VwGH 94/08/0032

VwGH94/08/003231.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H Baugesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Michael Swoboda, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 4. November 1993, Zl. 42.024/85-6a/93, betreffend Zustimmung zu einer Kündigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (mitbeteiligte Partei: M in W, vertreten durch Auer & Auer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Naglergasse 6), zu Recht erkannt:

Normen

ASGG §2 Abs1;
ASGG §50 Abs1 Z1;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BEinstG §14 Abs2 idF 19927313;
BEinstG §2 Abs1 idF 1992/313;
BEinstG §8 Abs2 idF 1992/313;
B-VG Art94;
JN §1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;
ASGG §2 Abs1;
ASGG §50 Abs1 Z1;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BEinstG §14 Abs2 idF 19927313;
BEinstG §2 Abs1 idF 1992/313;
BEinstG §8 Abs2 idF 1992/313;
B-VG Art94;
JN §1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 25. November 1949 geborene Mitbeteiligte gehört auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. Oktober 1992 mit Wirkung ab 6. Juli 1992 dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. an. Dieser Bescheid wurde ihr nach Lage der Verwaltungsakten am 6. November 1992 zugestellt.

Am 27. Oktober 1992 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft beim Behindertenausschuss für das Bundesland Wien beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Erteilung der nachträglichen Zustimmung zu der am 15. Juli 1992 zum 15. September 1992 ausgesprochenen Kündigung der Mitbeteiligten. Zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung sei die Behinderteneigenschaft der Mitbeteiligten noch nicht bekannt gewesen. Am 27. Mai 1993 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft in eventu auch die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung sowie die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Änderungskündigung im Sinne einer Rückstufung der Mitbeteiligten von der Verwendungsgruppe A 3 in die Verwendungsgruppe A 2 des Kollektivvertrages der Angestellten im Baugewerbe und in der Bauindustrie.

Mit Bescheid vom 2. Juni 1993 gab der Behindertenausschuss weder dem Antrag auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung zum 15. September 1992 noch dem Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung noch dem Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Änderungskündigung im Sinne einer Rückstufung der Mitbeteiligten von A 3 in A 2 nach dem genannten Kollektivvertrag Folge.

Der dagegen erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte sei seit 2. Juli 1990 im Unternehmen der beschwerdeführenden Gesellschaft als kaufmännische Angestellte in der Beschäftigungsgruppe A 3 des Kollektivvertrages für die Angestellten des Baugewerbes und der Bauindustrie beschäftigt. Die Einstufung sei auf Grundlage des von der Mitbeteiligten vorgelegten Dienstzeugnisses und des Einstellungsgespräches erfolgt. Die Mitbeteiligte sei in der Buchhaltung mit der Erfassung von Eingangsrechnungen, der EDV-Eingabe, Gegenbuchungen, Ablage, Buchung und Kontrolle von Bankbelegen und der Durchführung des Zahlungsverkehrs betraut gewesen. Besonders schwierige Berechnungen seien nicht ihr, sondern einer Kollegin aufgetragen worden. Die Fehlerquote der Mitbeteiligten sei durchschnittlich gewesen. Mit der Mitbeteiligten sei vor der Kündigung kein Einvernehmen betreffend eine Rückstufung in A 2 durchgeführt worden; sie sei auch wegen ihrer Leistungen nicht ermahnt worden. Nach Bekanntwerden der Höhe ihrer Einstufung hätten Kolleginnen und Kollegen Neidgefühle geäußert, weshalb sich das Arbeitsklima verschlechtert habe.

Die beschwerdeführende Gesellschaft habe für die Auflösung des Dienstverhältnisses der Mitbeteiligten das gestörte Arbeitsklima und ihre fehlerhafte Arbeit angeführt. Die Einstufung der Mitbeteiligten gehe allerdings zu Lasten der beschwerdeführenden Gesellschaft. Nach Auffassung der belangten Behörde sei es nach allgemeinen Grundsätzen sittenwidrig, einen Vertrag, der allenfalls mit einer Irrtumsanfechtung angepasst werden könne, mit dem Druck einer Änderungskündigung für den betreffenden Dienstnehmer zu verschlechtern. Die festgestellte Fehlerquote der Arbeit der Mitbeteiligten allein könne ihre Kündigung nicht begründen, da die Nachteile einer Kündigung zu berücksichtigen seien. Wegen ihres Alters und ihrer Behinderung habe sie am Arbeitsmarkt nur geringe Chancen. Die beschwerdeführende Gesellschaft verfüge auch außerhalb der Buchhaltung über Positionen, in denen die Mitbeteiligte eingesetzt werden könnte.

Die Anträge auf Genehmigung einer auszusprechenden Kündigung und einer Änderungskündigung schlössen sich nach Ansicht der belangten Behörde aus, denn die auszusprechende Kündigung wegen Auftragsrückgang würde bedeuten, dass die Mitbeteiligte überhaupt nicht mehr beschäftigt werden könne, was mit dem festgestellten Sachverhalt allerdings in Widerspruch stehe. Der Antrag hinsichtlich einer vorzunehmenden Änderungskündigung bedeute, dass die Mitbeteiligte weiter beschäftigt werden könne, allerdings zu anderen finanziellen Bedingungen. Nach dem festgestellten Sachverhalt gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Mitbeteiligte weiter beschäftigt werden könne, weil ihr Arbeitsplatz nicht eingespart worden sei. Da das Begehren hinsichtlich einer auszusprechenden Kündigung und einer Änderungskündigung zu Recht abgewiesen worden sei, sei das Begehren auf nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung erst recht verfehlt.

Hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Begünstigung der Mitbeteiligten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz schloss sich die belangte Behörde der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an, wonach die Begünstigung mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, also auch rückwirkend, rechtswirksam werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung sind begünstigte Behinderte unter anderem österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.

Nach § 14 Abs. 1 BEinstG gilt als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H. a) eines Landesinvalidenamtes (der Schiedskommission), b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zuständigen Gerichtes, c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes sowie der letzte rechtskräftige Bescheid über die Zuerkennung einer Blindenbeihilfe oder über die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H. der in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge ergangen ist oder die in einem Behindertenpass nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes enthaltene Feststellung, dass der Inhaber des Passes dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehört. Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.

Liegt ein Nachweis im Sinne des Absatzes 1 nicht vor, so hat gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Landesinvalidenamt unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (§ 3) festzustellen.

Nach § 14 Abs. 2 vorletzter Satz BEinstG werden die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim örtlich zuständigen Landesinvalidenamt wirksam.

Hinsichtlich der Kündigung bestimmt § 8 Abs. 1 BEinstG, dass das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden darf. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

Eine Kündigung darf gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.

In der Beschwerde wird zunächst gerügt, dem angefochtenen Bescheid lasse sich nicht entnehmen, gegen welchen Bescheid sich die Berufung gerichtet habe. Der Begründung des angefochtenen Bescheides lasse sich ferner nicht entnehmen, auf welche gesetzliche Bestimmung die belangte Behörde ihre Entscheidung gestützt habe.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Am Beginn des angefochtenen Bescheides wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde über die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den Bescheid des Behindertenausschusses für das Bundesland Wien beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Juni 1993 entschieden hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht vorgeschrieben, dass die Berufungsbehörde im Spruch ihres Bescheides den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid durch Angabe von Datum und Geschäftszahl bezeichnet. Wenn daher diese Angaben nicht im Spruch, sondern in der Einleitung des Bescheides angeführt sind, kann daraus keine Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides abgeleitet werden (vgl. z. B. die Erkenntnisse vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0726, und vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0601).

Durch die Anführung von Datum und Gegenstand des Bescheides der Behörde erster Instanz konnte die beschwerdeführende Gesellschaft auch nicht im Unklaren sein, über welchen Bescheid die belangte Behörde entschieden hat, wenn auch dessen Geschäftszahl im angefochtenen Bescheid nicht angeführt war.

