VwGH 99/19/0160

VwGH99/19/016015.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1970 geborenen AM in K, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1999, Zl. 117.056/3-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
FrG 1997 §88;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
FrG 1997 §88;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 13. Juni 1996 (beim Landeshauptmann von Wien eingelangt am 18. Juni 1996) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Unter Punkt 4. "Aufenthaltszweck" des Antragsformulars wurde weder die Rubrik der beabsichtigten Ausübung einer unselbstständigen, noch jene der beabsichtigten Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit angekreuzt. Ebenso wenig wurde die Rubrik "Bezeichnung des beabsichtigten Berufes" ausgefüllt. Als erlernter Beruf wurde "Kindergärtnerin" angegeben.

Unter der Rubrik Aufenthaltszweck Schule, Studium oder Berufsausbildung wurde "Kindergärtnerin" ausgefüllt. Als Ausbildungsstätte wurde die Bundes-Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik angeführt.

In der Rubrik "privater bzw. sonstiger Aufenthalt" wurde (nur) ein schräger Strich angebracht.

Zur Sicherung ihres Unterhaltes in Österreich berief sich die Beschwerdeführerin neben einem Bankguthaben auf die Verpflichtungserklärung einer österreichischen Bekannten mit Wohnsitz im 23. Wiener Gemeindebezirk. Als gesicherte Unterkunft der Beschwerdeführerin im Inland gab sie eine Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk an.

Den Verwaltungsakten ist ein Abschlussdiplom des Abiturientenlehrganges für Lehrerausbildung, Spezialfach "Vorschulerziehung", vom 17. Juni 1991, für die Beschwerdeführerin ausgestellt vom Abiturientenlehrgang für Lehrerausbildung "S" in Krakau, Polen, angeschlossen.

Weiters findet sich in den Verwaltungsakten ein Bescheid der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 28. Dezember 1995, wonach dieses Abschlussdiplom nach erfolgreicher Ablegung näher in diesem Bescheid angeführter Prüfungen als ein in der Republik Österreich gültiges "Reife- und Befähigungsprüfungszeugnis für Kindergärten" anerkannt werde.

Schließlich erliegt in den Verwaltungsakten eine Bestätigung der Bundes-Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik vom 30. April 1996, wonach die Beschwerdeführerin an diesem Institut als Externistin gemeldet ist, mit der Beifügung "FÜR NOSTRIFIKATION

D. ZEUGNISSES".

Auch wurde die Verpflichtungserklärung der österreichischen Bekannten der Beschwerdeführerin vorgelegt. Darin heißt es, diese Bekannte lade die Beschwerdeführerin "zu einem Besuch in der Dauer von 6 Monaten" ein. Sie verpflichte sich, für den Unterhalt und die Unterkunft der Beschwerdeführerin aufzukommen, sowie näher genannten Rechtsträgern die Kosten zu ersetzen, die diesen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Beschwerdeführerin erwachsen könnten.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Februar 1997 wies dieser den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 18. Juni 1996 mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit Verfügung vom 23. Juli 1998 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, den genauen Aufenthaltszweck bekannt zu geben. Sie wies darauf hin, dass eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 19 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) nur dann erteilt werden könne, wenn der Antragsteller näher bezeichnete ausländerbeschäftigungsrechtliche Dokumente vorlege. Weiters forderte sie die Beschwerdeführerin auf, für den Fall einer weiteren Ausbildung zur Kindergärtnerin eine Bestätigung der Bundes- und Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen über die Aufnahme und Weiterbildung beizubringen.

Auf diesen Vorhalt reagierte die Beschwerdeführerin nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Februar 1999 wies diese den Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. Juni 1996 gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und § 10 Abs. 3 FrG 1997 ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 18. Juni 1996 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (nunmehr Niederlassungsbewilligung) für den Aufenthaltszweck "Privat" gestellt. Dieser Antrag sei nach Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten gewesen.

Sodann führte die belangte Behörde mit näherer Begründung aus, weshalb es der Beschwerdeführerin an eigenen Unterhaltsmitteln, an einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung und an einer ortsüblichen Unterkunft mangle. Darüber hinaus legte die belangte Behörde dar, dass gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgrund einer Verpflichtungserklärung ausgeschlossen sei.

Schließlich habe es die Beschwerdeführerin auch unterlassen, eine (aktuelle) Bestätigung der Bundes- und Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen beizubringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7 Abs. 1 und Abs. 4, § 10 Abs. 3 und § 112 FrG 1997 lauten

(auszugsweise):

"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als

  1. 1. Aufenthaltserlaubnis oder
  2. 2.

    Niederlassungsbewilligung

    erteilt.

    ...

(4) Drittstaatsangehörige brauchen eine Aufenthaltserlaubnis, wenn

1. ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung dient;

...

§ 10. ...

...

(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 2 Z 1 oder 2 ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung ist unzulässig.

...

§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Soweit sich hiedurch die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergibt, ist die Sache ungeachtet ihres Verfahrensstandes der zuständigen Behörde erster Instanz abzutreten."

Die Beschwerdeführerin erklärt in der Beschwerde, sie begehre die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit dem Aufenthaltszweck Schüler bzw. Student. Eine solche könne auch aufgrund der vorgelegten Verpflichtungserklärung ausgestellt werden. Für die Entscheidung über die begehrte Aufenthaltserlaubnis sei die belangte Behörde jedoch unzuständig gewesen.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid offenbar davon aus, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag ausschließlich auf den Zweck des privaten Aufenthaltes gestützt habe.

