VwGH 99/20/0412

VwGH99/20/041216.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des JO in Wien, geboren am 23. November 1974, vertreten durch Mag. Rudolf Fidesser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. April 1999, Zl. 207.014/0-XI/34/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §44 Abs1;
AsylG 1997 §8;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
FrG 1997 §57;
VwRallg;
AsylG 1997 §44 Abs1;
AsylG 1997 §8;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
FrG 1997 §57;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger von Liberia, reiste am 8. Dezember 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 9. Dezember 1996 Asyl. Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 10. Dezember 1996 verlief die Befragung zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wie folgt:

"Welche Asylgründe wollen Sie geltend machen?

Ich möchte nicht so jung sterben. In Liberia gibt es Kämpfe und ich wurde ins Bein getroffen. Aufgrund der Kämpfe bin ich geflüchtet. Ich habe eine Schussverletzung oberhalb des rechten Knies.

Haben Sie selbst an Kämpfen teilgenommen?

Nein. Ich habe schon gedacht, dass der Krieg zu Ende sei und meine Eltern erlaubten mir, zur Kirche zu gehen. Als ich in der Kirche war, hörten wir Schüsse und wir rannten weg. Dabei traf mich ein Schuss, das war um den 15. Februar 1996. Ich konnte trotz der Verletzung flüchten, es war nur ein Streifschuss.

Wollen Sie weitere Fluchtgründe geltend machen? Ich habe keinerlei andere Gründe."

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab. Das Bundesasylamt ging davon aus, schon die Behauptung des Beschwerdeführers, Liberianer zu sein, und sein gesamtes übriges Vorbringen seien aus näher dargestellten Gründen nicht glaubwürdig. Davon abgesehen habe der Beschwerdeführer aber keine gegen seine Person konkret gerichteten Verfolgungshandlungen geltend gemacht, sondern nur davon gesprochen, wegen der allgemeinen Kampfhandlungen geflüchtet zu sein. Eine Schussverletzung im Zuge von Kämpfen könne nicht als gegen eine Person gerichtete Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden. Die Tatsache allein, dass es im Heimatland des Asylwerbers zu kriegerischen Handlungen komme, sei noch kein Grund, darin gegen den Asylwerber selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken. Für die Gewährung von Asyl müssten jedoch konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete (bzw. ihm drohende) Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen nur aus, er halte seine Aussagen aufrecht.

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. Februar 1999 eine Änderung der Verhältnisse in Liberia vor, worauf der Beschwerdeführer in zwei Eingaben vom 14. Februar 1999 und vom 16. Februar 1999 (zusammengefasst) erwiderte, die Situation in seinem Heimatland sei - mit Rücksicht auf die Person und das Vorleben des nunmehrigen Machthabers Charles Taylor - viel kritischer und schlechter als von der internationalen Gemeinschaft angenommen werde.

Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 24. März 1999 beschrieb der Beschwerdeführer den Beginn seiner Flucht nach Österreich wie folgt:

"Ich befand mich in einer baptistischen Kirche zu einem Gottesdienst. Ich war dort eingeladen. Da hörten wir einen Schuss aus der Umgebung und es zerstreuten sich alle. Ich wurde in der Folge am Bein angeschossen (der AW zeigt eine Narbe am rechten Knie). Die Kirche befindet sich in Krue Town (Beilage A) am Stadtrand. Krue Town ist ein Teil von Monrovia. Ich hielt einen Bus an, der mich in Richtung Sierra Leone mitnahm. Ich wollte aber nicht nach Sierra Leone, sondern lediglich mein Leben retten. Etwa 24 bis 25 Leute waren mit mir auf der Flucht. Er fuhr lange Zeit und blieb auch öfters stehen. Wir überquerten dabei die Grenze nach Sierra Leone. Üblicherweise wird dort kontrolliert, aber der Busfahrer erklärte unsere missliche Situation, viele von uns bluteten.

Dann blieb er stehen und der Busfahrer zeigte uns eine Richtung in die wir gehen sollten. Es war dort sandig und wir gingen 3 Stunden im Sand ..."

Abschließend gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Folgendes an:

"Die Rebellen werfen der Kirche vor, die Kirche sei gegen die Rebellen. Vor meinem Fluchtzeitpunkt gab es in vielen Landesteilen derartige Probleme.

Weiters gibt der AW an, ich möchte nicht in mein Land zurückkehren, solange es nicht von einer verantwortungsvollen Person regiert wird.

Charles Taylor war auch ein Rebell. Er schloss viele Friedensvereinbarungen ab, die er dann nicht einhielt, also denke ich, dass er nicht ein guter Mann ist und alles Mögliche passieren könnte. Es gibt ein Programm der Vereinigten Staaten nachdem Exilliberianer, die sich in Kenja und Guinea aufhalten in den Vereinigten Staaten Aufnahme finden sollen. Dies wäre nicht notwendig, wenn Charles Taylor ein so guter Mann wäre."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie begründete diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

"Die Berufungsbehörde stellt als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest, dass der Berufungswerber Liberia aufgrund des Bürgerkrieges verlassen hat.