Was die mangelnde Zitierung der angewendeten Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes anlangt, so ist der beschwerdeführenden Gesellschaft zu erwidern, dass ein Bescheid nicht schon dann rechtswidrig ist, wenn er die tragende Rechtsnorm nicht angibt, sondern nur dann, wenn eine solche überhaupt nicht vorhanden ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. Februar 1999, Zl. 97/05/0255). In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass in dem von der belangten Behörde bestätigten Bescheid der Behörde erster Instanz der angewendete § 8 Abs. 2 BEinstG genannt und dessen Inhalt wiedergegeben wird.

Die Beschwerde rügt ferner, die belangte Behörde habe sich überhaupt nicht damit auseinander gesetzt, dass das Dienstverhältnis der Mitbeteiligten bereits mit Ablauf des 15. September 1992 geendet habe, der Bescheid hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten jedoch erst am 2. November 1992 zugestellt worden sei. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Invalideneinstellungsgesetz (InvEG) finde die Rückwirkung eines Begünstigungsbescheides ihre Grenze dort, wo im Zeitpunkt des Eintrittes der Verbindlichkeit eines mit dem ausdrücklichen Ausspruch der Rückwirkung auf einen bestimmten Zeitpunkt erlassenen Feststellungsbescheides nach § 14 Abs. 2 InvEG ein Dienstverhältnis nicht mehr bestehe. Ein nicht mehr bestehendes Dienstverhältnis könne auch durch den rückwirkend erlassenen Feststellungsbescheid nicht mehr unter den erhöhten Kündigungsschutz des § 8 Abs. 2 des InvEG gestellt werden (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1985, VwSlg. 11.871/A).

Auf dieses Vorbringen ist zunächst zu erwidern, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sehr wohl auf die Judikaturdivergenz zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Auslegung des § 8 InvEG hingewiesen und sich bei ihrer Entscheidung, auf die allerdings das Behinderteneinstellungsgesetz anzuwenden ist, der Rechtsprechung des OGH angeschlossen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage des zeitlichen Wirkungsbereiches einer Feststellung der Behinderteneigenschaft im Sinne des § 14 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 leg. cit. schon wiederholt beschäftigt und dabei (u.a.) die Auffassung vertreten, dass ein Bescheid, der erst nach dem Ende der Kündigungsfrist erlassen werde - ungeachtet der in § 14 Abs. 2 leg. cit. angeordneten Rückwirkung - auf das zu Ende gegangene Arbeitsverhältnis keine rechtliche Wirkung mehr zu entfalten vermag (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. September 1985, VwSlg. 11.871/A).

Der OGH vertrat ursprünglich zur Rechtslage nach dem Invalideneinstellungsgesetz den Standpunkt, es müsse im Zeitpunkt des Kündigungsausspruches bereits feststehen, dass der zu Kündigende im Besitz der Begünstigungen des Invalideneinstellungsgesetzes stehe. Eine spätere rückwirkende Zuerkennung der Invalidität habe keinen Einfluss auf das einzuhaltende Kündigungsverfahren (vgl. OGH vom 30. Juni 1959, Arb.Slg. 7082). Diese Judikatur hat der OGH jedoch seit der Novelle zum Invalideneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 111/1979, mit folgender Begründung nicht mehr aufrecht erhalten: Durch diese Novelle sei § 14 Abs. 2 InvEG durch folgenden Satz ergänzt worden: "Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens jedoch dem 1. des Monats wirksam, in dem der Antrag eingebracht worden ist." Nach den Materialien (1158 BlgNR 14. GP, Seite 15) habe hiedurch die bisher festzustellende Rechtsunsicherheit über den Zeitpunkt des Anfalls der Begünstigung bei Zivilbehinderten beseitigt werden sollen. Zu den Begünstigungen zähle auch die beschränkte Kündbarkeit. Da auch diese Begünstigung auf den Monatsersten der Antragstellung zurückwirke, sei eine danach ausgesprochene Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Invalidenausschusses rechtsunwirksam (OGH vom 26. Juni 1984, 4 Ob 21/84, ZAS 1986, 16; ferner OGH vom 18. November 1986, 14 Ob 196/86, Arb.Slg. 10.584). An dieser Rechtsauffassung hat der OGH auch bei Anwendung des Behinderteneinstellungsgesetzes festgehalten. Für den Eintritt der Begünstigung der beschränkten Kündbarkeit eines Behinderten komme es nicht mehr darauf an, ob der Bescheid über die - rückwirkende - Feststellung der Behinderteneigenschaft im Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist erlassen wird, zugeht oder rechtskräftig wird. Entscheidend sei allein, ob die Begünstigungen im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung bereits eingetreten waren (vgl. dazu OGH vom 25. Jänner 1989, 9 Ob A 304/88, DRdA 1990, 142; vom 31. Jänner 1990, 9 Ob A 25/90, ARD 4173/10/90; und vom 10. Dezember 1993, 9 Ob 256, 257/93, DRdA 1994, 416).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 1996, Zl. 96/08/0003, klargestellt, dass zur rechtsfeststellenden Entscheidung der Hauptfrage (welche im Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten demnach eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellt), ein Beschäftigungsverhältnis unterliege dem Behinderteneinstellungsgesetz, ausschließlich die Arbeits- und Sozialgerichte zuständig seien. Im Lichte der sich aus diesem Erkenntnis ergebenden grundsätzlichen Aufgabenverteilung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung bei der Vollziehung des Behinderteneinstellungsgesetzes sieht sich der Verwaltungsgerichtshof daher veranlasst, seine frühere (von jener des OGH abweichende) Rechtsprechung zur Frage der zeitlichen Wirkung eines Bescheides, mit welchem die Eigenschaft als begünstigter Behinderter festgestellt wird, nicht mehr aufrechtzuerhalten und sich nunmehr jener des OGH anzuschließen:

