VwGH 99/03/0078

VwGH99/03/007826.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des H G in O, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Rudolf Pototschnig, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Peraustraße 31, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Jänner 1999, Zl. UVS-3/10.783/2-1999, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Verwaltungsstrafsache betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1297;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1297;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 12. November 1997 wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 bestraft. Dieses Straferkenntnis wurde ihm am 8. Dezember 1997 zugestellt.

Mit Schreiben vom 21. Februar 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das angeführte Straferkenntnis). Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 8. Dezember 1997 "gegen das eben erst erhaltene Straferkenntnis Berufung dem Grunde und der Höhe nach eingelegt" und diese in einen näher bezeichneten Postkasten eingeworfen habe. Am 19. Februar 1998 habe er telefonisch von der erstinstanzlichen Behörde erfahren, dass die Berufung dort nie eingelangt sei.

Diesen Antrag wies die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg mit Bescheid vom 26. November 1998 gemäß § 71 Abs. 1 AVG zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Berufung gegen das Straferkenntnis noch am selben Tag, an dem er dieses erhalten habe, zur Post gegeben habe. Diese Berufung sei bei der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg niemals eingelangt. Es sei zwar im Gesetz nicht vorgesehen, dass eine Berufung "per eingeschriebenem Brief" eingebracht werden müsse, die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei aber nur möglich, wenn den Beschwerdeführer keine Schuld an der Fristversäumnis treffe. Im Beschwerdefall sei "eine gewisse Teilschuld" des Beschwerdeführers nicht von der Hand zu weisen, weil es ihm zumutbar gewesen wäre, die Berufung mittels eingeschriebenen Briefes an die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg zu schicken.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass das Wort "zurückgewiesen" durch das Wort "abgewiesen" zu ersetzen sei. Nach der Begründung sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg "nur durch Einwurf in einen Briefkasten" zur Aufgabe gebracht habe. Dabei sei ihm entgegenzuhalten, dass eine Partei, die entgegen der allgemein zu erwartenden prozessualen Voraussicht eine fristgebundene Eingabe (hier: Berufung) nicht "eingeschrieben" zur Post gebe, sondern lediglich in einen Postkasten werfe, das Risiko auf sich nehme, den geforderten Gegenbeweis im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen zu können. Bei diesem Vorgehen handle es sich um ein äußerst sorgloses Verhalten des Beschwerdeführers. Die Beförderung eines Schriftstückes durch die Post gehe immer zu Lasten und Gefahr des Absenders. Aus diesem Grund sei im Beschwerdefall auch nicht von einem minderen Grad des Versehens auszugehen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverahren geltenden § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer die Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 12. November 1997 versäumt, weil die von ihm - nach der ausdrücklichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde im Zusammenhalt mit dem erstinstanzlichen Bescheid rechtzeitig - in einen Postkasten eingeworfene Berufung nicht bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt ist. Diesen Umstand hat der Beschwerdeführer offensichtlich nicht miteinberechnet, sein Eintritt konnte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Postverkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden. Im Sinne der von der hg. Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1994, Zlen. 94/16/0066, 0067) liegt daher ein unvorhergesehenes Ereignis vor. Dass der Beschwerdeführer die Berufung nicht "eingeschrieben" zur Post gegeben hat, kann ihm entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden angerechnet werden, weil er auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe im Postverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich mit dem Einlangen der Berufung bei der erstinstanzlichen Behörde rechnen konnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar im Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0400, ausgesprochen, dass eine Partei, die entgegen der allgemein zu erwartenden prozessualen Voraussicht eine fristgebundene Eingabe nicht "eingeschrieben" zur Post gebe, sondern lediglich in den Postkasten werfe, das Risiko auf sich nehme, den von ihr geforderten Gegenbeweis in Hinsicht auf die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen zu können; die dort angesprochene "allgemein zu erwartende prozessuale Vorsicht" bezieht sich jedoch im gegebenen Zusammenhang nur auf die Ausschaltung des Risikos der Nichterbringung des "Gegenbeweises in Hinsicht auf die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe". Diesen Beweis hat die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Behörde im Beschwerdefall jedoch als erbracht angesehen. Dass in der nicht bescheinigten Postaufgabe einer fristgebundenen Eingabe von vornherein ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes und damit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Verschulden zu erblicken sei, kann aus dem angeführten Erkenntnis nicht abgeleitet werden.

Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte