VwGH 99/16/0043

VwGH99/16/004325.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der A GmbH in L, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Dr. Robert Steiner und Mag. Boris Knirsch, Rechtsanwälte in Wien I, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. November 1998, Zl. GA 9-506/96, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

GrEStG 1987 §1 Abs2;
GrEStG 1987 §1 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin schloss am 29. Jänner 1992 mit der Komarek Immobilien GmbH eine Vereinbarung folgenden Inhalts:

"I.

Die Parteien halten zunächst fest, daß der wirtschaftliche Zweck dieses Vertrages darin besteht, daß sich die Anton Helm Gesellschaft m.b.H. zur Hälfte an den Kosten des Ankaufes von 194/3464 Anteilen, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr. 23, der Liegenschaft EZ. 890 Grundbuch Fünfhaus beteiligt und daß sie auch die Hälfte des seinerzeitigen zu erzielenden Kaufpreises beim Weiterverkauf dieser Liegenschaftsanteile erhält. Grundbücherlicher Eigentümer soll aber lediglich die Komarek Immobilien Gesellschaft m.b.H. werden.

II.

Demgemäß verpflichtet sich die Anton Helm Gesellschaft m.b.H. zum Erwerb der 194/3464 Anteile der Liegenschaft EZ. 890 Grundbuch Fünfhaus sowie zur Bezahlung der Grunderwerbsteuer den Betrag von

S 698.625,-- (Schilling sechshundertachtundneunzigtausendsechshundertfünfundzwanzig) an den Verkäufer beziehungsweise an das Finanzamt zu bezahlen.

III.

Bei Verkauf der Liegenschaftsanteile verpflichtet sich die Komarek Immobilien Gesellschaft m.b.H. die Hälfte des Verkaufserlöses an die Anton Helm Gesellschaft m.b.H. zu bezahlen.

IV.

Die Kosten der Errichtung und Durchführung dieses Vertrages und alle für dieses Rechtsgeschäft zu entrichtende Steuern, Gebühren und Abgaben tragen beide Vertragsteile gleichteilig."

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern schrieb für diesen Vorgang Grunderwerbsteuer vor, wogegen die Beschwerdeführerin mit der Begründung berief, es sei nicht ein Treuhandverhältnis, sondern nur eine "Kostenbeteiligung (Darlehen)" vereinbart worden.

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie vorbrachte, sie habe keinerlei Verfügungsmacht über die Wohnung erlangt und auch nicht erlangen wollen. Ihre Vertragspartnerin habe das Darlehen benötigt, um die Wohnung überhaupt kaufen zu können.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Meinung, es sei der Tatbestand gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG 1987 erfüllt. Die Beschwerdeführerin habe die Möglichkeit erlangt, die Liegenschaft zu verwerten, weil vereinbart worden sei, dass sie bei der Weiterveräußerung die Hälfte des zu erzielenden Kaufpreises erhalten werde. Sie habe damit ein wesentliches Recht erhalten, wie es sonst nur dem Eigentümer einer Liegenschaft zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Grunderwerbsteuerfreiheit verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG 1987 unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruches auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

Nach der hg. Judikatur versteht man unter Verschaffung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verfügungsmacht die Übertragung aller oder einzelner aus dem Eigentumsrecht fließenden Machtbefugnisse über ein Grundstück, ohne Übertragung des Übereignungsanspruches (vgl. dazu Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, 3. Teil Grunderwerbsteuergesetz 1987, Rz 254 Abs. 1 zu § 1 GrEStG). Für die Steuerpflicht bedarf es nicht aller wesentlichen sich aus dem Eigentumsrecht ergebenden Befugnisse, es genügt vielmehr schon, dass der Dritte das eine oder andere wesentliche Recht des Eigentümers eines Grundstückes besitzt, um abgabepflichtig zu werden (Fellner a.a.O. Rz 255 Abs. 1). Eines dieser wesentlichen Rechte des Eigentümers ist jedenfalls die Entscheidung darüber, an wen der Verkauf des Objektes erfolgt (siehe dazu die bei Fellner a.a.O. Rz 255 Abs. 2 angeführte hg. Rechtsprechung).

Der nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerpflichtige Erwerb des Rechtes zur Verwertung eines Grundstücks "auf eigene Rechnung" erfordert nicht nur, dass der Berechtigte (wie im Beschwerdefall) am wirtschaftlichen Ergebnis einer Verwertung des Grundbesitzes teil hat, sondern dass er diese Verwertung auch selbst herbeiführen, das heißt vom Grundstückseigentümer die Veräußerung des Grundstücks an bestimmte Personen verlangen kann (vgl. dazu die bei Fellner a.a.O. Rz 268 Abs. 4 referierte Rechtsprechung des BFH).

Wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung des hier in Rede stehenden Steuertatbestandes ist eine Bindung des Eigentümers dergestalt, dass der Ermächtigte die Möglichkeit hat, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen die Verfügungsmacht über die Liegenschaft auszuüben (vgl. die bei Fellner a.a.O. Rz 274 Abs. 1 angeführte hg. Rechtsprechung).

Da im vorliegenden Fall aus der getroffenen Vereinbarung lediglich eine wirtschaftliche Beteiligung der Beschwerdeführerin am Veräußerungserlös abzuleiten ist, nicht aber irgendein Einwirkungsrecht der Beschwerdeführerin dahin ob ihre Vertragspartnerin die Liegenschaft in der Folge überhaupt veräußert bzw. an wen, hat die belangte Behörde die getroffene Vereinbarung zu Unrecht dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1987 unterstellt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei die Entscheidung mit Rücksicht auf die durch die oben angeführten Belegstellen klargestellte Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 25. November 1999

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