Dem durchgeführten Ermittlungsverfahren wurde insbesondere das Vorbringen des Berufungswerbers bei der Einvernahme durch die Erstbehörde am 10.12.1996 und seine Aussagen vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat im Zuge der durchgeführten Verhandlung vom 24.9. (richtig: 3.) 1999 zugrundegelegt, wobei sich in der Berufungsverhandlung keine neuen Sachverhaltselemente gegenüber dem bei der Erstbehörde Vorgebrachten ergaben.

Der Unabhängige Bundesasylsenat gelangt aufgrund dessen zu der rechtlichen Schlussfolgerung, dass asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht vorliegt und schließt er sich der von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen rechtlichen Beurteilung vollinhaltlich an, wobei die entsprechenden Passagen des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erklärt werden.

Der belangten Behörde ist insbesondere beizupflichten, dass sie die Flucht des Asylwerbers vor dem in seiner Heimat herrschenden Bürgerkrieg nicht als Verfolgung im Sinne der obgenannten Konvention gewertet, und sie die aus dem Andauern des Bürgerkriegs resultierenden Benachteiligungen, denen dort sämtliche Bewohner ausgesetzt sind, nicht als konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgung eingestuft hat."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, idF BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer - anders als die Behörde erster Instanz - zumindest insoweit geglaubt, als sie feststellte, er habe "Liberia aufgrund des Bürgerkrieges verlassen". Die belangte Behörde folgte jedoch der Eventualbegründung der Behörde erster Instanz, wonach die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für seine Ausreise nicht geeignet seien, die Gefahr asylrelevanter Verfolgung darzutun. Die Aussage des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung, seitens der "Rebellen" werde "der Kirche" vorgeworfen, sie sei "gegen die Rebellen", und es habe "in vielen Landesteilen derartige Probleme" gegeben, wird dabei von der belangten Behörde nicht als "neues Sachverhaltselement" gewertet. Auf den Gesichtspunkt einer Entschärfung der Lage seit der Ausreise des Beschwerdeführers stellt der angefochtene Bescheid nicht ab.

In der Beschwerde wird nicht der Versuch unternommen, unter Anknüpfung an Schwächen in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, dass die belangte Behörde bei der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes Hinweise auf asylrechtlich beachtliche Tatsachen außer Acht gelassen und es etwa verabsäumt hätte, ausgehend von der in der Berufungsverhandlung vom Beschwerdeführer gegebenen Erklärung für das Verhalten der (damaligen) "Rebellen" zu ermitteln, dass Angehörige bestimmter christlicher Konfessionen zur Zeit der behaupteten Ausreise des Beschwerdeführers aus Liberia in einer dem Staat zurechenbaren Weise von den dortigen "Rebellen" verfolgt worden seien und dass der zu einem Gottesdienst der baptistischen Kirche "eingeladene" Beschwerdeführer zu dieser Personengruppe gezählt hätte, oder dass von den derzeitigen Machthabern in Liberia eine gruppenspezifische Verfolgung dieser oder anderer Art, von der der Beschwerdeführer betroffen wäre, zu befürchten sei. Dem allein ins Treffen geführten rechtlichen Argument des Beschwerdeführers, die Gefahr der Verfolgung aus einem der in der FlKonv angeführten Gründe müsse sich nicht "zielgerichtet" gegen den Asylwerber als Einzelperson richten, kommt unter diesen Umständen keine Bedeutung zu. Ungeachtet der Frage, ob es bei Anlegung des in § 7 AsylG vorgegebenen Prüfungsmaßstabes richtig sein kann, auf die Größe des von einer bestimmten Verfolgungsgefahr betroffenen Personenkreises abzustellen, kann eine Verfolgungsgefahr nämlich nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie auf einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe beruht. In der fehlenden Anknüpfung an ein asylrechtlich relevantes Merkmal und nicht in der Größe des betroffenen Personenkreises ist der Grund dafür zu sehen, dass die durch Krieg und Bürgerkrieg ausgelösten Gefahren für sich allein in der Regel nicht geeignet sind, den Anspruch auf Asylgewährung zu begründen. Welche über das Andauern von "Kämpfen" hinausgehenden Verfolgungsgefahren dem Beschwerdeführer bei einem Verbleib in seinem Heimatland oder im Falle seiner nunmehrigen Rückkehr dorthin gedroht hätten bzw. drohen würden, ist aber auch der Beschwerde nicht zu entnehmen, weshalb sie in der Frage der Asylgewährung nicht erfolgreich sein kann.

Zum abschließend vorgetragenen Argument, die belangte Behörde hätte (gemeint wohl: im Falle der Abweisung der Berufung) "bei richtiger Ermessensausübung" gemäß § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG eine non-refoulement-Prüfung vornehmen und feststellen müssen, eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Heimatstaat, "aber auch in einen Nachbarstaat", sei nicht zulässig, ist - abgesehen vom Ausschluss derartiger Feststellungen in Bezug auf einen Nachbarstaat schon durch den Wortlaut des § 8 AsylG - gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Erkenntnisse vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0352, und vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0365, zu verweisen. Die Vornahme einer non-refoulement-Prüfung durch die Berufungsbehörde ist danach in den Fällen, in denen die erstinstanzliche Entscheidung vor dem 1. Jänner 1998 erging, keine Frage des Ermessens, sondern unzulässig.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Hinsichtlich der zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtes nicht

veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 16. September 1999

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