Normen
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §119;
BAO §161;
BAO §167 Abs2;
BAO §299;
DBAbk Kanada 1981 Art4 Abs2;
VwRallg;
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §119;
BAO §161;
BAO §167 Abs2;
BAO §299;
DBAbk Kanada 1981 Art4 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der im Oktober 1983 von Österreich nach Kanada auswanderte, hat auch in Österreich einen Wohnsitz. Er erklärte für das Streitjahr bei beschränkter Einkommensteuerpflicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehrerer Häuser in Österreich.
Vom November 1991 bis März 1993 fand beim Beschwerdeführer eine ua das Streitjahr betreffende abgabenbehördliche Prüfung statt.
Mit Schreiben vom 18. November 1991 forderte der Prüfer den Beschwerdeführer auf, bekannt zu geben, ob er sich vom Jänner 1987 bis April 1987, vom 18. September 1987 bis 18. Dezember 1987 (Zeitraum vom 18. Dezember 1987 bis 20. Jänner 1988 ungeklärt), vom 20. Jänner 1988 bis Mai 1988, vom 1. September 1988 bis 28. Dezember 1988, vom 2. Jänner 1989 bis 17. Juni 1989 und vom Oktober 1989 bis Dezember 1989 in Österreich aufgehalten habe. Er möge weiters die Dauer seines Aufenthaltes in Kanada in den Jahren 1985 und 1986 mitteilen. Seine Angaben seien durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.
Ohne auf die ihm gestellten Fragen konkret einzugehen, gab der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. November 1991 bekannt, er habe seinen Wohnsitz im Oktober 1983 nach Kanada verlegt. Das Finanzamt habe im Jahr 1989 die zunächst vorläufig erlassenen Einkommensteuerbescheide bis einschließlich für das Jahr 1987 für endgültig erklärt und damit seine beschränkte Einkommensteuerpflicht in Österreich anerkannt. Er sei in Kanada ansässig. Die in Österreich fallweise frequentierte Wohnung biete ihm kein seinen Lebensverhältnissen entsprechendes Heim. Seine engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen habe er zu Kanada. Seit seiner Auswanderung habe er sich niemals 183 Tage in Österreich aufgehalten. Die Aufforderung, die Dauer seines Aufenthaltes in Kanada in den Jahren 1985 und 1986 mit zu teilen, werde als unzumutbar zurückgewiesen. Erzwungene Mutmaßungen aus dem Erinnerungsvermögen könnten zur klaren Sachverhaltsermittlung nicht dienlich sein. Abschließend ersuchte er, Ermittlungen betreffend seine beschränkte Einkommensteuerpflicht in Österreich einzustellen.
Mit Schreiben vom 22. November 1991 forderte der Prüfer den Beschwerdeführer auf, Unterlagen vorzulegen, aus denen ersichtlich sei, dass er in Kanada ansässig iSd Art 4 DBA-Kanada sei. Zum Beweis dieser Tatsache möge er Steuerbescheide der kanadischen Abgabenbehörde für die Jahre 1984 bis 1989 vorlegen, aus denen dies hervorgehe. Eine Wohnsitzbescheinigung der kanadischen Bezirkssteuerbehörde iSd § 3 VO BGBl Nr 318/1982 für die Jahre 1984 bis 1989 möge er ebenfalls vorlegen. Überdies urgierte der Prüfer die konkrete Beantwortung der im Schreiben vom 18. November 1991 gestellten Fragen.
Nach Erinnerung durch den Prüfer am 24. April 1992 legte der Beschwerdeführer am 27. April 1992 eine Bescheinigung der kanadischen Bezirkssteuerbehörde vor, in der bestätigt wird, er sei am 29. Oktober 1983 nach Kanada eingewandert, wohne seit dem Jahr 1994 in O und habe seine persönlichen Einkommensteuererklärungen als in Kanada Ansässiger eingereicht.
Mit Schreiben vom 15. Mai 1992 hielt der Prüfer dem Beschwerdeführer vor, er habe sich nachweislich in den Jahren 1987 bis 1989 jeweils sieben bis achteinhalb Monate in Österreich aufgehalten. Seine Ehefrau sei nach wie vor in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Es könne daher geschlossen werden, dass er in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung der kanadischen Bezirkssteuerbehörde gehe lediglich hervor, dass er seit dem Jahr 1984 in O wohne. In dieser Bescheinigung werde jedoch nichts darüber ausgeführt, in welchem Vertragstaat er ansässig iSd Art 4 DBA-Kanada sei. Es sei daher iSd Art 4 Abs 2 DBA-Kanada zu prüfen, in welchem Staat die persönlichen Steueranknüpfungsmerkmale stärker ausgebildet seien. Da er bisher noch keine Unterlagen vorgelegt habe, aus denen ersichtlich sei, in welchem Staat er ansässig sei, forderte ihn der Prüfer nochmals auf, Unterlagen (zB kanadische Steuerbescheide, Bilanzen) über seine Tätigkeit in Kanada vorzulegen.
Mit Schreiben vom 29. Juni 1992 erklärte der Beschwerdeführer, er habe bereits eine Wohnsitzbescheinigung der zuständigen kanadischen Bezirkssteuerbehörde vorgelegt. Die vom Prüfer geforderten Unterlagen (kanadische Steuerbescheide, Bilanzen) würden im Zug eines allfälligen Verständigungsverfahrens im Weg der obersten kanadischen Abgabenbehörde dem österreichischen Bundesminister für Finanzen vorgelegt werden. Er sei in Kanada ansässig. Ob die in Österreich fallweise frequentierte Wohnung als österreichischer Wohnsitz gelte, sei von sekundärer Bedeutung, weil auf alle Fälle der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Kanada liege. Er sei ausschließlich in Kanada beruflich tätig. In Österreich erziele er nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Tatsache, dass seine Ehefrau in Österreich nach wie vor als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gelte, möge einer Überprüfung unterzogen werden.
In einem am 1. September 1992 vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben seines kanadischen Steuerberaters wird bestätigt, der Beschwerdeführer sei in Kanada an einem Unternehmen beteiligt, dessen Präsident er sei. Dieses Unternehmen habe ein Einkaufszentrum, eine Tankstelle und Industriebauland erworben. In späterer Folge habe das Unternehmen Teile des erworbenen Vermögens veräußert und andere Realitäten erworben bzw errichtet. Der Beschwerdeführer beschäftige sich seit seiner Einwanderung nach Kanada im Oktober 1983 ständig mit dem Ankauf, dem Neu- oder Ausbau von Gebäuden und beziehe daraus sein Einkommen. Er sei mit der Verwaltung der Realitäten arbeitsmäßig voll ausgelastet und gelte als erfolgreicher Geschäftsmann. Er habe einen ausgedehnten Freundeskreis und sei Mitglied in verschiedenen Clubs, wobei er sich eines sehr guten Rufs erfreue. Er habe ein Haus für seinen privaten Gebrauch gekauft und umgebaut.
In einem am 29. Dezember 1992 vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben eines kanadischen öffentlichen Notars wird bestätigt, der Beschwerdeführer halte Anteile an einem Unternehmen, das er auch leite. Das Unternehmen sei Eigentümer eines vermieteten Geschäftsgebäudes. Der Beschwerdeführer sei Eigentümer eines Geschäftsgebäudes mit einer Tankstelle, eines Hotels, eines Sport- und Fitnesscenters von rund 70 Morgen Farmland (Pferderanch und Reitstall) sowie einer Obstplantage und eines Weinberges. Er verwalte seinen Besitz selbst und beziehe daraus sein Einkommen. Im Jahr 1991 habe er mit der Errichtung eines Geschäftsgebäudes begonnen (Einzelhandel und Büro) welches beinahe fertig gestellt sei. Er sei ein allgemein respektierter, erfahrener und sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Er besitze eine luxuriöse Wohnstätte, die er in den Jahren 1986 bis 1989 nach seinen Vorstellungen errichtet habe.
