnahme von Anleihen zweifellos eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, die nicht dem Bereich der Hoheitsverwaltung, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung angehört. Auch aus § 2 UStG muß daher geschlossen werden, daß juristische Personen des öffentlichen Rechtes, die Anleihen begeben, Unternehmen sind.

Die Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Finanzen, Abteilung V/14, in dessen Schreiben an die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur vom 31. März 1994, GZ 24.1001/6-V/14/94, wonach der Bund als Emittent weder Aktiengesellschaft noch Unternehmen sei, trifft daher nicht zu und enthält keine Interpretation des Unternehmensbegriffes.

Die Höhe der Vorschreibung gründet auf §§ 2 und 3 Börsefondsgesetz 1993, BGBl. Nr. 529/1993, Art. II, und der Verordnung der Wiener Börsekammer vom 7. Dezember 1993, Verordnungsblatt Nr. 1519.

Gemäß § 3 Abs. 3 Börsefondsgesetz sind die Beiträge in halbjährlichen Raten, und zwar am 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres, im vorhinein an die Börsekammer zu entrichten. Da der vorliegende Bescheid erst nach Fälligkeit der ersten Rate zugestellt werden kann, war diesbezüglich die Zahlungsfrist zu erstrecken.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann binnen zwei Wochen nach Zustellung

schriftlich oder telegraphisch Vorstellung erhoben werden, die beim

Kammeramt der Wiener Börse einzubringen ist.

WIENER BÖRSEKAMMER

(Unterschrift des Präsidenten) (Unterschrift des Generalsekretärs)

Präsident Generalsekretär"

Die beschwerdeführende Partei erhob "Vorstellung", in eventu "Berufung".

1.3. Mit Bescheid des Präsidenten der Wiener Börsekammer vom 1. Juli 1994 wurde der "Vorstellung" nicht stattgegeben.

Nach der Begründung dieses Bescheides führe die "Vorstellung" gegen den Bescheid vom 6. Juni 1994 in rechtlicher Hinsicht aus, dass die beschwerdeführende Republik Österreich bei der Begebung von Bundesanleihen kein Unternehmen im Sinne des Börsefondsgesetzes und daher nicht beitragspflichtig sei, wobei zugestanden werde, dass die österreichische Rechtsordnung keinen durch gesetzliche Definition umschriebenen einheitlichen Unternehmensbegriff kenne. Es sei daher zutreffend, dass die Frage, ob im vorliegenden Fall der Bund als Unternehmen zu qualifizieren sei, durch subjektive und objektiv-teleologische Interpretation des Börsefondsgesetzes gelöst werden müsse. Wie aber schon im Bescheid vom 6. Juni 1994 schlüssig begründet worden sei, ergebe eine derartige Interpretation, dass der Gesetzgeber mit dem Ausdruck "Unternehmung" alle Arten von Emittenten erfassen wollte. Darauf, ob die Begebung von Anleihen durch den Bund in institutionell selbständiger Organisationsform betrieben werde oder nicht, könne es bei richtiger Betrachtungsweise nicht ankommen, da sich die Republik Österreich bei der Wertpapieremission genauso und in gleicher Form des österreichischen Kapitalmarktes und damit der Wiener Börse bediene, wie jeder private Emittent. Dem Einschreiter sei es nicht gelungen, einen Unternehmensbegriff darzutun, der sich von Körperschaften des öffentlichen Rechts abhebe. Im Bescheid vom 6. Juni 1994 seien zutreffende Beispiele angeführt worden, in welchen öffentlich-rechtliche Körperschaften ebenfalls als Unternehmer gelten würden.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 27. Februar 1995, B 1737/94, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Die beschwerdeführende Partei macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem sich aus § 2 des Börsefondsgesetzes, wonach sich die Ermächtigung der Wiener Börsekammer zur Einhebung von Beiträgen zum Börsefonds nur auf Aktiengesellschaften und andere Unternehmen beziehe, ergebenden Recht, dass ihr ein Börsefondsbeitrag nicht vorgeschrieben werde, verletzt.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Börsefondsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 529, lauteten:

"§ 2. (1) Die Wiener Börsekammer ist ermächtigt, von Aktiengesellschaften und anderen Unternehmen, deren Wertpapiere im amtlichen Handel an der Wiener Börse notieren, unter Beachtung der im § 11 Abs. 2 BörseG genannten Grundsätze einen jährlichen Beitrag zum Börsefonds in folgender Höhe durch Verordnung festzusetzen:

Vom Gesamtkurswert, wenn dieser jedoch unter dem Gesamtnennwert liegt, vom Gesamtnennwert

  1. 1. bei Aktien 1/10 bis 4/10 vom Tausend,
  2. 2. bei anderen Wertpapieren 1/30 bis 1/10 vom Tausend,

    für ein Unternehmen jedoch insgesamt nicht weniger als 10 000 S und nicht mehr als 80 000 S.

