VwGH 99/18/0022

VwGH99/18/00229.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des JA, (geboren am 18. März 1964), in Linz, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 2. Dezember 1998, Zl. St-233/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 2. Dezember 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 23. März 1991 nach Österreich gelangt, indem er von Jugoslawien kommend mit sieben anderen Nigerianern und mit Hilfe eines Schleppers die Grenze unter Umgehung der Grenzkontrolle überschritten habe. Sein zwei Tage später gestellter Asylantrag sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. August 1991 abgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung habe er am 12. Jänner 1993 zurückgezogen. In der Folge seien ihm Aufenthaltsbewilligungen erteilt worden.

Folge man der mit dem Beschwerdeführer am 11. August 1998 bei der Bundespolizeidirektion Linz aufgenommenen Niederschrift, sei er außerehelicher Vater einer im 4. Lebensjahr stehenden Tochter einer österreichischen Staatsangehörigen. Mit der Kindesmutter lebe er seit Mitte 1995 nicht mehr zusammen. Auch seine jetzige Lebensgefährtin sei österreichische Staatsbürgerin, und sie würden beabsichtigen, in den nächsten Wochen zu heiraten.

Das Landesgericht Linz habe ihn mit Urteil vom 12. Dezember 1997 wegen des Verbrechens nach den §§ 15, 12 Abs. 1 und 2 SGG zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt, wobei das Urteil seit dem 22. Juni 1998 rechtskräftig sei. Diese Verurteilung wegen versuchten Suchtgifthandels habe zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes führte die belangte Behörde weiters aus, daß der Beschwerdeführer zwar darauf verweise, das Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz in untergeordneter Funktion ausgeübt und lediglich den Telefonkontakt zwischen anderen Beteiligten hergestellt zu haben, weshalb er die unbedingte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren als unangemessen betrachtet hätte. Es erübrige sich jedoch bei einer Verurteilung zu einer so hohen unbedingten Freiheitsstrafe, sich noch näher mit den Tatumständen auseinanderzusetzen. Im übrigen sei bei Suchtgiftgeschäften jener, der vom Hintergrund aus telefonisch die Kontakte herstelle, wohl keineswegs besser zu behandeln als der unmittelbare Dealer. Demzufolge sei es auch nicht mehr erforderlich gewesen, näher darauf einzugehen, ob die dem Beschwerdeführer weiters zur Last gelegten 15 Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit Verkehrsdelikten ihm zurechenbar seien oder nicht.

Die Art der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlung und die Schwere der erfolgten Bestrafung ließen nicht nur seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen, sondern rechtfertigten auch, daß das bei einer solchen Maßnahme eingeräumte Ermessen zu seinem Nachteil ausgeübt werde. Dadurch, daß er Vater eines im 4. Lebensjahr stehenden außerehelichen Kindes sei und mit einer österreichischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft lebe, werde zwar durch das Aufenthaltsverbot in sehr beträchtlichem Umfang in sein Privat- und Familienleben eingegriffen, es sei jedoch bei strafbaren Handlungen gegen das Suchtgiftgesetz das öffentliche Interesse, weitere strafbare Handlungen dieser Art zu unterbinden, als sehr hoch einzustufen. Art und Schwere des von ihm begangenen Deliktes ließen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation und die seiner Familie doch als nicht so schwerwiegend erscheinen wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, zumal das Ausmaß seiner sozialen Integration durch die von ihm begangene Straftat wesentlich herabgesetzt und bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr sehr groß sei. Da derzeit nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, wieder weggefallen sein würden, und er in dieser Richtung, außer daß er die Festsetzung der Dauer als unangemessen bezeichnet habe, nichts vorgebracht habe, habe die Erstbehörde zu Recht das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer vertritt indes die Meinung, daß in seinem Fall - entgegen der belangten Behörde - die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nicht gerechtfertigt sei. Während des gesamten Strafverfahrens habe er sich dahingehend verantwortet, daß er bei den ihm zur Last gelegten Fakten jeweils lediglich eine untergeordnete Rolle eingenommen und sich seine Absicht keinesfalls darauf erstreckt hätte, in weiterer Folge noch mehrere fortlaufende Suchtgiftdelikte zu begehen. Entgegen den Ausführungen im Strafurteil sei einziger Sinn und Zweck seines Telefonanrufes die einmalige Herstellung eines Kontaktes zwischen dem Suchtgiftdealer in Holland und den mit ihm Verurteilten gewesen. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ließe sich eine negative Zukunftsprognose nicht rechtfertigen und seien qualifizierte Gründe für eine Tatbegehungsgefahr nicht gegeben. Aufgrund ihrer Verpflichtung zur Amtswegigkeit hätte die belangte Behörde auf seine strafrechtliche Verantwortung eingehen müssen, sei diese doch bei der Erstellung der Zukunftsprognose von wesentlicher Bedeutung.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers liegt, wie die Beschwerde selbst vorbringt, zugrunde, daß er nach Ansicht des Gerichtes zusammen mit seinen beiden Mitangeklagten versucht habe, gewerbsmäßig in den Drogenhandel einzusteigen und daraus auch eine fortlaufende Einnahme zu erzielen, womit er den Tatbestand des § 15 StGB, § 12 Abs. 1 und 2 SGG erfüllt habe. Wenn auch die Fremdenpolizeibehörde die Beurteilung, ob die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Fremden erforderlich ist, eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdengesetzes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung vorzunehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0358, mwN), so steht das tatbestandsmäßige Verhalten des Beschwerdeführers iS der genannten Strafbestimmungen aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung bindend fest. In Anbetracht des Suchtgifthandels und der gewerbsmäßigen Begehungsweise, somit der Absicht des Beschwerdeführers, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß sein Fehlverhalten im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründe und somit die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, keinen Bedenken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170, mwN).