In dem über die abgabenbehördliche Prüfung gemäß § 151 Abs 3 BAO erstatteten Bericht vom 12. März 1993 und in der darüber aufgenommenen Niederschrift über die Schlussbesprechung vertrat der Prüfer zunächst Ansichten, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittig sind. Zur Ansässigkeit in Österreich führte der Prüfer aus, der Beschwerdeführer sei alleiniger Eigentümer eines gemischt genutzten Grundstückes mit zwei Geschäftslokalen und einer Wohnung in W. Die Wohnung werde von ihm und seiner Ehefrau während ihrer Aufenthalte in Österreich bewohnt. Er habe somit einen Wohnsitz im Inland und sei daher in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Da er auch einen Wohnsitz in Kanada habe, sei zu prüfen, wo er ansässig sei, um so fest zu stellen, welchen der beiden Vertragstaaten iSd DBA-Kanada das Hauptbesteuerungsrecht zukomme. Trotz mehrmaliger Aufforderungen sei die Vorlage von kanadischen Steuerbescheiden, aus denen ersichtlich wäre, welche Tätigkeit er in Kanada ausübe und über welches Vermögen er verfüge, verweigert worden. Er habe zwei Schreiben vorgelegt, in denen bestätigt werde, dass er an einem kanadischen Unternehmen beteiligt sei. Weiters habe er eine Bescheinigung der zuständigen kanadischen Bezirkssteuerbehörde vorgelegt, aus der ersichtlich sei, dass er seiner Steuerpflicht nachkomme. Obwohl er dem Verlangen auf Vorlage von kanadischen Steuerbescheiden nicht entsprochen habe, werde unter Zugrundelegung der vorhandenen Beweismittel nach dem bisherigen Verfahrensstand seiner Ansicht gefolgt, wonach sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Prüfungszeitraum in Kanada befunden habe, weswegen das Besteuerungsrecht der in Kanada erzielten Einkünfte iSd DBA-Kanada Kanada zukomme. Unbestritten sei jedoch, dass er in Österreich beschränkt einkommensteuerpflichtig sei.
Das Finanzamt schloss sich den Ausführungen des Prüfers an und erließ am 9. Juni 1993 im wieder aufgenommenen Verfahren ua einen dementsprechenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer am 30. Juni 1993 aus im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittigen Gründen Berufung. Er führte jedoch ausdrücklich aus, dass er in Kanada ansässig sei.
In seiner Stellungnahme vom 16. September 1993 zur Berufung wies der Prüfer ua darauf hin, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht insbesondere bei der äußerst strittigen Frage, ob er in Kanada ansässig sei, nur in sehr eingeschränktem Umfang nachgekommen sei.
In seiner Gegenäußerung vom 21. Oktober 1993 zur Stellungnahme des Prüfers erklärte der Beschwerdeführer, er habe sowohl in Kanada als auch in Österreich einen Wohnsitz. Das Finanzamt habe sich der Ansicht der Prüfers, er sei in Kanada ansässig, angeschlossen und ihn dementsprechend als in Österreich beschränkt einkommensteuerpflichtig angesehen.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 1994 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter teilweiser Wiederholung der Vorhalte des Prüfers vom 18. November 1991, vom 22. November 1991 und vom 15. Mai 1992 ua auf, den genauen Umfang seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten in Kanada bekannt zu geben und dazu geeignete Unterlagen, insbesondere kanadische Steuerbescheide vorzulegen. Unter einem wies die belangte Behörde darauf hin, sie gehe nach dem bisherigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass er in Österreich ansässig iSd DBA-Kanada sei.