    ...

§ 3. (1) Der Beitrag gemäß Abs. 1 ist von der Wiener Börsekammer in österreichischen Schilling für das jeweilige Kalenderjahr im vollen Jahresausmaße im vorhinein zu bemessen. Die Abstattung hat in zwei Halbjahresraten zu erfolgen. Im Falle der Löschung der Notierung ist der letzte Beitrag für jenes Kalenderjahr zu entrichten, in dem die Löschung erfolgte. Neu in die Beitragspflicht tretende Unternehmungen haben den Beitrag vom nächsten der Einschaltung in das amtliche Kursblatt folgenden Monat an nach Verhältnis des noch laufenden Restes des Kalenderjahres zu entrichten.

...

§ 4. Die zu entrichtenden Börsefondsbeiträge werden im Verwaltungswege eingebracht."

Gemäß § 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Überleitung des Wiener Börsefonds und der Wiener Börsekammer in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BörsefondsüberleitungsG), BGBl I Nr. 11/1998, erlischt mit Rechtskraft des Konzessionsbescheides an ein Börseunternehmen für die Leitung und Verwaltung der Wiener Börse die Ermächtigung nach § 2 Börsefondsgesetz 1993, Beiträge zum Börsefonds festzusetzen. Die bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Beträge sind jedoch zu bezahlen.

2.2. Zunächst ist die Frage der Anwendbarkeit des AVG durch die Wiener Börsekammer zu klären.

Die einschlägigen Bestimmungen des EGVG lauten:

"Artikel II

(1) Die Verwaltungsverfahrensgesetze regeln das Verfahren der nachstehend bezeichneten Verwaltungsorgane, soweit sie behördliche Aufgaben besorgen und im folgenden nicht anderes bestimmt ist.

(2) Von den Verwaltungsverfahrensgesetzen sind anzuwenden:

...

B. das AVG in vollem Umfang, das VStG mit Ausnahme der §§ 37, 39, 50 und 56 auf das behördliche Verfahren

...

31. der Organe der Körperschaften, Anstalten und Fonds des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter eine andere Bestimmung dieses Absatzes fallen und soweit es sich nicht um gesetzlich anerkannte Kirchen oder Religionsgemeinschaften, Universitäten, die Akademie der bildenden Künste, Kunsthochschulen, gesetzliche berufliche Vertretungen oder Träger der Sozialversicherung handelt;

...

(5) In den Angelegenheiten der Abgaben (mit Ausnahme der in § 78 AVG vorgesehenen Verwaltungsabgaben) des Bundes, der Länder und der Gemeinden, in den Angelegenheiten der Beiträge, die an sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts, an Anstalten oder Fonds des öffentlichen Rechts zu entrichten sind, soweit sie durch die Bundesfinanzverwaltung eingehoben werden, sowie in Angelegenheiten des Familienlastenausgleiches, soweit es sich nicht um die Verfolgung und Ahndung von Verwaltungsübertretungen handelt, finden die Verwaltungsverfahrensgesetze keine Anwendung, es sei denn, daß ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. ..."

Bei der Wiener Börsekammer handelte es sich gemäß § 2 Abs. 1 Börsegesetz 1989, BGBl. Nr. 555, um eine durch Bundesgesetz eingerichtete juristische Person des öffentlichen Rechts (der die Leitung und Verwaltung einer Börse oblag), die jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht unter den Ausnahmekatalog des Art. II Abs. 2 lit. B Z 31 EGVG, im Besonderen nicht unter den Begriff der "gesetzlichen beruflichen Vertretungen" im Sinne dieser Bestimmung zu subsumieren ist. Zwar ist davon auszugehen, dass es sich bei der Wiener Börsekammer um eine Form der Selbstverwaltung (im weiteren Sinn) handelte, jedoch fehlte es an dem Element der beruflichen Vertretung. Gemäß § 2 Abs. 2 Börsegesetz 1989 hatte die Börsekammer die ihr durch dieses Bundesgesetz übertragenen Aufgaben unter Bedachtnahme auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Börsewesen und auf die schutzwürdigen Interessen des anlagesuchenden Publikums zu besorgen. Im Vordergrund stand daher das Interesse an einem reibungslosen Funktionieren des Wertpapierhandels, nicht jedoch die Vertretung der Interessen eines bestimmten Berufsstandes bzw. einer bestimmten Berufsgruppe. Aus diesem Grund ist daher die Anwendbarkeit des AVG durch die Wiener Börsekammer zu bejahen.