Danach entsteht der Kündigungsschutz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz rückwirkend (frühestens) ab dem

1. eines Monats, in dem der Antrag gestellt wurde, auch dann, wenn der rechtsfeststellende Bescheid erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zugestellt wurde. Jede nach dem Zeitpunkt dieses - wenn auch erst im Nachhinein eingetretenen - Wirksamwerdens ausgesprochene Kündigung bedarf daher der Zustimmung des Behindertenausschusses.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde daher zu Recht ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen. Es trifft zwar zu - wie in der Beschwerde ausgeführt wird -, dass damit ein Dienstverhältnis rückwirkend unter erhöhten Kündigungsschutz gestellt wird. Den diesbezüglichen Bedenken in der Beschwerde ist jedoch entgegenzuhalten, dass dieser Effekt auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eingetreten ist, die lediglich danach unterschied, ob der Bescheid noch "rechtzeitig" erlassen wurde oder erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses, nicht aber danach, ob die Kündigung in Kenntnis des Kündigungsschutzes ausgesprochen oder von ihm rückwirkend erfasst worden ist. Die Rückwirkung der Feststellung der Behinderteneigenschaft ist vom Gesetzgeber - wie § 14 Abs. 2 BEinstG zeigt - vielmehr ausdrücklich gewollt. Die Beschwerdeführerin übersieht auch, dass als Alternative eine Rechtsschutzlücke entstünde, wenn der OGH ein Dienstverhältnis unter den auch hier gegebenen Umständen als dem Behinderteneinstellungsgesetz unterliegend (und demgemäß eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung als unwirksam) ansieht, die Zustimmung zu dieser Kündigung aber mangels Anwendbarkeit des Behinderteneinstellungsgesetzes von der Verwaltung verweigert würde.

Da die §§ 2 Abs. 1, 8 Abs. 2 und 14 Abs. 2 BEinstG durch die Novelle BGBl. Nr. 313/1992 neu gefasst wurden, bedarf es nicht der Einberufung eines verstärkten Senates zum Zwecke des Abgehens von der von der Beschwerdeführerin zitierten Rechtsprechung, da diese zu Zeitpunkten vor der genannten Gesetzesnovelle ergangen ist (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1981, VwSlg. 10.344/A).

Da die Begünstigungen der Mitbeteiligten auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. Oktober 1992 mit Wirkung ab 6. Juli 1992 eintraten, der Ausspruch der Kündigung jedoch erst am 15. Juli 1992 erfolgte, unterlag die Mitbeteiligte dem Kündigungsschutz des § 8 Abs. 2 BEinstG.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

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