Nach Erinnerung durch die belangte Behörde am 21. Dezember 1994 nahm der Beschwerdeführer seine Berufung gegen den die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer erlassenen Bescheid sowie gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr am 23. Jänner 1995 zurück, worauf das Finanzamt die Berufung gemäß § 256 Abs 3 BAO mit Bescheid vom 10. Februar 1995 als gegenstandslos erklärte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 1995 hob die belangte Behörde den im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO auf, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen ausführte, auf Grund verschiedener Umstände, die dem Beschwerdeführer vorgehalten worden seien, bestünden ernsthafte Zweifel, ob er tatsächlich, wie vom Finanzamt bei Erlassung des nunmehr aufgehobenen Bescheides angenommen, im Streitjahr in Kanada ansässig iSd DBA-Kanada gewesen sei. Diese Frage sei ausschlaggebend dafür, ob er im Streitjahr in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Sollte er in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein, würden die in Kanada erzielten Einkünfte unter Berücksichtigung der Bestimmungen des DBA-Kanada in Österreich zu besteuern sein. Eine Doppelbesteuerung mit Kanada werde gemäß Art 23 DBA-Kanada durch das so genannte Anrechnungsverfahren vermieden. Eine in Österreich ansässige Person, die Einkünfte aus kanadischen Quellen beziehe, die nach dem DBA-Kanada Kanada besteuern dürfe, müsse diese Einkünfte jedoch in die österreichische Steuerbemessungsgrundlage einbeziehen. Die Doppelbesteuerung werde durch Anrechnung jenes Betrages, der der in Kanada entrichteten Steuer vom Einkommen entspreche, auf die in Österreich zu erhebende Einkommensteuer vermieden. Diesfalls wäre allerdings ein Nachweis über die in Kanada für derartige Einkünfte bezahlte Steuer vom Einkommen notwendig. Nach § 115 BAO hätten die Abgabenbehörden die Pflicht zur amtswegigen Erforschung der abgabenrechtlich relevanten Verhältnisse. Das Finanzamt wäre demnach vor Erlassung des nunmehr aufgehobenen Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr verpflichtet gewesen, durch zweckdienliche weitere Ermittlungen festzustellen, in welchem Vertragstaat der Beschwerdeführer im Streitjahr ansässig iSd DBA-Kanada gewesen sei, somit festzustellen, in welchem Vertragstaat sich der tatsächliche Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befunden habe, wobei es ihn zum Nachweis der tatsächlich in Kanada entfalteten wirtschaftlichen Tätigkeiten hätte auffordern müssen. Bei weiterer Verweigerung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach § 119 BAO hätte es auf Grund der bei der abgabenbehördlichen Prüfung festgestellten Umstände davon ausgehen müssen, dass der Beschwerdeführer im Streitjahr in Österreich ansässig und damit unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Es habe somit die ihm auferlegte Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des für die Abgabepflicht maßgeblichen Sachverhaltes außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr gründe sich insbesondere auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit sowie auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dem Interesse des Beschwerdeführers an der Nichtaufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr komme im Vergleich zum öffentlichen Interesse an dessen Aufhebung in Anbetracht seines Verhaltens anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung sowie im Berufungsverfahren (äußerst mangelhafte Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung, Verfahrensverschleppung durch nicht zeitgerechte bzw überhaupt nicht erfolgte Vorhaltsbeantwortungen) geringeres Gewicht zu.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem nach dem ablehnenden Beschluss vom 26. September 1995, 1256/95-4, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Streitjahr nicht nur in Kanada, sondern auch in Österreich einen Wohnsitz hatte, weswegen er gemäß § 1 Abs 2 EStG 1988 in Österreich zumindest im Streitjahr unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen ist. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob das Finanzamt ausreichende Feststellungen getroffen hat, die den Schluss rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer zumindest im Streitjahr iSd Art 4 DBA-Kanada in Kanada und nicht in Österreich ansässig gewesen ist. Die eben erwähnte Bestimmung lautet folgendermaßen:
"Steuerlicher Wohnsitz
(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck 'eine in einem Vertragstaat ansässige Person' eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.