Dies gilt auch im Hinblick auf Art. II Abs. 5 EGVG schon deswegen, weil gemäß den §§ 2 und 4 des Börsefondsgesetzes 1993 die zu entrichtenden Börsefondsbeiträge (die jährlich durch Verordnung festgesetzt werden) im Verwaltungswege durch die Börsekammer eingebracht und nicht durch die Bundesfinanzverwaltung eingehoben werden.

2.3. Was nun zunächst die in der ergänzten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vorgetragene Rüge der beschwerdeführenden Partei betrifft, bei dem Schreiben der belangten Behörde vom 7. März 1994 handle es sich um eine bloße Zahlungsaufforderung ohne Bescheidcharakter, so ist die beschwerdeführende Partei damit zwar im Recht, jedoch kommt diesem Vorbringen im gegenständlichen Beschwerdefall keinerlei Relevanz zu, weil dieses Schreiben richtigerweise ohnedies weder von der beschwerdeführenden Partei noch von der belangten Behörde als Bescheid gewertet wurde. Jedenfalls stand diese Erledigung vom 7. März 1994 - unbekämpft geblieben - nicht der Erlassung des Bescheides vom 6. Juni 1994 wegen entschiedener Sache entgegen.

2.4. Der beschwerdeführende Bund wertete den dem Schreiben vom 7. März 1994 und der darauffolgenden Korrespondenz (betreffend die Rechtsfrage, ob der Bund unter den Begriff "andere Unternehmen" im Sinne des § 2 Abs. 1 Börsefondsgesetz 1993 zu subsumieren sei) nachfolgenden Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 1994 zutreffenderweise als Mandatsbescheid und erhob dagegen "Vorstellung" (bzw. in eventu "Berufung"). Wenngleich der Bescheid nicht ausdrücklich als "Mandatsbescheid" gekennzeichnet ist und die ausdrückliche Nennung des § 57 AVG nicht erfolgte, so kommt durch Begründung und Rechtsmittelbelehrung des Bescheides, in welcher ausdrücklich auf die Möglichkeit der Erhebung einer Vorstellung hingewiesen wird, doch zum Ausdruck, dass die belangte Behörde von der - hier nach § 57 Abs. 1 AVG zulässigen - Möglichkeit der Erlassung eines Mandatsbescheides Gebrauch gemacht hat. Auch die der Bescheiderlassung vorangegangene Korrespondenz steht der Wertung als Mandatsbescheid nicht entgegen, zumal es sich hiebei um kein Ermittlungsverfahren im Sinne der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes handelte, sondern es lediglich um die Beurteilung einer Rechtsfrage ging. Da es sich bei der Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid um ein remonstratives Rechtsmittel handelt, entsprach es dem Gesetz, dass sowohl der Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 1994 als auch der angefochtene Bescheid vom 1. Juli 1994 von derselben (erstinstanzlichen) Behörde erlassen wurden; beide Bescheide sind dem Präsidenten der Wiener Börsekammer zuzurechnen (§ 9 Abs. 1, § 10 Abs. 3 letzter Satz Börsegesetz 1989; § 48 Abs. 1, § 51 Abs 2 letzter Satz der Börseordnung, Beilage zur Kundmachung Nr. 205 der Wiener Börse).

2.5.1. Die beschwerdeführende Partei führt in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde in Verbindung mit der ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Rechtsfrage, ob der Bund ein "anderes Unternehmen" im Sinne des § 2 Abs. 1 Börsefondsgesetz 1993 ist, Folgendes aus:

