Normen
AVG §66 Abs4;
B-VG Art10 Abs1 Z7;
B-VG Art11 Abs2;
VStG §27 Abs1;
VwRallg;
WaffG 1986 §21 impl;
WaffG 1986 §34 Abs2 impl;
WaffG 1996 §25;
WaffG 1996 §26;
WaffG 1996 §48 Abs2;
WaffG 1996 §51 Abs2;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art10 Abs1 Z7;
B-VG Art11 Abs2;
VStG §27 Abs1;
VwRallg;
WaffG 1986 §21 impl;
WaffG 1986 §34 Abs2 impl;
WaffG 1996 §25;
WaffG 1996 §26;
WaffG 1996 §48 Abs2;
WaffG 1996 §51 Abs2;
Spruch:
Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 9. April 1998 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Mödling dem Beschwerdeführer gemäß § 51 Abs. 2 und § 26 Waffengesetz 1996 i.V.m. § 21 Abs. 1 VStG eine Ermahnung, weil er es als Inhaber eines waffenrechtlichen Dokuments (Waffenbesitzkarte Nr. 223225) unterlassen habe, die Änderung seines Hauptwohnsitzes der Behörde, die diese Urkunde ausgestellt hat, binnen vier Wochen schriftlich mitzuteilen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe bisher in 2533 Klausen-Leopoldsdorf, gewohnt und in Wien gearbeitet. Nachdem er schon zuvor fallweise an seinem Arbeitsort übernachtet hätte, sei dort Anfang April 1997 infolge häufigerer Übernachtungen eine Meldepflicht nach dem Meldegesetz 1991 entstanden. Der Beschwerdeführer habe sich dazu entschlossen, seine Adresse 1230 Wien, als seinen Hauptwohnsitz und die bisherige Adresse in Klausen-Leopoldsdorf als weiteren Wohnsitz zu bezeichnen, obwohl die Intensität der Lebensbeziehungen zu beiden Wohnsitzen etwa gleich gewesen sei.
Eine Änderung des Wohnsitzes im Sinne des § 26 Waffengesetz 1996 habe nicht stattgefunden, weil es nur darauf ankomme, wo die Waffen aufbewahrt werden. Der "Hauptwohnsitz oder Wohnsitz der Waffen" habe sich nie geändert, weil diese weiter ausschließlich in Klausen-Leopoldsdorf aufbewahrt würden.
Darüber hinaus bestritt der Beschwerdeführer die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Mödling:
"Da der Beschwerdeführer zwei gleichwertige Wohnsitze hat, aber nur in Klausen-Leopoldsdorf seine Waffen aufbewahrt, ist zum Beispiel die Zuständigkeit der Behörde zum Vollzug des Waffengesetzes nahe liegender, in deren Sprengel sich die Waffen befinden.
Das wäre außerdem die BH Baden, weil Klausen-Leopoldsdorf in ihrem Sprengel liegt. Die BH Baden hat auch alle waffenrechtlichen Dokumente ausgestellt. Die BH Mödling ist somit nicht zuständig."
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Begründung keine Folge gegeben, dass der Berufungswerber die Unterkunftnahme an der angeführten Wiener Adresse und die Tatsache, dass er diesbezüglich infolge häufigerer Übernachtungen den Meldepflichten des Meldegesetzes 1991 entsprochen hatte, nicht bestritten habe. In der Begründung wird weiter ausgeführt:
"Auf den unrichtigen Einwand des Berufungswerbers, das waffenrechtliche Dokument sei durch die BH Baden ausgestellt worden, ist infolge offensichtlicher Tatsachenwidrigkeiten nicht näher einzugehen (die oben angeführte Waffenbesitzkarte stammt von der BH Mödling)."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer wiederholt sein bereits in der Berufung erstattetes Vorbringen, wonach "die BH Baden alle waffenrechtlichen Dokumente ausgestellt hat, sodass die BH Mödling nicht zuständig ist".
Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit zur Erteilung einer Ermahnung gemäß §§ 51 Abs. 2 und 26 Waffengesetz i.V.m.
