VwGH 99/20/0364

VwGH99/20/036416.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über den Antrag des unabhängigen Bundesasylsenates auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der mit hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1999, Zl. 99/20/0001, entschiedenen Beschwerdesache betreffend Asylgewährung, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §39 Abs1 Z1;
VwGG §39 Abs1;
VwGG §39 Abs2;
VwGG §43 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §39 Abs1 Z1;
VwGG §39 Abs1;
VwGG §39 Abs2;
VwGG §43 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1999, Zl. 99/20/0001, wurde über Beschwerde des Bundesministers für Inneres der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Dezember 1998, Zl. 204.148/0-II/04/98, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In der Begründung dieses Erkenntnisses wurde gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0220, verwiesen, weil dieser Beschwerdefall in allen für seine Erledigung wesentlichen Punkten jenem gleiche, der dem hg. Erkenntnis vom 30. September 1998 zugrunde gelegen sei. Die Beschwerde des Bundesministers für Inneres wurde der belangten Behörde - der antragstellenden Partei dieses Wiedereinsetzungsverfahrens - am 29. Jänner 1999 gemäß § 36 Abs. 1 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen acht Wochen eine Gegenschrift einzubringen. Die Frist zur Erstattung einer Gegenschrift endete somit am 26. März 1999.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragte sie allerdings nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof erkannte über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres in einer nichtöffentlichen Sitzung.

Mit dem vorliegenden, am 8. Juli 1999 überreichten und somit - berechnet ab der Zustellung des Erkenntnisses vom 20. Mai 1999 - innerhalb der Frist des § 46 Abs. 3 VwGG eingebrachten Antrag begehrt die belangte Behörde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der Durchführung der mündlichen Verhandlung mit der zusammengefassten Begründung, sie habe die betreffende Antragsstellung deshalb unterlassen, weil sie nicht damit gerechnet habe, dass der Verwaltungsgerichtshof "die mündliche Erörterung der aufgeworfenen Rechtsfrage im Beisein eines Vertreters der belangten Behörde nicht für erforderlich" halten und gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des Erkenntnisses vom 30. September 1998 verweisen würde. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid die Richtigkeit der in diesem Erkenntnis vertretenen Rechtsauffassung unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angezweifelt. Überdies habe die belangte Behörde ihre Entscheidung in einem aus drei Mitgliedern bestehenden Senat gefällt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag darin jedoch kein die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Stellung eines Antrages auf Durchführung der mündlichen Verhandlung begründendes Vorbringen zu sehen:

Die antragstellende Partei behauptet nicht, sie habe einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung innerhalb der Frist zur Erstattung der Gegenschrift zu stellen vergessen oder von einer solchen Antragsmöglichkeit nicht gewusst. Sie meint, sie habe den Antrag deshalb nicht gestellt, weil sie damit gerechnet habe, der Verwaltungsgerichtshof werde ungeachtet eines nicht gestellten Parteienantrages die Durchführung der Verhandlung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 VwGG beschließen. In dieser Erwartungshaltung sei sie unvorhergesehen enttäuscht worden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Indem die antragstellende Behörde auf die Bestimmung des § 43 Abs. 2 VwGG mit dem Bemerken verweist, sie habe angesichts der in ihrem Bescheid zitierten (allerdings nicht einschlägigen) Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, die nach Auffassung der Antragstellerin ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt stützten, annehmen müssen, die Heranziehung dieser Bestimmung und die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof komme nicht in Betracht, will sie offenbar zum Ausdruck bringen, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht § 43 Abs. 2 leg. cit. herangezogen bzw. es sei der Antragstellerin bei Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung lediglich ein Rechtsirrtum minderen Grades unterlaufen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend von der Auslegung des Begriffes "Ereignis" im Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A, in jüngerer Zeit wiederholt die Auffassung vertreten, auch ein Rechtsirrtum könne als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen und es sei, wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht werde, im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl. dazu im Einzelnen den hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0253, und die dort angeführte Judikatur).