"Der Begriff 'Unternehmen' ist ein eigenständiger Rechtsbegriff, der nicht mit dem Begriff der 'Privatwirtschaftsverwaltung' gleichgesetzt werden kann. Letzterer Begriff dient der Abgrenzung zum Bereich der Hoheitsverwaltung, in welchem der Staat mit Befehls- und Zwangsgewalt agiert. Ebenso wie eine Privatperson, die im Rechtsverkehr auftritt, nicht automatisch Unternehmer ist, ist nicht jede nichthoheitliche Tätigkeit des Staates automatisch als Unternehmenstätigkeit zu qualifizieren. Dies zeigt gerade der von der belangten Behörde ins Treffen geführte § 1 Abs. 2 des Konsumentenschutzgesetzes, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts immer als Unternehmer gelten, weil die Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf den Bund überhaupt nur für den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung in Betracht kommt und der Bund bei Gleichsetzung von Privatwirtschaftsverwaltung und Unternehmereigenschaft ohnehin dem allgemeinen Unternehmer- bzw. Unternehmensbegriff des § 1 Abs. 1 und 2 leg. cit. entspräche, sodaß die ausdrückliche Erstreckung des Anwendungsbereiches des KSchG auf alle privatwirtschaftlichen Aktivitäten juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht erforderlich wäre. Die Gleichsetzung von nichthoheitlicher Tätigkeit und Unternehmereigenschaft ist unhaltbar. Dasselbe gilt für die Gleichsetzung des Unternehmensbegriffes mit dem Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Der Hinweis auf § 1 Abs. 2 KSchG ist aus dem nämlichen Grund wie vorstehend ausgeführt verfehlt, weil die dort vorgenommene ausdrückliche Gleichstellung juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Unternehmern ja gerade deutlich macht, daß mangels abweichender Legaldefinition juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht unter den Unternehmensbegriff fallen. Auch wenn die österreichische Rechtsordnung einen alle Rechtsbereiche umfassenden gesetzlich definierten einheitlichen Unternehmensbegriff nicht kennt, ist der Begriff Unternehmen ein für die einzelnen Rechtsbereiche in seinen wesentlichen Merkmalen klar umrissener Rechtsbegriff. Soweit ein Gesetz für seinen Anwendungsbereich den Begriff des Unternehmers bzw. des Unternehmens nicht ausdrücklich definiert, ist die inhaltliche Bedeutung dieser Gesetzesbegriffe aus dem Sinnzusammenhang jenes Rechtsgebietes zu ermitteln, welchem die konkrete, den Begriff voraussetzende Rechtsvorschrift zuzuordnen ist, vorliegend also des Wirtschaftsrechtes. Für den Bereich des Wirtschaftsrechtes wird eine Unternehmung als selbständige Wirtschaftseinheit zur Produktion von Waren und Dienstleistungen zwecks entgeltlicher Veräußerung an die Allgemeinheit auf den entsprechenden Märkten definiert (vgl. Wenger, Recht der öffentlichen Unternehmungen in: Wenger, Wirtschaftsrecht II, 1990, Seite 247). Demgemäß kann auch von einer öffentlichen Unternehmung nur die Rede sein, wenn sie als produzierende, verteilende oder dienstleistende Organisationseinheit in einem bestimmten Wirtschaftszweig Leistungen zur Befriedigung materieller Lebensbedürfnisse im geschäftlichen Verkehr der Allgemeinheit (Austauschprinzip) anbietet und damit, materiell gesehen, am volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsprozeß teilnimmt, wobei die öffentliche Unternehmung auch noch eine gewisse institutionelle Selbständigkeit gegenüber dem Muttergemeinwesen aufweisen muß, was durch ein Mindestmaß von organisatorischer Ausgliederung aus der 'normalen öffentlichen Verwaltung' gewährleistet wird (Wenger aaO Seite 251).

Diese Definitionsmerkmale treffen etwa auf selbständige Wirtschaftskörper wie die Österreichischen Bundesforste oder vormals die Österreichischen Bundesbahnen oder sonstige Bundesbetriebe oder betriebsähnliche Einrichtungen (vgl. § 4 Abs. 4 und 5 BHG) zu, nicht hingegen auf die Geldmittelbeschaffung des Bundes:

Die bloße Tätigkeit der Schuldenaufnahme ist keine Unternehmenstätigkeit im Sinne der obigen, auf die Produktion von Waren oder Dienstleistungen abstellenden Definition. Vielmehr ist die staatliche Geldmittelbeschaffung (Schuldengebarung des Bundes) Teil des staatlichen Haushaltsrechtes, das in Art. 51 bis 51c, Art. 42 Abs. 5 B-VG, im Bundeshaushaltsgesetz, insbesondere § 65, § 65a und b, in den jährlichen Bundesfinanzgesetzen sowie im Bundesfinanzierungsgesetz geregelt ist. Bundesanleihen sind Finanzschulden, die vom Bundesminister für Finanzen nur nach Maßgabe der hiefür im Bundesfinanzgesetz oder in einem besonderen Bundesgesetz im Sinne des Art. 42 Abs. 5 B-VG enthaltenen Ermächtigungen eingegangen werden dürfen (§ 65 Abs. 1 BHG). Die Verfassungsbestimmung des § 1 des Bundesfinanzierungsgesetzes ermächtigt den Bundesminister für Finanzen, sich zur Durchführung der im (ebenfalls im Verfassungsrang stehenden) § 2 genannten Aufgaben, u.a. also bei Aufnahme von Finanzschulden des Bundes, der 'Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur' zu bedienen, deren Organe hiebei als Amtsorgane (vgl. § 4 Abs. 3 BHG) bzw. anweisende Organe (§ 5 Abs. 2 Z. 6 BHG idF BGBl 1992/763) der staatlichen Haushaltsführung tätig werden. Selbst wenn man also die Geldmittelbeschaffung des Bundes als unternehmerische Tätigkeit ansehen wollte, würde hinsichtlich der bescheidgegenständlichen Investitionsanleihen die erforderliche institutionelle Selbständigkeit fehlen, zumal die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur gesetzlicher Vertreter der Republik Österreich nach Maßgabe des Bundesfinanzierungsgesetzes ist und dies die fehlende Unternehmereigenschaft des Vollmachtgebers Republik Österreich nicht ersetzen kann. Richtigerweise trifft kein einziges der Definitionsmerkmale einer öffentlichen Unternehmung auf die Geldmittelbeschaffung des Bundes zu.