(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes:
a) Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (im folgenden als Mittelpunkt der Lebensinteressen bezeichnet).
b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
c) Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragstaaten oder in keinem der Vertragstaaten, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.
d) Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragstaaten oder keines Vertragstaates, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln.
(3) .... ."
Da der Beschwerdeführer in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, hätte das Finanzamt iSd Art 4 Abs 2 lit a DBA-Kanada zunächst zu ermitteln gehabt, zu welchem Vertragstaat er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gehabt habe. Hätte dies nicht bestimmt werden können, hätte das Finanzamt nach Art 4 Abs 2 lit b bis d DBA-Kanada vorgehen müssen.
Bei Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen kommt es auf persönliche und wirtschaftliche Beziehungen an. Die persönlichen Beziehungen schlagen sich insbesondere in der Gestaltung des Familienlebens sowie in gesellschaftlichen, religiösen und sozialen Interessen und Aktivitäten nieder. Für die Bestimmung der wirtschaftlichen Beziehungen sind insbesondere die Höhe der Einkünfte in den Vertragstaaten ausschlaggebend. Im Zweifel kommt den persönlichen Beziehungen - und dort wiederum der Gestaltung des Familienlebens - der Vorrang zu (vgl Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Rz 202, unter Hinweis auf die hg Rechtsprechung).
Gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO kann in Ausübung des Aufsichtsrechtes ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden, wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden .... können. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können, hat die belangte Behörde in der Vernachlässigung der amtswegigen Ermittlung des für die Abgabepflicht maßgeblichen Sachverhaltes nach § 115 Abs 1 BAO erblickt. Nach dieser Bestimmung haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. In welchen Fällen die Abgabenbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgabe, die Abgabenerklärungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, von Amts wegen Ermittlungen durchzuführen hat, lässt sich den §§ 138 und 161 BAO entnehmen. Es sind dies Fälle, in denen Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärungen zu Zweifeln Anlass geben. Wann dies anzunehmen ist, muss im Einzelfall nach der sich der Abgabenbehörde zur Zeit ihrer Prüfung erkennbaren Situation beurteilt werden. Standen der Abgabenbehörde alle für die Sachverhaltsfeststellungen notwendigen Erkenntnismittel zur Verfügung, die die Grundlage für ihren Bescheid bildeten, hat der Abgabepflichtige die wesentlichen Unterlagen vorgelegt oder deren Vorlage und Einsicht angeboten, ist er somit seiner Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vollständig nachgekommen und sprechen die näheren Umstände (Verhalten, Mitwirkungsbereitschaft, Behördenerfahrung) für die berechtigte Annahme, die Abgabenbehörde verfüge über alle entscheidungserheblichen Informationen, sodass sie unter Bedachtnahme auf die Gegebenheiten des Verfahrensverlaufes zur begründeten Überzeugung gelangt, der erklärte und schließlich angenommene Sachverhalt entspreche der Wirklichkeit, kann sie auf weitere Ermittlungen verzichten. Unter solchen Voraussetzungen gilt das Ermittlungsverfahren als ordnungsgemäß abgeführt (vgl das hg Erkenntnis vom 17. März 1994, 91/14/0001, Slg Nr 6875/F, mwA). Anders verhält es sich jedoch, wenn der Abgabepflichtige - wie im Beschwerdefall - seine Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, somit seine Mitwirkungspflicht nach § 119 Abs 1 BAO verletzt. Zwar trägt die Abgabenbehörde die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können. Dies befreit den Abgabepflichtigen jedoch nicht von der Verpflichtung, seinerseits zur Klärung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und die für den Bestand und Umfang der Abgabepflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen. Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht des Abgabepflichtigen in dem Maß höher, als die Pflicht der Abgabenbehörde zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihm, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhaltselemente beizuschaffen. Der Abgabepflichtige hat diesfalls durch konkrete und vollständige Aufklärung der Tatsachen den Anschein zu widerlegen, der sich für die Abgabenbehörde auf Grund der ihr zur Kenntnis gelangten Umstände geboten hat. Verletzt der Abgabepflichtige diese ihm obliegende erhöhte Mitwirkungspflicht im Abgabenverfahren, so hat die Abgabenbehörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung festzustellen (vgl das hg Erkenntnis vom 23. Februar 1994, 92/15/0159, mwA).