§ 21 Abs. 1 VStG sind zwei Verfahrensregelungen in Betracht zu ziehen, nämlich § 48 Abs. 2 Waffengesetz 1996 und § 27 Abs. 1 VStG. Der mit dem 1. Juli 1997 in Kraft getretene § 48 Abs. 2 Waffengesetz 1996 lautet:
"Die örtliche Zuständigkeit richtet sich, sofern nichts anderes bestimmt ist, nach dem Hauptwohnsitz des Betroffenen, in Ermangelung eines Hauptwohnsitzes nach seinem Wohnsitz."
§ 27 Abs. 1 VStG lautet:
"Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand führende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist."
Der Vorbehalt in der jüngeren und spezielleren Norm des § 48 Abs. 2 Waffengesetz 1996 "sofern nichts anderes bestimmt ist" ist in verfassungskonformer Auslegung auf den § 27 Abs. 1 VStG zu beziehen. Zwar steht dem Materiengesetzgeber (dem Bund) aufgrund des verfassungsrechtlichen Adhäsionsprinzips (vgl. hiezu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 33; Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 259; Mayer, B-VG2, Pkt. II.2. zu Artikel 11) insbesondere auch die Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsstrafverfahrens im weiteren Sinn - also unter Einschluss der sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbestimmungen (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 34 und 37) - zu. Das Adhäsionsprinzip wird jedoch durch Inanspruchnahme der - in Artikel 11 Abs. 2 B-VG vorgesehenen - Kompetenz des Bundes zur Bedarfsgesetzgebung durchbrochen. Danach kann der Bund (unter anderem) das Verwaltungsstrafverfahren durch Bundesgesetz regeln, "so weit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird". Von dieser Bedarfsgesetzgebungskompetenz wären zwar die Normen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nicht umfasst. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der Regelung der örtlichen Zuständigkeit im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. zum historisch geprägten Begriff des Verfahrensrechts Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 37 und 41).
Durch die Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz durch den Bundesgesetzgeber, wie dies im § 27 Abs. 1 VStG geschehen ist, wird auch die oben erwähnte Adhäsionskompetenz des Bundes selbst eingeschränkt. Eine von dem Bedarfsgesetz abweichende Regelung durch Bundesgesetz wäre somit nur zulässig, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich - also nach VfSlg 8945 "unerlässlich" - ist (vgl. wiederum Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 34). Diese Voraussetzung wäre bei § 48 Abs. 2 Waffengesetz 1996 nicht erfüllt, weshalb er verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass er sich nicht auf die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im Verwaltungsstrafverfahren bezieht. - Für den Zeitraum der Unterlassung der Meldung bis zum Inkrafttreten des Waffengesetzes 1997 am 1. Juli 1997 gelten für den wortgleichen § 34 Abs. 2 Waffengesetz 1986 dieselben Überlegungen. Bei der Einführung dieses Zuständigkeitstatbestandes durch die Novelle BGBl. Nr. 520/1994 wurde in der Regierungsvorlage auch zum Ausdruck gebracht, die Vorschrift beziehe sich auf die "Erteilung waffenrechtlicher Bewilligungen" und diene "lediglich der Klarstellung" (848 BlgNR 18.GP 7; ähnlich auch die RV zum Waffengesetz 1996, 457 BlgNR 20.GP, 59).
Der demnach gemäß § 27 Abs. 1 VStG für die örtliche Zuständigkeit der Behörde maßgebende "Ort der Begehung" ist im Sinne des § 2 Abs. 2 VStG jener Ort, wo der Täter gehandelt hat oder - bei Unterlassungsdelikten - hätte handeln sollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0231). Die Meldung der Änderung des Hauptwohnsitzes oder Wohnsitzes hat nach dem seit dem 1. Juli 1997 in Geltung stehenden § 26 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr. 12/1997, an die Behörde zu erfolgen, die die Waffenbesitzkarte ausgestellt hat. Für den Zeitraum bis zum 1. Juli 1997 gilt die inhaltlich vollkommen entsprechende Bestimmung des § 21 Waffengesetz 1986.