Dem steht nun aber zunächst entgegen, dass sich die Beschwerdeführerin im Antragsformular ausdrücklich auf den Aufenthaltszweck der Schulausbildung zur Kindergärtnerin in der Bundes-Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik stützte. Eine Ausbildung zur Kindergärtnerin stellt nun aber ohne jeden Zweifel eine Schulausbildung im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG 1997 dar. In der Unterlassung der Beantwortung des Vorhaltes der belangten Behörde vom 23. Juli 1998 kann keine Zurücknahme der Geltendmachung dieses Aufenthaltszweckes erblickt werden.

Hingegen ist nach den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens nicht davon auszugehen, die Beschwerdeführerin habe sich auch auf den Aufenthaltszweck der selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit gestützt, führte sie doch in diesem Zusammenhang den Begriff "Kindergärtnerin" nur unter der Rubrik "erlernter Beruf" an.

Schließlich wurde im gegenständlichen Antrag die Rubrik "Privater, genau zu beschreibender Aufenthaltszweck" nicht angekreuzt, sondern gestrichen. Offenbar folgerte die belangte Behörde allein aus dem Umstand der Vorlage der in Rede stehenden Verpflichtungserklärung, dass sich die Beschwerdeführerin auch auf den privaten Aufenthaltszweck der Gemeinschaft mit ihrer Verpflichterin stütze.

Demgegenüber hat sich die Beschwerdeführerin aber in ihrem Antrag ausschließlich in Ansehung der ihr in Österreich verfügbaren eigenen Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer des Aufenthaltes auf die Verpflichtungserklärung einer in Österreich ansässigen Person berufen. Durch Streichung des Aufenthaltszweckes privater Aufenthalt hat die Beschwerdeführerin freilich zum Ausdruck gebracht, dass ihr beabsichtigter Aufenthalt nicht spezifisch auf eine Gemeinschaft mit dieser Person abzielte, sodass deren "Einladung" und Verpflichtung lediglich der Absolvierung der eigentlich beabsichtigten Ausbildung zur Kindergärtnerin dienen sollte.

Diese Interpretation wird insbesondere auch dadurch gestützt, dass die Adresse der sich verpflichtenden Person eine andere ist als diejenige, an der die Beschwerdeführerin im Falle der Erteilung der Bewilligung in Österreich zu wohnen beabsichtigte.

Schließlich zielt § 10 Abs. 3 FrG 1997 ja gerade darauf ab, ua. Fremden, die im Inland eine Schul- oder Universitätsausbildung zu absolvieren beabsichtigen, die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis trotz Vorliegens näher genannter Versagungsgründe zu ermöglichen, wenn sie eine Verpflichtungserklärung im Verständnis dieser Gesetzesbestimmung beibringen. Diesem Gesetzeszweck liefe die Interpretation der belangten Behörde zuwider, wonach der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung schon allein aufgrund der Tatsache, dass ihm eine Verpflichtungserklärung beigelegt wurde, nach Inkrafttreten des FrG 1997 nicht als solcher auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum ausschließlichen Zweck des Schulbesuches, sondern als ein solcher auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 zu werten sei.

Nach dem Vorgesagten hatte die belangte Behörde daher am 1. Jänner 1998 davon auszugehen, dass ihr ein ausschließlich auf den Aufenthaltszweck des Schulbesuches gestützter Antrag der Beschwerdeführerin vorlag.

§ 112 FrG 1997 ordnet nun an, dass bei Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängige Verfahren über einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung je nach dem Zweck des Aufenthaltes als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen sind. Dabei ist auf den im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung angegebenen Aufenthaltszweck abzustellen.

Dieser lag nach dem Vorgesagten ausschließlich in der beabsichtigten Schulausbildung. Soll aber nach dem Antragsinhalt der Aufenthalt ausschließlich dem Zweck des Schulbesuches dienen, so benötigt der Fremde gemäß § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG 1997 lediglich eine Aufenthaltserlaubnis.

Das Verfahren der Beschwerdeführerin wäre daher gemäß § 112 FrG 1997 als solches zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, nicht jedoch als solches zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung fortzuführen gewesen (vgl. hiezu auch das für den Fall der Geltendmachung des Aufenthaltszweckes des Studiums ergangene hg. Erkenntnis vom 10. September 1999, Zl. 98/19/0203).

Demnach wäre die belangte Behörde aber zu einer Sachentscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 13./18. Juni 1996 nicht zuständig gewesen. Sie hätte ihr Vorgehen vielmehr nach § 112 letzter Satz FrG 1997 zu richten, d.h. die Sache an die gemäß § 88 FrG 1997 zuständige Behörde (vorliegendenfalls die Bundespolizeidirektion Wien) abzutreten gehabt. Spätestens mit dieser Abtretung endet diesfalls die Entscheidungspflicht der Niederlassungsbehörde zweiter Instanz. Anders als bei einem infolge einer fehlerhaften Anwendung des § 112 FrG 1997 durch die erstinstanzliche Behörde unzuständigerweise erlassenen Bescheid (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0228) ist hier die Aufhebung des von der zuständigen Behörde erlassenen erstinstanzlichen Bescheides durch die Berufungsbehörde nicht geboten. Ein solcher erstinstanzlicher Bescheid erwächst nicht in Rechtskraft, weshalb an seine weitere Zugehörigkeit zum Rechtsbestand keine Rechtsfolgen zu knüpfen sind.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne dass auf die von der Beschwerdeführerin in ihrem ergänzenden Schriftsatz aufgeworfene Frage eingegangen werden musste, ob ihr Verfahren als solches zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder aber als solches zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenaufwand ist der Beschwerdeführerin nicht entstanden, weil sie von der Entrichtung der Pauschalgebühr mit dem ihr die Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluss vom 7. Mai 1999 befreit war.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den (neuerlichen) Antrag der Beschwerdeführerin, der vorliegenden Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. Oktober 1999

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