VwGH 95/08/0018

VwGH95/08/001820.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des W in H, vertreten durch Dr. Heinrich Nagl, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Pfarrgasse 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 26. September 1994, Zl. IVc 7022/7100 B, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der vor seiner Arbeitslosigkeit zuletzt als Außendienstmitarbeiter der A.-Versicherung vom 1. Juni bis 30. November 1992 tätig war, bezog seit 1. Dezember 1992 Arbeitslosengeld und (daran anschließend) Notstandshilfe. Seit 27. Mai 1993 war er als selbstständiger Versicherungsvertreter in einer die Arbeitslosigkeit nicht ausschließenden Weise erwerbstätig.

Mit Schreiben des Arbeitsamtes Horn vom 4. Mai 1994 wurde der Beschwerdeführer unter dem "Betreff: Arbeitsvermittlung" zu einer am 11. Mai 1994 stattfindenden Job-Börse eingeladen. Danach suche die B.-Versicherung Kundenberater für den Außendienst zur Betreuung der Kunden in den Bezirken Horn und Waidhofen/Thaya. Ein Gebietsleiter dieser Versicherung werde dabei nähere Details bekannt geben. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass "im Falle Ihres Nichterscheinens Ihr Leistungsbezug eingestellt werden müsste".

Der Beschwerdeführer nahm an dieser Job-Börse teil; zum Abschluss eines Dienstvertrages kam es allerdings nicht.

In einer Niederschrift vor dem Arbeitsamt am 13. Juni 1994 gab der Beschwerdeführer an, einen persönlichen Vorsprachetermin bei der B.-Versicherung bis heute nicht vereinbart zu haben. Er werde dazu schriftlich Stellung nehmen.

Mit Schreiben vom 17. Juni 1994 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, schon einmal bei einer Versicherungsgesellschaft tätig gewesen und von dieser gekündigt worden zu sein. Deshalb habe er vor einem Jahr die Entscheidung getroffen, sich als Versicherungsvermittler selbstständig zu machen. Für diese Selbstständigkeit habe er bis jetzt über S 100.000,-- investiert, wobei sich eine kontinuierliche Umsatzsteigerung feststellen lasse. Der Beschwerdeführer warf auch die Frage auf, warum er den Weg in die Selbstständigkeit nicht fortsetzen und wiederum in ein unsicheres Arbeitsverhältnis zurückkehren solle. Seiner Ansicht nach sei es Aufgabe der Arbeitsmarktverwaltung dafür zu sorgen, dass die Beihilfenbezieher in ihrem Engagement für eine Tätigkeit, die sie gerne ausübten, unterstützt würden.

Mit Bescheid vom 4. Juli 1994 sprach das Arbeitsamt den Verlust der Notstandshilfe für die Zeit vom 13. Juni bis 10. Juli 1994 aus. Eine Nachsicht wurde nicht erteilt. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer seit 13. Juni 1994 nicht bereit, einen Vorsprachetermin mit der B.-Versicherung zu vereinbaren. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid bestritt der Beschwerdeführer diesen Vorwurf und führte im Wesentlichen aus, er habe dem Arbeitsamt schon schriftlich mitgeteilt, weshalb er einen neuerlichen Termin mit den Vertretern der B.-Versicherung nicht ins Auge gefasst habe. In der Einladung zur Job-Börse sei darauf hingewiesen worden, dass im Falle seines Nichterscheinens sein Leistungsbezug eingestellt werden müsste. Es sei ihm aber weder schriftlich noch mündlich mitgeteilt worden, dass er innerhalb einer bestimmten Frist - bei sonstigem Leistungsverlust - einen Termin mit der B.-Versicherung zu vereinbaren habe. Als berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er verheiratet sei und vier versorgungspflichtige Kinder habe. Nach Ausführungen, wonach offene Stellen von Versicherungsvertretern nicht ernst zu nehmen seien, heißt es wörtlich: "Ich kann mir viele Aufgaben vorstellen, nur eine nicht mehr, die eines Außendienstmitarbeiters einer Versicherungsgesellschaft."

In einer Stellungnahme des Arbeitsamtes zur Berufung des Beschwerdeführers wird darauf hingewiesen, es sei "nach einer allgemeinen Information vereinbart worden, dass sich die Eingeladenen einen persönlichen Vorsprachetermin mit Herrn B. (Gebietsleiter der B.-Versicherung) ausmachen".