Obwohl der Beschwerdeführer dem Verlangen nach Vorlage kanadischer Steuerbescheide und Bilanzen keine Folge geleistet hat, ist das Finanzamt ausgehend von den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen (Bescheinigung der kanadischen Bezirkssteuerbehörde, Schreiben seines kanadischen Steuerberaters, Schreiben des kanadischen öffentlichen Notars) davon ausgegangen, dass sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Streitjahr in Kanada befunden habe. Die von ihm vorgelegten Bestätigungen geben jedoch keinen Aufschluss darüber, ob sich nach den oben dargestellten Kriterien der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Streitjahr in Österreich oder in Kanada befunden hat. Zu den relevanten persönlichen Beziehungen hat das Finanzamt weder Ermittlungen vorgenommen noch Feststellungen getroffen, wobei es überdies außer Acht gelassen hat, dass er in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr seine Ehefrau als inländische Zustellbevollmächtigte angegeben hatte. Zu den relevanten wirtschaftlichen Beziehungen hat sich das Finanzamt mit den von ihm vorgelegten Schreiben zufrieden gegeben, obwohl diesen keine konkreten Angaben hinsichtlich des Umfanges seiner wirtschaftlichen Betätigung und der Höhe der von ihm in Kanada erzielten Einkünfte zu entnehmen war. Überdies ist er seiner ihm obliegenden erhöhten Mitwirkungspflicht nur schleppend und in geringem Umfang nachgekommen. Damit hat das Finanzamt - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat - die ihm auferlegte Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des für die Abgabepflicht maßgeblichen Sachverhalt außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Die von der belangten Behörde vorgenommene Aufhebung des Bescheides gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO ist somit zu Recht erfolgt.
Den gegen die Ermessensübung der belangten Behörde vorgetragenen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Ermessensübung umfassend und ausreichend begründet hat. Die diesbezügliche behauptete, weiters nicht spezifizierte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.
Was die Ausführungen zur Prüfungsmöglichkeit nach § 148 Abs 3 lit c BAO betrifft, wird darauf hingewiesen, dass eine derartige Prüfung nur während eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens zulässig ist. Zufolge Zurücknahme der Berufung gegen den die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer erlassenen Bescheid sowie gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr am 23. Jänner 1995 war die belangte Behörde ab diesem Zeitpunkt nicht mehr befugt, eine derartige Prüfung durchzuführen. Bemerkt wird, dass auf die Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung kein Rechtsanspruch besteht.
Zum Vorbringen, die belangte Behörde habe nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides auf den Inhalt des vom Finanzamt erlassenen Ersatzbescheides durch Weisung Einfluss genommen, wird bemerkt, dass dieser Ersatzbescheid nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist.
Zur Rüge, es seien mangels Gewährung von Gehör durch die belangte Behörde Verfahrensvorschriften insofern verletzt worden, als der Beschwerdeführer die angebliche Fehlentscheidung des Finanzamtes hätte entkräften können, wird darauf hingewiesen, dass ihm seitens der belangten Behörde sehr wohl Gehör gewährt worden ist, er jedoch das Schreiben der belangten Behörde vom 20. Oktober 1994 trotz Erinnerung vom 21. Dezember 1994 nicht beantwortet hat. Überdies zeigt der Beschwerdeführer die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels in Ansehung der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr nicht auf.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 26. Juli 2000
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