Dass der dem hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1999, Zl. 99/20/0001, zugrunde liegende Beschwerdefall in allen für seine Erledigung wesentlichen Punkten jenem gleicht, der dem Erkenntnis vom 30. September 1998 zugrunde liegt, wird auch von der antragstellenden Partei konkret nicht bestritten. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG genügt es zur Begründung eines Erkenntnisses, soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, diese anzuführen. Bereits vor der Sitzung vom 20. Mai 1999, in der über die Beschwerde zur hg. Zl. 99/20/0001 erkannt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 1999, Zlen. 98/20/0486; 98/20/0473;

98/20/0502; 98/20/0498; 98/20/0487; vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0538; vom 25. März 1999, Zlen. 98/20/0554; 98/20/0537;

99/20/0018; 98/20/0480; 98/20/0485; 98/20/0535; 98/20/0565;

98/20/0572), denen die idente Sach- und Rechtsfrage (Wegfall der Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion infolge Inkrafttretens des Asylgesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998) zugrunde lag, ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des Leiterkenntnisses vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0220, verwiesen. In einer erheblichen Anzahl dieser Beschwerdefälle (vgl. dazu etwa das Verfahren zur hg. Zl. 98/20/0473, das mit Erkenntnis vom 21. Jänner 1999 abgeschlossen und der belangten Behörde am 23. Februar 1999 zugestellt wurde, weiters die Verfahren zu den hg. Zlen 98/20/0554;

98/20/0553; 98/20/0565) hatte sich die antragstellende Behörde in den jeweils erstatteten Gegenschriften ausdrücklich gegen die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. September 1998 ausgedrückte Rechtsauffassung unter Verweis auf den dem Verfahren zur Zl. 99/20/0001 zugrundeliegenden Bescheid, also mit gleich lautenden Argumenten, gewendet. Der Verwaltungsgerichtshof sah sich deshalb nicht veranlasst, von seinem im Erkenntnis vom 30. September 1998 vertretenen Standpunkt abzugehen.

Die Heranziehung des § 43 Abs. 2 VwGG in dem hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1999, Zl. 99/20/0001, konnte für die belangte Behörde daher keine Überraschung sein. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die diesem Erkenntnis zugrunde liegende Entscheidung in einer Zusammensetzung von drei Mitgliedern der belangten Behörde getroffen worden war.

Im Übrigen ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die Begründungserleichterung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG aber auch nicht Rechtsbedingung für ein Absehen von einer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Beantragt eine der Parteien innerhalb der Frist des § 39 Abs. 1 Z 1 leg. cit. nicht die Durchführung der Verhandlung, so hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde lediglich dann eine Verhandlung durchzuführen, wenn der Berichter oder der Vorsitzende die Durchführung der Verhandlung für zweckmäßig erachtet oder der Senat sie beschließt. Indem die belangte Behörde von der ihr bekannten Möglichkeit der Antragstellung gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 leg. cit. keinen Gebrauch machte, überließ sie es dem Verwaltungsgerichtshof darüber zu befinden, ob eine mündliche Verhandlung zweckmäßig bzw. erforderlich sei. Dabei musste die belangte Behörde davon ausgehen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf deren Zusammensetzung durch rechtskundige Mitglieder annehmen durfte, die belangte Behörde selbst sehe es als nicht erforderlich an, die in ihrem Bescheid ausführlich dargelegten und in der Gegenschrift ergänzten Argumente mit ihr in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern. Auch dem Wiedereinsetzungsvorbringen kann nicht entnommen werden, warum der erkennende Senat des Verwaltungsgerichtshofes (dennoch) eine mündliche Erörterung der Beschwerdesache als zweckmäßig bzw. erforderlich hätte ansehen sollen. Insbesondere vor dem Hintergrund der angeführten zahlreichen gleich lautenden Erkenntnisse zu der identen Sach- und Rechtsfrage lässt sich dem Wiedereinsetzungsantrag nicht nachvollziehbar entnehmen, warum die Antragstellerin eine die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nur nahelegende Vorstellung dahingehend hätte haben dürfen, der Verwaltungsgerichtshof werde gemäß § 39 Abs. 1 Z 2 VwGG eine mündliche Verhandlung beschließen, obwohl die antragstellende Behörde als damals belangte Behörde durch Unterlassung einer Antragstellung nach § 39 Abs. 1 Z 1 leg. cit. zu erkennen gegeben hatte, sie sehe eine mündliche Verhandlung als nicht erforderlich an.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG war dem Antrag auf Wiedereinsetzung somit nicht stattzugeben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf § 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 16. September 1999

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