In einer Niederschrift vom 8. August 1994 (in der dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des Arbeitsamtes offensichtlich nicht zur Kenntnis gebracht wurde) gab der Beschwerdeführer unter anderem an, die Herren der B.-Versicherung hätten bei der Job-Börse den Aufgabenbereich eines Außendienstmitarbeiters erläutert, wobei darauf hingewiesen worden sei, "dass in dem Bezirk Horn und Waidhofen/Thaya Mitarbeiter gesucht werden. Auf die Frage eines der beiden Herren, ob ich bereits in dieser Branche tätig war, antwortete ich, dass ich bereits bei der A.-Versicherung sechs Monate tätig war und das DV beendet wurde. Im Zuge der Gespräche wurde darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit eines weiteren persönlichen Gesprächs für Interessenten bestünde (mit Herrn G.). Es wurde mir nicht gesagt, dass ich vom Bezug der NH ausgeschlossen werde, wenn ich kein weiteres Gespräch führe und sah dies sohin nicht als verbindlich an. Bisher habe ich keine Stelle abgelehnt".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Nach der Begründung sei dem Beschwerdeführer am 3. Mai 1994 eine Beschäftigung als Kundenberater bei der B.- Versicherung mit möglichem Arbeitsantritt am 13. Juni 1994 zugewiesen worden. Die zugewiesene Stelle habe alle Kriterien der Zumutbarkeit nach § 9 AlVG erfüllt. Die selbstständige Erwerbstätigkeit habe den Beschwerdeführer nicht dazu berechtigt, seiner Vorstellungspflicht nicht nachzukommen. Die Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters hätte auch seine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert; überdies sei der Beschwerdeführer zuletzt in der Versicherungsbranche selbstständig erwerbstätig. Zum Berufungsvorbringen, wonach dem Beschwerdeführer nicht mitgeteilt worden sei, dass er einen Vorsprachetermin wahrzunehmen habe, verwies die belangte Behörde einerseits auf die "Aufzeichnungen der Serviceabteilung", andererseits darauf, dass es dem Beschwerdeführer hätte klar sein müssen, durch die Nichtwahrnehmung des Termins die Vereitelung einer möglichen Arbeitsaufnahme herbeigeführt zu haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst die Feststellung der belangten Behörde gerügt, dass dem Beschwerdeführer am 3. Juni 1994 eine Beschäftigung als Kundenberater ab 13. Juni 1994 zugewiesen worden sei. Es sei auch nicht vorgesehen gewesen, dass er bei der Job-Börse einen Vorsprachetermin zu vereinbaren habe. Die Nichtvereinbarung eines solchen Termins bis 13. Juni 1994 könne daher auch nicht als Vereitelung im Sinne des § 10 AlVG gewertet werden. Die Tätigkeit als unselbstständiger Außendienstmitarbeiter einer Versicherungsanstalt würde auch seine künftige Verwendung in seinem selbstständigen Beruf wesentlich erschweren, da keine Versicherungsanstalt es akzeptieren würde, dass er einerseits bei ihr als unselbstständiger Mitarbeiter und andererseits gleichzeitig als selbstständiger Versicherungsvermittler tätig wäre.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG ist eine Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld, dass der Arbeitslose arbeitswillig ist.

Nach § 9 Abs. 1 AlVG idF der ab 1. August 1993 geltenden Beschäftigungssicherungs-Novelle 1993, BGBl. Nr. 502, ist unter anderem arbeitswillig, wer bereit ist, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Wenn der Arbeitslose auf Aufforderung durch das Arbeitsmarktservice nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen, so verliert er gemäß § 10 Abs. 1 AlVG für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Nach § 10 Abs. 2 AlVG ist der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen.

Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers ist zunächst zu erwidern, dass sich bereits aus dem Schreiben des Arbeitsamtes vom 4. Mai 1994 ("Betreff: Arbeitsvermittlung") ergab, dass die B.- Versicherung Kundenberater suche. Auch aus der Niederschrift mit dem Beschwerdeführer vor der Landesgeschäftsstelle am 8. August 1994, wonach die Herren der B.-Versicherung unter anderem darauf hingewiesen hätten, dass für den Bezirk Horn und Waidhofen/Thaya Mitarbeiter gesucht würden und die Möglichkeit eines weiteren persönlichen Gespräches für Interessenten bestünde, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sehr wohl wusste, dass die B.-Versicherung Kundenberater suchte und zu diesem Zweck zu persönlichen Gesprächen einlud. Es traf ihn daher, unabhängig davon, ob ihn das Arbeitsamt ausdrücklich dazu aufforderte, die Verpflichtung, von sich aus alle gebotenen (nach dem hier unstrittigen Sachverhalt: auch nahe liegenden) Anstrengungen zu unternehmen, eine Beschäftigung zu erlangen, also von sich aus unverzüglich oder spätestens bis 13. Juni 1994 der Einladung der B.-Versicherung Folge zu leisten und einen Termin zu vereinbaren. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Folgen einer Unterlassung bedurfte es im Hinblick auf den eindeutigen Zweck und Inhalt der Job-Börse, dem Beschwerdeführer eine neue Beschäftigung zu vermitteln, nicht. Dass dies dem Beschwerdeführer klar war, ergibt sich aus seinem Vorbringen in der Berufung, wonach er lieber seinen Weg der Selbstständigkeit fortsetzen, als wiederum in ein unsicheres Arbeitsverhältnis zurückkehren wolle. Der Beschwerdeführer beabsichtigte danach in der Versicherungsbranche weiterhin selbstständig erwerbstätig zu sein, was allerdings nicht zu Lasten der Arbeitsmarktverwaltung gehen darf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0252).

Ob beim rechtzeitigen Kontakt ein Beschäftigungsverhältnis zu Stande gekommen wäre, brauchte nicht geprüft zu werden, weil keine objektiven Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies nicht der Fall gewesen wäre (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 94/08/0087).

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 90/08/0084) ist es auch ohne Relevanz, ob die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers dem richtigen Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG unterstellt hat.

Im Beschwerdefall ist auch nicht ersichtlich, inwiefern - angesichts der Vortätigkeit des Beschwerdeführers und seiner Tätigkeit im Jahre 1994 - dem Beschwerdeführer die Tätigkeit eines Kundenberaters einer Versicherung unzumutbar sein sollte.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit den von ihm in der Berufung vorgebrachten berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG befasst, ist darauf zu verweisen, dass sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein arbeitsunwilliger Arbeitsloser allein mit dem Hinweis auf Sorgepflichten gegenüber unterhaltsberechtigten, einkommenslosen Familienangehörigen einer Sanktion nach § 10 AlVG nicht entziehen kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 95/08/0030).

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Dezember 2000

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