VwGH 99/20/0310

VwGH99/20/031016.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des NM in Wien, geboren am 14. Dezember 1971, vertreten durch Mag. Christian Tropsch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Naglergasse 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 1999, Zl. 206.785/1-III/08/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 6 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §3;
AsylG 1997 §44 Abs2;
AsylG 1997 §44 Abs3;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
AVG §13a;
AVG §6 Abs1;
AsylG 1997 §3;
AsylG 1997 §44 Abs2;
AsylG 1997 §44 Abs3;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
AVG §13a;
AVG §6 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am 26. Jänner 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. Jänner 1997 einen Asylantrag, der vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 4. April 1997 abgewiesen wurde. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 1997 abgewiesen. Diesen Bescheid focht der Beschwerdeführer mit der zur hg. Zl. 97/01/0758 protokollierten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof an, wodurch das Verfahren mit 1. Jänner 1998 gemäß § 44 Abs. 2 AsylG in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurücktrat. Der vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 44 Abs. 3 AsylG gefasste Beschluss vom 12. Mai 1999 langte am 21. Juni 1999 beim unabhängigen Bundesasylsenat ein.

Mit Schriftsatz vom 30. Juli 1998 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 18. Jänner 1999 gemäß § 6 Z. 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab, was vor allem damit begründet wurde, dass sich die Behauptungen des Beschwerdeführers über die schon in seinem Heimatland erlittene Verfolgung und die ihm im Jänner 1997 dabei angeblich zuteil gewordenen Misshandlungen als wahrheitswidrig erwiesen hätten, weil sich der Beschwerdeführer - zugestandenermaßen - seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1999 bestätigte die belangte Behörde diese Entscheidung.

Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Zweitantrag des Beschwerdeführers wurde während des offenen Berufungsverfahrens über seinen ersten Asylantrag gestellt. Dass die Entscheidungsfrist für die Berufungsbehörde gemäß dem Schlusssatz des § 44 Abs. 3 AsylG erst mit dem Einlangen des vom Verwaltungsgerichtshof gefassten Beschlusses vom 12. Mai 1999 beim unabhängigen Bundesasylsenat zu laufen begann, ändert nichts daran, dass das Verfahren gemäß § 44 Abs. 2 AsylG schon mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Jänner 1998 in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurückgetreten war.

Im Zweitantrag des Beschwerdeführers wurde einleitend dargelegt, der Beschwerdeführer habe die Abweisung seiner Berufung gegen die Entscheidung über den Erstantrag mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft. Nach "rechtskräftiger Abweisung" seines Asylantrages habe sich die Situation in seinem Heimatland entscheidend geändert, wodurch sich die Situation für die Partei des Beschwerdeführers eher noch verschärft habe. Der Beschwerdeführer sei in Österreich "seit mehr als einem Jahr" für seine Partei exilpolitisch tätig gewesen, weshalb ihm - in Verbindung mit den schon im ersten Verfahren vorgebrachten Tatsachen - aus näher dargestellten Gründen gemäß § 7 AsylG Asyl zu gewähren sei.

Dass der Beschwerdeführer dies in einem an das Bundesasylamt gerichteten Zweitantrag und nicht im Berufungsverfahren über seinen Erstantrag vortrug, hätte die Behörde erster Instanz - in Verbindung mit der einleitenden Bezugnahme des Beschwerdeführers auf die vermeintlich "rechtskräftige Abweisung" des Erstantrages - auf die Unkenntnis der im § 44 Abs. 2 AsylG angeordneten und schon vor der Stellung des Zweitantrages ex lege eingetretenen, dem Beschwerdeführer aber noch nicht in der Form eines gemäß § 44 Abs. 3 AsylG gefassten Beschlusses besonders zur Kenntnis gebrachten Rechtsfolge zurückführen müssen. Unter diesen Umständen hätte die Behörde erster Instanz den (zunächst) unvertretenen Beschwerdeführer entsprechend anzuleiten und den Zweitantrag, falls der Beschwerdeführer nicht auf dessen gesonderter erstinstanzlicher Erledigung beharrt hätte, zur Einbeziehung in das Berufungsverfahren an die Berufungsbehörde weiterzuleiten gehabt. Zur inhaltlichen Entscheidung darüber, ob dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren sei, war die Behörde erster Instanz während des anhängigen Berufungsverfahrens über dieselbe Frage hingegen nicht zuständig, was die belangte Behörde von Amts wegen aufzugreifen gehabt hätte (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 25 zu § 6 AVG, dargestellte Rechtsprechung).

Da die belangte Behörde dies verkannte, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

In der Sache selbst ist darauf hinzuweisen, dass die strengen Voraussetzungen des § 6 (hier: Z. 3) AsylG sowohl in Bezug auf die "Vor-" als auch auf die "Nachfluchtgründe" zutreffen müssen, wenn der Asylwerber Gründe sowohl der einen als auch der anderen Art geltend macht und die Entscheidung auf die erwähnte Gesetzesstelle gestützt werden soll. Der erstinstanzliche Bescheid, auf dessen Begründung die belangte Behörde im Wesentlichen bloß verwies, war in dieser Hinsicht bezüglich der behaupteten exilpolitischen Tätigkeit des Beschwerdeführers schon wegen der ausdrücklichen Ausklammerung der Tätigkeit in Deutschland und darüber hinaus auch deshalb nicht ausreichend begründet, weil ohne Auseinandersetzung mit der Authentizität des mit dem Schriftsatz vom 30. Dezember 1998 vorgelegten Schreibens nicht "offensichtlich" sein konnte, dass sich der Beschwerdeführer nicht für die von ihm genannte Partei als deren Mitglied exilpolitisch betätigt hatte, und die Gründe, aus denen die Behörde erster Instanz einer solchen Betätigung die Asylrelevanz absprach, mit dem herangezogenen Abweisungsgrund nichts zu tun hatten und auch sonst nicht geeignet waren, die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrages - soweit sich dieser auf die behauptete exilpolitische Tätigkeit stützte - darzutun.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. September 1999

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