Das Börsefondsgesetz spricht von Aktiengesellschaften und anderen Unternehmungen (Unternehmen), ohne einen vom oben dargestellten Grundbegriff des Unternehmens abweichenden Unternehmensbegriff festzulegen. Deshalb ist vom allgemeinen Rechtsbegriff des Unternehmens auszugehen. Da die Republik Österreich weder Aktiengesellschaft noch - im Rahmen der Schuldengebarung des Bundes - Unternehmen ist, ist sie auch zu Beitragsleistungen nicht verpflichtet.

Auch eine subjektive oder objektiv-teleologische Interpretation kann zu keinem anderen Ergebnis führen, weil Grenze jeglicher Interpretation der äußerst mögliche Wortsinn (Wortinterpretation) ist, die auch mit den anderen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf; es kommt dann höchstens noch eine 'Lückenfüllung' in Betracht (Koziol-Welser, Grundriß des Bürgerlichen Rechtes8, Band I, Seite 21). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist das Unternehmen (die Unternehmung) eine rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und soziale Einheit, in der dauerhaft wirtschaftliche Aufgaben (Produktion von Sachgütern und/oder Angebot von Dienstleistungen) zum Zweck der Erfolgserzielung (z.B. Gewinnmaximierung, Rentabilitätsmaximierung) für die Kapitalgeber (Unternehmer) erfüllt werden, wobei die Unternehmung in der Alltagssprache mit dem Betrieb gleichgesetzt wird (Brockhaus17 XIX, 286 f). Schuldenaufnahme als solche begründet also, sofern sie nicht im Rahmen einer sonstigen Unternehmenstätigkeit erfolgt, nach allgemeinem Sprachgebrauch zweifelsohne kein Unternehmen, ebensowenig ist der Staat als solcher außerhalb selbständig organisierter wirtschaftlicher Betätigungen Unternehmer. Ein in den hier wesentlichen Begriffsmerkmalen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender, diesem im Rahmen der Wortinterpretation vorgehender juristischer Begriff des Unternehmens besteht, wie oben dargelegt, nicht. Im Wege der Auslegung ist somit eine Beitragspflicht der Republik Österreich zum Börsefonds selbst dann nicht begründbar, wenn der historische Gesetzgeber die von der belangten Behörde unterstellte Absicht gehabt hätte, alle Emittenten in die Beitragspflicht einzubeziehen. Im übrigen ist eine Absicht des Gesetzgebers, auch dem Bund Beitragsleistungen aufzuerlegen, den von der belangten Behörde herangezogenen Erläuternden Bemerkungen zur 4. Börsefondsnovelle nicht zu entnehmen, heißt es doch auch dort wiederum nur, daß in Zukunft die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen nicht nur für Aktiengesellschaften bestehen, sondern für andere 'Unternehmungen' überhaupt, weil auch sie Wertpapiere ausgeben können. Aus dieser Erweiterung des Kreises der Beitragspflichtigen kann in Hinblick auf das Abstellen des Gesetzgebers auf das Vorliegen eines Unternehmens nicht geschlossen werden, daß auch der Bund im Rahmen seiner nichtunternehmerischen Tätigkeit der Ausgabe von Bundesanleihen erfaßt sein sollte. Wäre dies vom Gesetzgeber intendiert gewesen, hätte er dies unschwer durch die Formulierung zum Ausdruck gebracht, daß eben jeder Emittent, dessen Wertpapiere im Amtlichen Kursblatt der Wiener Börse notiert werden, beitragspflichtig ist.

Daß der Gesetzgeber des Jahres 1950 die Frage einer Beitragspflicht des Bundes übersehen hätte, kann im Hinblick darauf, daß Anlaß für die Erweiterung der Beitragspflicht die Einstellung der finanziellen Hilfe des Bundes (Deckung des Gebahrungsabganges der Wiener Börse für die Jahre 1948, 1949) war, ebenfalls nicht unterstellt werden. Ganz im Gegenteil muß aus der Wahl des Begriffes Unternehmen geschlossen werden, daß der Bund im Rahmen der staatlichen Geldmittelbeschaffung von der Beitragspflicht ausgenommen sein sollte. Eine planwidrige Unvollständigkeit, die Anlaß zu einer Lückenfüllung im Wege der Analogie gäbe, ist somit nicht ersichtlich, zumal die differenzierende Regelung der Beitragspflicht im Hinblick auf die übergeordnete Bedeutung des staatlichen Haushaltswesens und der Kreditmittelbeschaffung des Staates sachlich begründet war und ist."

