VwGH 99/03/0054

VwGH99/03/005426.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des J A in M, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 19a, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 12. Jänner 1999, Zl. uvs-1998/16/220-9, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §101 Abs1 lita idF 1995/162;
KFG 1967 §4 Abs7a idF 1997/I/103;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;
KFG 1967 §101 Abs1 lita idF 1995/162;
KFG 1967 §4 Abs7a idF 1997/I/103;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

"am 22.02.1998 um/von 22.53 bis Uhr als Lenker des Sattel-Kfz, Kennzeichen (D), in Ebbs, Grenzübergang Kiefersfelden, A 12 Inntalautobahn, in Richtung Österreich

1. das Fahrzeug in Betrieb genommen, obwohl die Summe der Gesamtmasse, bei Sattel-Kfz abzüglich der größeren der höchsten zul. Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, eine dieser Sattellasten, von 40.000 kg durch die Beladung um 1.600 kg überschritten worden ist.

2. Anhänger-Kennzeichen:

Dadurch habe er "§ 102 iVm § 101/1a KFG" verletzt. Hiefür wurde er mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) bestraft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 102 Abs. 1 erster Halbsatz KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.

§ 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 (in der Fassung der 18. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 162/1995) ordnet an, dass die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 nur zulässig ist, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht, die höchsten zulässigen Achslasten und die größte Breite des Fahrzeuges sowie die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte eines Kraftfahrzeuges mit Anhänger, bei Sattelkraftfahrzeugen abzüglich der größeren der höchsten zulässigen Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, eine dieser Sattellasten, durch die Beladung nicht überschritten werden.

§ 4 Abs. 7a erster und zweiter Satz KFG 1967 (in der Fassung der 19. KFG-Novelle, BGBl. I Nr. 103/1997) sieht vor, dass bei Kraftfahrzeugen mit Anhängern die Summe der Gesamtgewichte sowie die Summe der Achslasten 38.000 kg, im Vorlauf- und Nachlaufverkehr mit kranbaren Sattelanhängern 39.000 kg und mit Containern und Wechselaufbauten 42.000 kg nicht überschreiten darf. Bei in einem EU-Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug sind die im ersten Satz genannten Gewichte um 5 vH., gerundet auf volle tausend Kilogramm, zu erhöhen.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass

"der übernommene Spruch des Straferkenntnisses davon spricht, dass die Summe der Gesamtmasse überschritten worden sei. § 101 Abs. 1 lit. a KFG spricht jedoch davon, dass das höchstzulässige Gesamtgewicht durch die Beladung nicht überschritten werden darf."

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach § 2 Abs. 1 Z. 30a KFG 1967 im Sinne dieses Bundesgesetzes als Gewicht oder Last eine Größe von der Art der Masse gemäß § 2 Z. 12 des Maß- und Eichgesetzes 1950-MEG 1950 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 174/1973 gilt. Im Bericht des Verkehrsausschusses (649 BlgNR 14. GP, 2, heißt es dazu, dass zufolge des neu gefassten § 2 Z. 12 MEG 1950 die durch Wägen feststellbare physikalische Größe nunmehr als "Masse" zu bezeichnen sei, während die Begriffe "Gewicht" und "Last" nicht mehr zu verwenden seien. Da diese Ausdrücke, insbesondere in Zusammensetzungen wie Gesamtgewicht, Eigengewicht, Achslast, usw., als Fachausdrücke des Kraftfahrwesens derzeit nicht ersetzbar seien, solle die Überleitung in Form einer Legaldefinition erfolgen.

In § 2 Abs. 1 Z. 32 KFG 1967 wird das Gesamtgewicht als das Gewicht des stillstehenden, fahrbereiten Fahrzeuges samt der Ladung, dem Lenker und allen gleichzeitig beförderten Personen definiert.

Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel, dass unter dem im - mit dem angefochtenen Bescheid übernommenen - Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verwendeten Begriff "Gesamtmasse" das Gesamtgewicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 32 KFG 1967 zu verstehen ist.

Dennoch ist der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand im Ergebnis berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 16. Jänner 1985, Slg. Nr. 11641/A, ausgesprochen, dass "durch die Übertretung des § 101 Abs. 1 lit. a KFG und durch die Übertretung des § 104 Abs. 9 leg. cit. ... zwei verschiedene Tatbilder verwirktlicht (werden), die einander nicht ausschließen, weil jedes für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden können". Diese Bestimmungen - in den damals geltenden Fassungen - normierten, dass die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 nur zulässig ist, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht, die höchsten zulässigen Achslasten und die größte Breite des Fahrzeuges durch die Beladung nicht überschritten werden (§ 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 in der Fassung BGBl. Nr. 362/82), und dass bei Kraftwagen mit Anhängern die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte, bei Sattelkraftfahrzeugen abzüglich der größeren der höchsten zulässigen Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, eine dieser Sattellasten 38.000 kg nicht überschreiten darf (§ 104 Abs. 9 erster Satz KFG 1967 in der Fassung BGBl. Nr. 615/1977).

Auch für die Übertretungen des § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 (in der Fassung der 18. KFG-Novelle) und des § 4 Abs. 7a KFG 1967 (in der Fassung der 19. KFG-Novelle) gilt der im angeführten hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1985 ausgesprochene Grundsatz, dass durch diese Übertretungen zwei verschiedene Tatbilder verwirklicht werden, die einander nicht ausschließen, weil jedes für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden können. Daran vermag nichts zu ändern, dass nach § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 (in der Fassung der 18. KFG-Novelle) auch die Überschreitung der Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte eines Kraftfahrzeuges mit Anhänger verpönt ist und dass § 4 Abs. 7a KFG 1967 (in der Fassung der 19. KFG-Novelle) auf die Summe der tatsächlichen Gesamtgewichte abstellt (vgl. Grundtner, Kraftfahrzeuggesetz5, 49 f), während für § 104 Abs. 9 KFG 1967 (in der Fassung BGBl. Nr. 615/1977) die Summe der - sich aus den Zulassungsscheinen ergebenden - höchsten zulässigen Gesamtgewichte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1990, Zl. 90/02/0139) maßgebend war.

Auch § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 (in der Fassung der 18. KFG-Novelle) knüpft an das höchste zulässige Gesamtgewicht an. Als solches gilt gemäß § 2 Abs. 1 Z. 33 KFG 1967 das höchste Gesamtgewicht, das ein bestimmtes Fahrzeug erreichen darf.

Dieser Rechtslage trägt der mit dem angefochtenen Bescheid übernommene Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insofern nicht Rechnung, als dem Beschwerdeführer eine Übertretung des § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 vorgeworfen wird, ohne dass das für dieses Delikt - im gegebenen Zusammenhang - maßgebende Tatbestandsmerkmal der Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte des Sattelkraftfahrzeuges in der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z. 1 VStG) aufscheint. Die als erwiesen angenommene Tat könnte allerdings dem § 4 Abs. 7a KFG 1967 (iVm § 102 Abs. 1 leg. cit.) unterstellt werden, fände sich in der Tatumschreibung nicht der - der genannten Bestimmung fremde - Einschub, "bei Sattel-Kfz abzüglich der größeren der höchsten zul. Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, eine dieser Sattellasten".

Der angefochtene Bescheid ist daher zufolge dieser Mängel mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet; schon aus diesem Grund war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 1999

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