Die geschuldete Handlung wäre nicht etwa an jenem Ort vorzunehmen gewesen, wo der zur Meldung Verpflichtete wohnt oder wo er sich aufhält (vgl. hingegen die ältere Rechtsprechung zum § 103 Abs. 2 KFG, wonach als Tatort jener Ort zu gelten habe, an dem der Zulassungsbesitzer die Auskunft verweigert oder unrichtig erteilt hat, zB das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055), sondern gemäß § 26 Waffengesetz 1996 am Sitz der Behörde, der gegenüber die Meldung zu erstatten ist und bei der diese einlangen soll, hier also jener Behörde, die die Waffenbesitzkarte ausgestellt hat (vgl. zum insoweit gleich gelagerten Fall nach dem § 1a Wr Parkometergesetz 1974 das hg. Erkenntnis vom 15. September 1995, Zl. 95/17/0211 und nunmehr auch zum § 103 Abs. 2 KFG das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156).
Der Beschwerdeführer hat bestritten, dass seine Waffenbesitzkarte von der Bezirkshauptmannschaft Mödling ausgestellt wurde. Es bedarf daher begründeter und schlüssiger Feststellungen darüber, welche Behörde die Waffenbesitzkarte, über die der Beschwerdeführer während des ihm zur Last gelegten Verhaltens verfügte, ausgestellt hatte, weil davon die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde zur Erlassung des Bescheides abhängt. Die belangte Behörde hätte entsprechende Ermittlungen vornehmen und dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben müssen, hiezu Stellung zu nehmen. Der bloße Hinweis, auf den Einwand des Beschwerdeführers sei "infolge offensichtlicher Tatsachenwidrigkeiten nicht näher einzugehen", genügt diesen Erfordernissen nicht, zumal dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann, welche (waffenrechtlichen) Bewilligungen von welcher Behörde erteilt wurden. Für eine Feststellung, "die oben angeführte Waffenbesitzkarte stammt von der BH Mödling" fehlen Beweisgrundlagen.
Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren die Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Mödling ergeben, so wäre es der belangten Behörde verwehrt, in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1992, Zl. 92/18/0391).
Als Rechtswidrigkeit des Inhalts ist dem angefochtenen Bescheid darüber hinaus anzulasten, dass er die Unterlassung der Meldung der Änderung des Hauptwohnsitzes durch den Beschwerdeführer innerhalb eines Tatzeitraumes von vier Wochen nach dem 7. April 1997 bis mindestens zum 8. April 1998 lediglich dem Tatbestand des § 26 Waffengesetz 1996 i.V.m. § 51 Abs. 2 leg. cit. und i.V.m. § 21 VStG unterstellte. Für den Zeitraum bis zum 1. Juli 1997 war hingegen nach der Übergangsbestimmung des § 62 Abs. 2 Waffengesetz 1996 das Waffengesetz 1986 und damit dessen § 21 weiter anwendbar. Gemäß § 44a Z 2 VStG hätte der Spruch des Straferkenntnisses bei sonstiger Rechtswidrigkeit des Inhalts den Zeitraum bis zu 1. Juli 1997 dem Tatbestand des § 21 Waffengesetz 1986 unterstellen müssen (vgl. das eine Bestrafung wegen Nichtausreise gemäß § 82 Abs. 1 Z 1 FrG betreffende hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 95/21/0433).
Dem weiteren Beschwerdevorbringen, wonach die Begründung eines weiteren Wohnsitzes nicht unter den Begriff der "Änderung" des bisherigen, beibehaltenen Wohnsitzes subsumiert werden könne, weshalb eine derartige Interpretation gegen das im Verwaltungsstrafrecht geltende Analogieverbot verstoße, ist zu entgegnen, dass die Behörde, um die in § 25 Waffengesetz 1996 vorgesehene Verlässlichkeitsprüfung durchführen zu können, die Möglichkeit haben muss, alle Wohnsitze des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu kennen, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um den Hauptwohnsitz oder um sonstige Wohnsitze, um zusätzliche oder um frühere Wohnsitze ablösende Wohnsitze handelt. Bereits nach dem § 21 Waffengesetz 1986 war jede Änderung des Wohnsitzes, also auch die zusätzliche Begründung eines Wohnsitzes, meldepflichtig (vgl. das auch vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1984, Slg. Nr. 11.546/A). Das Waffengesetz 1996 hat an dieser Meldepflicht insoweit nichts geändert (vgl. die Regierungsvorlage zum Waffengesetz 1996, 457 BlgNR, 20.GP). Dieses Verständnis der Regelung findet auch im Wortlaut des Gesetzes Deckung.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. September 1999
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