2.5.2. Die belangte Behörde führte dagegen in ihrer Gegenschrift zur Verfassungsgerichtshofbeschwerde in Verbindung mit der Gegenschrift zur ergänzten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (welche auf die Gegenschrift zu der zur hg. Zl. 95/17/0180 protokollierten Beschwerde verweist) zusammengefasst aus, folgte man der Rechtsansicht der beschwerdeführenden Partei, das Eingehen von Schulden und die Verwaltung dieser (eigenen) Schulden sei für sich allein, das heißt soweit es nicht im Rahmen einer sonstigen unternehmerischen, auf Erstellung wirtschaftlich werthafter Güter gerichteten Tätigkeit geschehe, keine unternehmerische Tätigkeit,

"müßte man folgerichtig schließen, daß auch Banken und andere Unternehmen bei der Begebung von Anleihen nicht als Unternehmer handeln, zumal auch diese bei der Anleihebegebung Schulden eingehen und diese (eigenen) Schulden verwalten. Die Banken etwa verwalten Gelder, die ihnen von den Einlegern zur Verfügung gestellt werden, so wie eben die öffentliche Hand Gelder der Allgemeinheit verwaltet. Unternehmerische Tätigkeit ist das eine wie das andere. Die Gründe der Emission von Anleihen sind im Falle der Bundesanleihen ident mit jenen bei privaten Emittenten, nämlich die Beschaffung von Mitteln zur Finanzierung von Investitionen durch Aufnahme von Fremdkapital (Zirkounig-Eichler, Handbuch für Wertpapiere3, S. 35f). Dabei handelt es sich zweifellos um eine wirtschaftliche Tätigkeit. Wenn es - wie die Beschwerdeführerin ausführt - auf die Erstellung wirtschaftlich werthafter Güter ankommen soll, und man die Aufnahme und Rückzahlung von Kapital nicht unter diese einordnet, dann wäre jede Finanzdienstleistung und jedes Bankgeschäft als nichtunternehmerische Tätigkeit zu werten. In Wahrheit ist aber - wie oben begründet - jede Wertpapier-Emission als unternehmerische Tätigkeit einzustufen.

Im Falle des Bundes tritt diese wirtschaftliche Tätigkeit in der Organisationsform der 'nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführten Bundesschuldenverwaltung' in Erscheinung (siehe Nr. 717 der Beilagen zum stenographischen Protokoll, Vorblatt zur Regierungvorlage über das Bundesfinanzierungsgesetz). Das Bundesfinanzierungsgesetz (Bundesgesetzblatt Nr. 763/92) hatte gerade zum Ziel, die Schuldenverwaltung des Staates privatwirtschaftlich zu organisieren und jenen von Kreditinstituten anzupassen (siehe dazu die Ausführungen im ersten Absatz der Seite 3 des angefochtenen Bescheides). Es geht aber wohl nicht an, daß man einerseits die Staatsschuldenverwaltung privatwirtschaftlich organisiert und denen von Kreditinstituten anpaßt, andererseits dann aber vermeint, sich bei der Frage des Börsefondsbeitrages auf den Standpunkt zurückziehen zu können, wonach die Staatsschuldenverwaltung Teil der öffentlichen Verwaltung nicht wirtschaftlicher Art sei, wie dies in der gegenständlichen Beschwerde getan wird. Zweck des Bundesfinanzierungsgesetzes sollte sein, die Staatsschuldenverwaltung privatwirtschaftlich zu organisieren und denen von Kreditinstituten anzupassen, um als Marktteilnehmer keine Nachteile zu erleiden (siehe die Erläuterungen in Nr. 717 der Beilagen zum stenographischen Protokoll), wohl aber nicht, um als Marktteilnehmer einen sachlich nicht rechtzufertigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Emittenten zu erlangen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Bundesfinanzierungsgesetz wird die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur im Namen und auf Rechnung des Bundes tätig. Gebührenschuldner der Beiträge zum Börsefonds ist damit der Bund als Emittent von Bundesanleihen.