Daß der Beschwerdeführer - wie er vorbringt - aktiv in einem Arbeitsprozeß gestanden und mit Ausnahme der genannten Straftat und diverser Verwaltungsübertretungen niemals besonders negativ aufgefallen sei, er sich zu keinem Zeitpunkt im klassischen Umfeld der schwarzafrikanischen Suchtgiftdealer befunden und zu den mitverurteilten Personen praktisch keinen Kontakt mehr habe, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Ebensowenig reicht die seit der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers verstrichene Zeit aus, um eine zuverlässige Prognose über ein zukünftiges Wohlverhalten stellen zu können, zumal er laut dem Beschwerdevorbringen die Strafhaft noch verbüßt.

2.3. Vor diesem Hintergrund ist die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte auf seine Verantwortung im Strafverfahren eingehen und feststellen müssen, daß es sich bei den zu seiner Verurteilung führenden Umständen um einen Einzelfall gehandelt habe, nicht zielführend.

3.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid überdies im Grunde des § 37 FrG für rechtswidrig. Dem Beschwerdeführer sei aufgrund der langen Dauer seines Aufenthaltes ein gewisses Ausmaß an Integration zuzubilligen, und er sei aktiv in einem Arbeitsprozeß gestanden. Seine Beziehungen zu Österreich seien von einer Intensität, wie sie höher nicht sein könnten. Er sei seit dem 23. Dezember 1998 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit der er zuvor in enger Lebensgemeinschaft gelebt habe, sofern das der Haftalltag zugelassen habe. Seine Ehegattin sei beruflich selbständig, führe ein Geschäft und pflege neben ihrer beruflichen Tätigkeit auch noch ihre zwei pflegebedürftigen Großeltern mütterlicherseits. Aufgrund eines Verkehrsunfalles vor 15 Jahren würden im Bereich ihrer oberen Halswirbel immer wieder Nerven eingeklemmt, was zur teilweisen Lähmung ihrer Extremitäten führen könne. Nach der für sie unumgänglichen, nicht weiter aufschiebbaren Operation werde sie mehrere Monate an den Rollstuhl gebunden sein, weshalb geplant sei, daß der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung die Pflege der Großeltern seiner Ehegattin übernehmen werde. Weiters befinde sich in Österreich sein vierjähriges außereheliches Kind, zu dem er nach der Haftentlassung wiederum die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme haben werde.

3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer Vater eines im 4. Lebensjahr stehenden außerehelichen Kindes und Lebensgefährte einer Österreicherin sei, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben iS des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Wenn sie - unter gebührender Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - die maßgeblichen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit für so gewichtig erachtet hat, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, so kann dieser den genannten öffentlichen Interessen den Vorrang einräumenden Wertung angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Im Hinblick auf dieses äußerst große öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte die Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Die aus seinem Aufenthalt in Österreich, seiner Lebensgemeinschaft und seiner Beziehung zu seinem außerehelichen Kind ableitbare Integration hat - von der belangten Behörde richtig erkannt - in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das von ihm begangene Suchtgiftdelikt eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Was den in der Beschwerde vorgebrachten Umstand anlangt, der Beschwerdeführer habe am 23. Dezember 1998, somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, seine Lebensgefährtin geheiratet, so konnte dieser schon deshalb nicht ins Gewicht fallen, weil er von der belangten Behörde aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte. Ebenso ist aus der behaupteten Pflegebedürftigkeit der Großeltern seiner Ehegattin bzw. früheren Lebensgefährtin nichts für den Standpunkt des Beschwerdeführers gewonnen, weil der Beschwerde nicht zu entnehmen ist, daß diese Pflege nur von ihm erbracht werden könnte. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den Kontakt zu seinem - offensichtlich nicht mit ihm im Haushalt lebenden - Kind ist zu erwidern, daß die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Einschränkung - auch in Bezug auf den Kontakt zu seinen Angehörigen - im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden muß.

3.3. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen ist der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, das Privat- und Familienleben in ausreichendem Maß zu erheben, der Boden entzogen.

4. Schließlich versagt auch die Rüge des Beschwerdeführers, daß die belangte Behörde das ihr in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt habe. Denn eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines (nach den sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 36 bis 38 FrG) zulässigen Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. würde offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen, wenn der Fremde - wie vorliegend - wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. den hg. Beschluß vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 9. Februar 1999

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