Da somit eine wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes bei der Begebung von Anleihen vorliegt, ist dieser 'Unternehmen' im Sinne des Börsefondsgesetzes. Auch treffen sämtliche in VfSlg. 3296/1957 gegebenen Definitionsmerkmale des Unternehmens zu: eine in einer bestimmten Organisationsform (siehe Bundesfinanzierungsgesetz) in Erscheinung tretende wirtschaftliche Tätigkeit, die sich auf Vermögenswerte stützt und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden ist. Es bedarf daher - entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführerin - nicht der Analogie zur Begründung der Börsefondsbeitragspflicht des Bundes, da sich diese schon aus der Wortinterpretation sowie der objektiv-teleologischen Interpretation des § 2 Börsefondsgesetz ergibt. Die historische Interpretation der von der 4. Börsefondsnovelle BGBl. Nr. 165/1950 gebrauchten Umschreibung des Kreises der Beitragspflichtigen ('Aktiengesellschaften und andere Unternehmungen') führt keineswegs - wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt - zum Ergebnis, daß der Gesetzgeber die Beitragspflicht der Republik Österreich gerade ausschließen wollte, weil er anstelle des Wortes 'Emittenten' das Wort 'Unternehmungen' verwendete. Dazu ist auszuführen, daß dem Gesetzgeber des Jahres 1950 das Wort 'Emittent' nicht geläufig war, was etwa daraus ersichtlich ist, daß das damals gültige Obligationenemissionsgesetz (BGBl. Nr. 251/1924) das heute so gebräuchliche Wort 'Emittent' nicht verwendet (anders das heute gültige Börsegesetz 1989). Unrichtig ist jedenfalls, daß die Wiener Börsekammer selbst bis zum Jahre 1994 die Beitragspflicht der Republik Österreich niemals angenommen hat. Dies kann aus der bis zum Jahre 1994 nicht erfolgten Vorschreibung keineswegs geschlossen werden. Dazu ist lediglich zu bemerken, daß der Börsekommissär bis zum Inkrafttreten des Börsefondsgesetzes 1993 berechtigt war, aus wichtigen öffentlichen Interessen die Beitragspflicht zu mäßigen. Auch stand die Zulassung von Wertpapieren vor Inkrafttreten des Börsegesetzes 1989 in der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen. Das Börsefondsgesetz 1993 bestimmt nun in § 2 Abs. 1, daß die Wiener Börsekammer ermächtigt ist, von Aktiengesellschaften und anderen Unternehmen, deren Wertpapiere im Amtlichen Handel an der Wiener Börse notieren, unter Beachtung der im § 11 Abs. 2 BörseG genannten Grundsätze einen jährlichen Beitrag zum Börsefonds ... durch Verordnung festzusetzen: Die in § 11 Abs. 2 BörseG genannten Grundsätze führen aber unzweideutig zu einer Beitragspflicht sämtlicher Emittenten, somit auch des Bundes. Gemäß dieser Gesetzesbestimmung hat die Vollversammlung der Börse nämlich eine Gebührenordnung zu erlassen, mit der unter Beachtung der erforderlichen Kostendeckung und des volkswirtschaftlichen Interesses am funktionsfähigen Börsehandel Gebühren für u.a. die Benützung der Einrichtung der Börse, insbesondere der Handels- und Abwicklungssysteme und die Inanspruchnahme sonstiger von der Börse erbrachter Leistungen festzulegen sind (§ 11 Abs. 2 Zi. 3 und 5 BörseG). Die Republik Österreich als Emittent von Bundesanleihen benützt die Einrichtungen der Börse und nimmt deren Leistungen in Anspruch. Die sachliche Rechtfertigung der Beitragspflicht des Bundes ist daher gegeben. Eine Gebührenbefreiung - die im übrigen nirgends normiert wird - würde einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Emittenten darstellen."

2.5.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundesfinanzierungsgesetz) in der im Beschwerdefall anzuwendenden Stammfassung BGBl. Nr. 763/1992 lauten:

"§ 1. (1) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, zur Durchführung der in § 2 bezeichneten Aufgaben eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen, die zur Gänze im Eigentum des Bundes steht. Der Sitz der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist Wien. Das Stammkapital beträgt eine Million Schilling.

(2) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung führt die Firma 'Österreichische Bundesfinanzierungsagentur' (ÖBFA) und ist berechtigt, das Bundeswappen zu führen. ...

...

§ 2. (1) (Verfassungsbestimmung) Die ÖBFA hat im Namen und auf Rechnung des Bundes folgende Aufgaben unter Beachtung der in § 2 BHG festgelegten Ziele zu besorgen:

  1. 1. die Aufnahme von Finanzschulden des Bundes,
  2. 2. den Abschluß von Währungstauschverträgen und sonstiger Kreditoperationen, das sind insbesondere Verträge über

    a) den Austausch von Fixzinsbeträgen mit variabel verzinsten Beträgen in der gleichen Währung und

    b) den Austausch von Zins- und/oder Kapitalbeträgen in verschiedener Währung,

    3. die Neustrukturierung der in Z 1 und 2 genannten Kreditoperationen einschließlich der bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bestehenden Finanzschulden, Währungstauschverträge und sonstiger Kreditoperationen, sofern dadurch das Währungsrisiko oder der Zinsaufwand vermindert werden oder die Tilgungsstruktur verbessert wird und

    4. die Bedienung der Kreditoperationen nach Z 1 bis 3 einschließlich der bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bestehenden Finanzschulden, Währungstauschverträgen und sonstiger Kreditoperationen,

    5. die Besorgung der zentralen Kassenverwaltung des Bundes gemäß § 40 Abs. 1 und 3 BHG,

    6. die Besorgung der Aufgaben des Nullkuponfonds gemäß dem Nullkuponfondsgesetz,

    7. die Veranlagung der Mittel des Innovations- und Technologiefonds gemäß dem Innovations- und Technologiefondsgesetz, sowie des Katastrophenfonds gemäß dem Katastrophenfondsgesetz,

    8. die Veranlassung von wirtschaftlich sinnvollen Umschuldungsmaßnahmen nach Artikel II § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Regelung finanzieller Beziehungen zwischen dem Bund und der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft.

    ...

§ 9. Die ÖBFA ist abgabenrechtlich wie eine Körperschaft öffentlichen Rechts zu behandeln, die im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches keine Erwerbszwecke verfolgt."

Zunächst ist zu bemerken, das sich die abgabenrechtliche (Befreiungs)Vorschrift des § 9 BundesfinanzierungsG nur auf die abgabenrechtlichen Verhältnisse dieser ausgegliederten Gesellschaft mbH des Bundes bezieht, nicht aber auf jene des Bundes selbst, in dessen Namen und auf dessen Rechnung die ÖBFA ihre Aufgaben zu besorgen hat, oder der im § 2 leg. cit. genannten Fonds und sonstigen Rechtsträger (letztere finden sich in § 2 Abs. 1 Z. 10 leg. cit. in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1997). Ob die durch die novellierte Abgabenbefreiungsvorschrift des § 9 leg. cit. in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1997 auch eine Befreiung dieser Rechtsträger, in deren Namen und für deren Rechnung die ÖBFA handelt, bewirkt wurde, kann im Hinblick auf den streitgegenständlichen Bemessungszeitraum dahingestellt bleiben.

Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass es für die Unterstellung des Bundes (oder anderer Gebietskörperschaften und Rechtsträger) unter den Begriff eines "anderen Unternehmens" im Sinne des § 2 Abs. 1 des Börsefondsgesetzes 1993 von entscheidender Bedeutung ist, in welcher Weise die Schuldenverwaltung derselben besorgt wird. Für den Bund ist dabei der systematische Zusammenhang mit der durch das Bundesfinanzierungsgesetz BGBl. Nr. 763/1992 erfolgten Ausgliederung zu beachten. Im Vorblatt zu den Erläuterungen der RV 717 BlgNR XVIII GP, 4, werden als "Problem" genannt: "Die Anwendung moderner Finanzierungstechniken ist im Rahmen der staatlichen Verwaltung nicht mit ausreichender Flexibilität möglich", als "Problemlösung": "Ausgliederung der Bundesschuldenverwaltung in eine nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführte Gesellschaft mit beschränkter Haftung", als "Ziele": "Bestmögliche und kostengünstigste Verwendung aller modernen Finanzierungstechniken bei Kreditoperationen des Bundes unter gleichzeitiger Wahrung der der Ressortverantwortlichkeit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten des Bundesministers für Finanzen." Bedient sich der Bund dieser Mittel und Methoden, um - wie in den Erläuterungen 717 BlgNR XVI. GP, 5, ausgeführt wird - durch moderne Finanzinnovationen, wie zum Beispiel Währungstauschverträge und Optionen, als kostenbewußter Marktteilnehmer - unter Beachtung der Risikofaktoren - spezifische Vorteile in Marktnischen zu nützen und dadurch Kosteneinsparungen zu erzielen und um die internationale Entwicklung, wonach zahlreiche Staaten die Organisationsstrukturen ihrer Schuldenverwaltung privatwirtschaftlich organisiert und denen von Kreditinstituten angepasst haben, um als Marktteilnehmer keine Nachteile zu erleiden, nachzuvollziehen und dem internationalen Beispiel folgend, Kosteneinsparungen zu erzielen, dann ist darin die Entfaltung einer Tätigkeit des Bundes zu sehen, die sich von der Tätigkeit anderer Unternehmungen privater Rechtsträger, etwa der in den eben zitierten Erläuterungen genannten Kreditinstitute, nicht unterscheidet.

2.6. Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn sie darin den beschwerdeführenden Bund als "anderes Unternehmen" im Sinne des § 2 Abs. 1 BörsefondsG 1993 qualifiziert und zur Beitragsleistung herangezogen hat.

Die beschwerdeführende Partei wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Börsebeteiligungsgesellschaft m.b.H. ist Gesamtrechtsnachfolgerin nach dem Wiener Börsefonds und der Wiener Börsekammer (§ 3 Abs. 1 des Börsefondsüberleitungsgesetzes, Art. II des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 11/1998); daher war der Kostenersatz dieser Gesellschaft zuzusprechen.

2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 18. September 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte