VwGH 98/19/0117

VwGH98/19/011727.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 21. Oktober 1997, Zl. 906.963/1-III/6/97, betreffend Ausschluss aus der Liste der Verteidiger, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
StPO §39 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
StPO §39 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 21. Oktober 1997 wurde der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 15. April 1997, Jv 1265-5B/97-3, mit dem der Beschwerdeführer aus der Liste der Verteidiger für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck von Amts wegen ausgeschlossen wurde, bestätigt.

Begründend führte der Bundesminister für Justiz im Wesentlichen Folgendes aus:

Der in der von der Tiroler Rechtsanwaltskammer geführten Liste der Rechtsanwälte und in der vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck geführten Liste der Verteidiger eingetragene Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. März 1997 wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 StGB, sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt worden. Zugleich sei die bedingte Nachsicht der wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs. 1 Z. 1 und 2, 161, 12 StGB vom Landesgericht Innsbruck verhängten Freiheitsstrafe von sieben Monaten widerrufen worden. Über die gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittel sei noch nicht entschieden worden.

Mit dem - zwischenzeitig von der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission bestätigten - Beschluss des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 21. März 1997 sei dem Beschwerdeführer gemäß § 19 Abs. 3 Z. 1 lit. d Disziplinarstatut (DSt) 1990 die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt und ein Stellvertreter für den Beschwerdeführer bestellt worden.

Im Zuge der hierauf vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck durchgeführten Prüfung der Frage des amtswegigen Ausschlusses des Beschwerdeführers aus der Verteidigerliste habe die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck diese Maßnahme befürwortet.

Der Beschwerdeführer habe sich gegen die in Aussicht genommene Streichung ausgesprochen, weil eine einstweilige Maßnahme gemäß § 19 DSt 1990 eine Beseitigung der Eintragungsvoraussetzung der "wirklichen Ausübung der Rechtsanwaltschaft" im Sinne des § 39 Abs. 3 zweiter Satz Strafprozessordnung (StPO) nicht bewirken könne und er außerdem schon vor seiner Eintragung in die Rechtsanwaltsliste aufgrund der bestandenen Rechtsanwaltsprüfung in die Verteidigerliste aufgenommen worden sei, sodass § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO anzuwenden sei.

Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 15. April 1997 sei der Beschwerdeführer dann aus der Liste der Verteidiger für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck von Amts wegen ausgeschlossen worden.

Am 16. September 1997 habe der Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer die Verlängerung der einstweiligen Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft beschlossen, wogegen der Beschwerdeführer Beschwerde erhoben habe.

Der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck komme aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:

Gemäß § 39 Abs. 3 StPO habe der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offen zu halten sei. In diese Liste seien vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübende Rechtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen seien aber auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorlägen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge hätten. Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachte, könne sich binnen 14 Tagen, nachdem ihm diese Entscheidung zugestellt worden sei, beim Bundesministerium für Justiz beschweren.

Somit stelle die tatsächliche Ausübung der Rechtsanwaltschaft für Rechtsanwälte eine Voraussetzung für ihre Aufnahme in die Verteidigerliste dar. Angesichts der im Gesetz vorgesehenen Unterscheidung zwischen Rechtsanwälten und gewissen anderen Rechtsverständigen sowie im Hinblick darauf, dass die Befähigung durch die Eintragung in die Rechtsanwaltsliste bzw. durch den Prüfungserfolg nachgewiesen sei, sei das Kriterium der tatsächlichen Ausübung der Rechtsanwaltschaft wohl auch Voraussetzung für die Belassung in der Verteidigerliste, was vom Berufungswerber auch nicht bestritten werde.

Die gegen den Beschwerdeführer ergriffene einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft sei bereits vor Eintritt ihrer Rechtskraft zu vollziehen und wirksam gewesen, weshalb ohne der Notwendigkeit irgendwelcher Nachforschungen über "das Ausmaß der aktuellen Arbeitstätigkeit" feststehe, dass er eine anwaltliche Tätigkeit nicht entfalten bzw. die Rechtsanwaltschaft zumindest für eine gewisse Zeit nicht ausüben dürfe. Da der Bestimmung des § 39 Abs. 3 StPO kein zeitliches Kriterium zu entnehmen sei, sei auch die Nichtausübung der Rechtsanwaltschaft für einen gewissen Zeitraum, für den wie im vorliegenden Fall, ein Stellvertreter bestellt wurde, relevant.

Weiters würde die Belassung eines Rechtsanwaltes, dem die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt worden sei, in der Liste der Verteidiger dem Zweck des einstweiligen Berufsausübungsverbotes entgegenwirken.

Aus all diesen Gründen sei der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer als ein zumindest für eine bestimmte Zeit die Rechtsanwaltschaft nicht ausübender Rechtsanwalt anzusehen sei. Der Beschwerdeführer sei nach wie vor in der von der Tiroler Rechtsanwaltskammer geführten Liste der Rechtsanwälte eingetragen, weshalb der Verbleib in der Liste der Verteidiger nach den für die Gruppe der Rechtsanwälte geltenden Kriterien zu beurteilen sei. Da bereits eines davon nicht erfüllt sei, könne die Frage der Vertrauenswürdigkeit dahingestellt bleiben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die der Beschwerdeführer zuerst beim Verfassungsgerichtshof einbrachte und die dieser Gerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 1998, B 3059/97, ablehnte und antragsmäßig an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 39 Abs. 3 der Strafprozessordnung (StPO) lautet:

§ 39. ...

(3) Der Präsident jedes Gerichtes zweiter Instanz hat

für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offen zu halten ist. In diese Liste sind vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sind aber auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge haben. Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen 14 Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren."

In seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor:

Es bestehe keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die die belangte Behörde überhaupt zu einer Streichung aus der Verteidigerliste ermächtige. § 39 Abs. 3 StPO normiere nur die Eintragungsvoraussetzungen, sehe aber weder ein Disziplinarverfahren vor noch erwähne er eine Streichung nach Aufnahme in die Liste. Den Ansatz einer Grundlage könne hiefür allenfalls die Bestimmung über die jährliche Erneuerung der Liste zum Jahresbeginn bieten, jedoch könne auch hierauf eine individuelle Streichung zu einem völlig anderen Zeitpunkt, wie dies in seinem Fall vorliege, nicht gestützt werden.

Weiters sei zu berücksichtigen, dass die Bestimmung des § 39 Abs. 3 StPO zwei Alternativen normiere, bei deren Vorliegen der Präsident des Oberlandesgerichtes die Eintragung in die Verteidigerliste vorzunehmen habe. Einerseits seien zunächst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte - von Amts wegen - aufzunehmen, zum andern auf ihren Antrag auch alle für die Rechtsanwaltschaft geprüften Personen, bei denen nicht Umstände vorlägen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft zur Folge hätten. Selbst wenn man auch ohne gesetzliche Grundlage die Berechtigung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes als Vollzugsorgan dieser Bestimmung im Rahmen der Justizverwaltung zur Streichung einzelner eingetragener Verteidiger außerhalb der jährlichen Erneuerung der Liste zugestehen wolle, könne dies wohl nur in jenem Bereich Platz greifen, in dem nicht das Gesetz ausdrücklich die Eintragung vorschreibe. Die Behörde könne deshalb in einem Fall, in dem beide Eintragungsvoraussetzungen kumulativ vorlägen, nicht wegen des Wegfalles einer Eintragungsvoraussetzung eine Streichung aus der Verteidigerliste veranlassen. Der Beschwerdeführer sei auf Antrag nach der zweiten Alternative in die Verteidigerliste eingetragen worden, worauf er sich noch vor der behördlichen Entscheidung ausdrücklich berufen habe.

Selbst wenn man von der Ansicht der belangten Behörde ausgehe, dass die für die amtswegige Eintragung nach der ersten Alternative des § 39 Abs. 3 StPO erforderliche Voraussetzung der wirklichen Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorübergehend nicht gegeben sei, könne nur eine Eintragungsvoraussetzung nach der ersten Alternative weggefallen sein. Da sich aber dadurch nichts am Vorliegen der zweiten Alternative geändert habe und auch der für deren Berücksichtigung erforderliche Antrag vorliege, könne der Beschwerdeführer nicht von der Verteidigerliste gestrichen werden.

Weiters führt der Beschwerdeführer aus, dass seines Erachtens auch in Ansehung der ersten Alternative die Voraussetzungen eines Ausschlusses nicht gegeben seien. Das Gesetz meine nach Ansicht des Beschwerdeführers mit der Formulierung "die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübende Rechtsanwälte" nicht wie die Behörde vermeine die faktische Arbeitstätigkeit derselben in ihrem Beruf, vielmehr umfasse diese Regelung alle aktiven Mitglieder der Rechtsanwaltskammer im Gegensatz zu den emeritierten Rechtsanwälten. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei eine solche formelle Betrachtung angebracht, da sonst auch Rechtsanwälte die Rechtsanwaltschaft nicht wirklich ausüben würden, wenn Krankheit, Alter, Reiselust oder Bequemlichkeit oder andere Ursachen zur vorübergehenden Einstellung der wirklichen Tätigkeit als Rechtsanwalt führen würden.

In ihrer Gegenschrift vom 9. Juli 1998 führt die belangte Behörde aus:

Es treffe zwar zu, dass § 39 StPO lediglich die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste der Verteidiger, nicht jedoch die Streichung aus dieser Liste regle, allerdings sehe der letzte Satz die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die "Ausschließung aus der Verteidigerliste" vor, weshalb nach herrschender Meinung der tatsächliche Wegfall einer unerlässlichen rechtlichen Voraussetzung für die Eintragung in der Liste der Verteidiger zur Streichung aus diesem Verzeichnis führen müsse.

Weiters könne nach Ansicht der belangten Behörde aus der Anordnung des § 39 Abs. 3 StPO, wonach mit Anfang eines jeden Jahres die Verteidigerliste zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen sei, nicht geschlossen werden, dass Aufnahmen oder Streichungen nur zu diesem Zeitpunkt statthaft seien.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei wegen der unterschiedlichen Aufnahmeerfordernisse für Rechtsanwälte und andere Rechtsverständige die Belassung bzw. Streichung nach den für diese Gruppe, der die betreffende Person zuzurechnen sei, normierten Kriterien zu beurteilen. Demnach sei der Verbleib eines Rechtsanwaltes in der Verteidigerliste ausschließlich nach den Eintragungsvoraussetzungen für Rechtsanwälte zu beurteilen. Aus diesem Grund sei auch im gegenständlichen Fall die Frage, ob der Beschwerdeführer in die Liste der Verteidiger aufgenommen zu bleiben habe oder auszuschließen sei, nach den für Rechtsanwälte geltenden Kriterien zu lösen. Da der Beschwerdeführer aufgrund der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft nicht als Rechtsanwalt tätig sein dürfe, sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Rechtsanwaltschaft auch tatsächlich nicht ausübe und somit ein wesentliches Kriterium für die Eintragung in die Liste der Verteidiger bzw. für den Verbleib in dieser nicht erfülle. Unter weiterer Berücksichtigung des Umstandes, dass § 39 StPO vorläufige Maßnahmen nicht vorsehe, sei daher die Streichung des Beschwerdeführers aus der Liste der Verteidiger unumgänglich gewesen.

Der Ansicht des Beschwerdeführers, dass unter "die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte" grundsätzlich alle aktiven Mitglieder der Rechtsanwaltskammer im Gegensatz zu emeritierten Personen zu verstehen seien, sei zu entgegnen, dass es eigentlich keine emeritierten Mitglieder der Rechtsanwaltskammern gebe und der Gesetzgeber die Bezeichnung Rechtsanwalt wohl im Sinne des § 8 Abs. 4 RAO verwendet habe. Der Terminus "wirklich ausüben" könne angesichts des Wortsinnes und im Hinblick auf den hiemit im Zusammenhang gebrauchten Fachbegriff "Rechtsanwalt" nur die tatsächliche Ausübung der Rechtsanwaltschaft bzw. das Tätigsein und nicht die Berechtigung hiezu bedeuten. Da der Schluss, dass eine Person, die Rechtsanwalt ist, jedoch die Rechtsanwaltschaft nicht ausüben darf, diese im Hinblick auf § 17 DSt 1990 und unter dem Eindruck einer disziplinarrechtlichen Verfolgung auch tatsächlich nicht ausübt, zulässig sei, müsse im Hinblick auf die oben dargestellten Gründe in diesem Fall mit dem Ausschluss aus der Liste der Verteidiger vorgegangen werden. Dies sei kein irreversibler Schritt, da der Beschwerdeführer nach Aufhebung der einstweiligen Maßnahme durch das zuständige Gremium der Tiroler Rechtsanwaltskammer sofort wieder von Amts wegen in die Verteidigerliste aufgenommen werden müsse. Außerdem bleibe es ihm unbenommen, einen Antrag auf Eintragung als so genannter "Nur-Verteidiger" zu stellen.

Zu der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung, dass er die Voraussetzung für den Verbleib als "Nur-Verteidiger" erfülle und daher nicht aus der Liste der Verteidiger gestrichen hätte werden dürfen, sei zu sagen, dass gemäß § 39 Abs. 3 StPO unter anderem keine Umstände vorliegen dürften, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge hätten. Nach § 5 Abs. 2 RAO sei die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen habe, die ihn des Vertrauens unwürdig mache. Für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit sei das Wohlverhalten durch längere Zeit maßgeblich, wobei auch das außerberufliche Leben zu berücksichtigen sei. Vertrauensunwürdig machten nicht nur Handlungen, die die ordnungsgemäße Berufsausübung und das Sachverhältnis zum Klienten gefährden könnten, sondern auch Handlungen, die nicht mit dem Beruf zusammenhingen. Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit sei das Vorleben und das gesamte Verhalten des Eintragungswerbers zu berücksichtigen und zu würdigen. Es genügten auch Verfehlungen, die sich bloß in der privaten Sphäre ereignet hätten, etwa ein nicht ganz unbescholtener Lebenswandel oder eine leichtsinnig herbeigeführte Verschuldung. Es sei nicht notwendig, dass die betreffende Handlung für sich allein gerichtlich strafbar wäre. Auch bereits getilgte Strafen seien zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf das Ausmaß des Schadens, die Schwere der zwischenzeitlich rechtskräftig strafgerichtlich geahndeten Verfehlungen und deren Eignung, das Vertrauen in die Integrität des Beschwerdeführers sowie in die Anwaltschaft erheblich zu erschüttern, sei das Vorliegen der Vertrauenswürdigkeit wohl zu verneinen, wie der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck bereits treffend erkannt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof ging bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen aus:

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bietet § 39 Abs. 3 StPO sehr wohl die rechtliche Grundlage für eine Streichung aus der Verteidigerliste. Dies geht schon klar aus dem Wortlaut des letzten Satzes des § 39 Abs. 3 StPO hervor, der lautet:

"Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen 14 Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren."

Der Begriff Ausschließung umfasst jedenfalls auch die Streichung von der Verteidigerliste (und nicht nur die "Nichteintragung"). So gehen die Materialien zum Bundesgesetz vom 23. Jänner 1957 über Änderungen und Ergänzungen des gerichtlichen Strafverfahrensrechtes und des Geschwornen- und Schöffenlistengesetzes, BGBl. 31/1957, 52 Blg. NR 8. GP 4, mit dem § 39 Abs. 3 StPO seine jetzige Form erhielt, offenbar von der Möglichkeit eines Ausschlusses aus der Liste der Verteidiger aus, wenn es da heisst:

"Ob jemand nach § 39 Strafprozessordnung in die Verteidigerliste eingetragen werden soll oder ob er aus der Liste auszuschließen sei, hat der Gerichtshof zweiter Instanz nach dem Gerichtsorganisationsgesetz in einem Senat zu entscheiden." (wobei im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit eines Rechtszuges von einem solchen Gericht an den Bundesminister für Justiz mit dieser Novelle die Kompetenz zur Entscheidung in erster Instanz dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes als Justizverwaltungsbehörde übertragen wurde).

Weiters kann aus der Formulierung: "Der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz hat für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offen zu halten ist" im ersten Satz des § 39 Abs. 3 StPO entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht der Schluss gezogen werden, dass Eintragungen und Streichungen aus der Verteidigerliste nur jeweils mit Anfang eines jeden Jahres möglich wären. Vielmehr besagt diese Bestimmung, dass mit Anfang jeden Jahres die Verteidigerliste erneuert werden muss - selbst wenn keine Eintragungen oder Streichungen erfolgt wären - nicht jedoch, dass nicht auch zwischendurch Änderungen in der Verteidigerliste vorgenommen werden dürften. Dass § 39 Abs. 3 erster Satz StPO nur so verstanden werden kann, erhellt auch daraus, dass bestimmt wird, dass die Verteidigerliste zu erneuern und allen Strafgerichten, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offen zu halten ist, zuzustellen ist. In diesem Zusammenhang gelesen kann die Bestimmung des § 39 Abs. 3 StPO wohl nur den Zweck verfolgen, alle Strafgerichte eines OLG-Sprengels zu Jahresbeginn mit einer aktualisierten Fassung der Verteidigerliste auszustatten, damit sich jeder anhand einer aktuellen Liste darüber informieren kann, wer als Verteidiger in Strafsachen eingetragen ist. Es handelt sich somit um eine "organisatorische" Bestimmung zur Erleichterung der Rechtspflege und der Verteidigung.

Schließlich kann auch der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass ein Rechtsanwalt, dem die Ausübung dieses Berufes durch die Disziplinarbehörde vorläufig untersagt wurde, kein die "Rechtsanwaltschaft wirklich ausübender" Rechtsanwalt ist. Für das gegenüber dem Gesetzeswortlaut eingeschränkte vom Beschwerdeführer vertretene Begriffsverständnis finden sich keine Anhaltspunkte.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden.

Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung, unter welchen Voraussetzungen die Ausschließung (Streichung) eines Verteidigers von der Liste zu erfolgen hat. Nach dem Zweck der Regelung ist dies wohl dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für eine Eintragung nicht (mehr) vorliegen.

Nach der Bestimmung des § 39 Abs. 3 zweiter Satz StPO gibt es zwei Möglichkeiten, in die Liste der Verteidiger aufgenommen zu werden. Und zwar sind alle die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte von Amts wegen und alle für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüften Rechtsverständigen auf ihr Ansuchen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge haben, in die Liste der Verteidiger aufzunehmen.

Nach den Behauptungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren wurde er nach der zweiten Möglichkeit, also auf seinen Antrag hin noch bevor er Rechtsanwalt war, in die Liste der Verteidiger aufgenommen. Nach Ansicht der belangten Behörde verhält es sich nun zusammengefasst so, dass der Beschwerdeführer, da er ja nach seiner Eintragung in die Verteidigerliste durch Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte Rechtsanwalt wurde und diesen Beruf auch wirklich ausübte, nach der ersten Möglichkeit des § 39 Abs. 3 StPO in die Liste der Verteidiger (nochmals) "eingetragen" wurde. Nach dieser Auffassung war der Beschwerdeführer also nach Beginn seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt nach der ersten Möglichkeit des § 39 Abs. 3 StPO (und nur nach dieser) in die Liste der Verteidiger eingetragen. Daraus ergibt sich nach Ansicht der belangten Behörde, dass schon bei Wegfall der Eintragungsvoraussetzung der wirklichen Ausübung der Rechtsanwaltschaft die Streichung des Beschwerdeführers von der Verteidigerliste zu erfolgen hatte. Die belangte Behörde folgt damit den Ausführungen von Lohsing-Serini, Österreichisches Strafprozessrecht4 (1952), Seite 186 f:

"Das Erlöschen der Rechtsanwaltschaft ist seitens des Ausschusses der betreffenden Rechtsanwaltskammer dem Oberlandesgericht mitzuteilen, das sodann auch die Löschung von der Verteidigerliste zu verfügen hat, und zwar auch dann, wenn die erstmalige Aufnahme in diese Liste vor der Eintragung in die Rechtsanwaltsliste erfolgte; denn die ursprüngliche über Ansuchen erfolgte Aufnahme in die Verteidigerliste wurde in der Folge durch die notwendige, das heisst vom Willen des Rechtsanwaltes unabhängige, ersetzt. Als ein unabhängig von seinem Willen Eingetragener stand der Rechtsanwalt in der Verteidigerliste und muss daher im Falle des Erlöschens der Rechtsanwaltschaft in dieser gelöscht werden."

Dieser nicht näher begründeten Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Allein aus dem Umstand, dass ein praktizierender Rechtsanwalt nicht bloß über seinen Antrag, sondern notwendigerweise und gegebenenfalls auch von Amts wegen in die Liste der Verteidiger einzutragen ist, kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht geschlossen werden, dass der betreffende Rechtsanwalt schon nach Wegfall der Eintragungsvoraussetzung nach § 39 Abs. 3 zweiter Satz StPO zwingend und allenfalls auch gegen seinen Willen von der Liste der Verteidiger zu streichen sei, weil sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien ergibt, dass jemand zu streichen ist, obwohl er die in § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO umschriebenen (alternativen) Eintragungsvoraussetzungen (weiterhin) erfüllt. Auch ein Rechtsanwalt, der die Rechtsanwaltschaft nicht wirklich ausübt, fällt nämlich unter die in § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO umschriebene Personengruppe der für die Rechtsanwaltschaft geprüften Rechtsverständigen. Ein solcher Rechtsanwalt könnte daher bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieser Bestimmung durch eine entsprechende Antragstellung jederzeit seine (Wieder-)eintragung in die Verteidigerliste bewirken. Jede andere Interpretation hätte eine nicht einsichtige Differenzierung zwischen Rechtsanwälten, die die Rechtsanwaltschaft nicht wirklich ausüben und Nicht-Rechtsanwälten, die die Rechtsanwaltsprüfung abgelegt haben und die Rechtsanwaltschaft ebenfalls nicht ausüben hinsichtlich der Befugnis zur Ausübung der Strafverteidigung zur Folge.

Gerade im vorliegenden Fall, da der Beschwerdeführer nach seinen Behauptungen einen Antrag auf Eintragung gestellt hatte und diese Eintragung aufgrund seines Antrages erfolgt war, erschiene es kaum einsichtig, weshalb diese nicht noch nach der zweiten Möglichkeit des § 39 Abs. 3 StPO weiterbestehen sollte. Schließlich geht die Argumentation, der Beschwerdeführer sei gleichsam "ungewollt" auf der Liste der Verteidiger und müsse deshalb bei Wegfall der Eintragungsvoraussetzung der wirklichen Ausübung der Rechtsanwaltschaft auch wiederum notwendigerweise von der Verteidigerliste gestrichen werden, schon deshalb ins Leere, weil der Beschwerdeführer zum einen durch den seinerzeitigen Antrag auf Eintragung, zum anderen aber auch im hier gegenständlichen Verfahren deutlich seinen Willen, in der Verteidigerliste eingetragen zu werden und zu bleiben, zum Ausdruck brachte.

Auch führte die von der belangten Behörde vertretene Interpretation des § 39 Abs. 3 StPO zu unzweckmäßigen Ergebnissen, weil sich der Betroffene nach einer Streichung infolge Wegfalls der Eintragungsvoraussetzungen nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesbestimmung sofort wieder aufgrund des Vorliegens der Eintragungsvoraussetzungen nach deren drittem Satz in die Liste der Verteidiger eintragen lassen könnte, worauf ihn die Gegenschrift sogar verweist.

Wenn die belangte Behörde schließlich meint, die Belassung des Beschwerdeführers in der Liste der Verteidiger würde dem Zweck des einstweiligen Berufsausübungsverbotes entgegenwirken, so ist ihr zu entgegnen, dass die Strafprozessordnung im Gegensatz zum DSt 1990 eine einstweilige Streichung aus der Verteidigerliste nicht vorsieht. Ob und inwieweit die Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft durch die Disziplinarbehörde der Ausübung der Strafverteidigung durch den Beschwerdeführer (trotz aufrechter Eintragung in der Verteidigerliste) entgegensteht, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zu prüfen.

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid ausschließlich damit, dass der Beschwerdeführer die Rechtsanwaltschaft nicht tatsächlich ausübe. Demgegenüber stützte sie den angefochtenen Bescheid nicht darauf, dass auch die Eintragungsvoraussetzung des § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO weggefallen wäre. Die in diesem Zusammenhang bedeutsame Frage der "Vertrauenswürdigkeit" wurde ausdrücklich offengelassen. Der Bescheid war daher nur unter dem Gesichtspunkt des von der belangten Behörde im Bescheid herangezogenen Streichungstatbestandes zu prüfen.

Unbeachtlich war, dass die belangte Behörde erstmals in der Gegenschrift geltendmacht, der Beschwerdeführer erfülle die Eintragungsvoraussetzungen nach der zweiten Möglichkeit des § 39 Abs. 3 StPO ebenfalls nicht, weil bei ihm die Vertrauenswürdigkeit fehle. Die Nachholung der Begründung in der Gegenschrift ersetzt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nicht die der Behörde obliegende Verpflichtung, Parteiengehör zu gewähren und den Bescheid zu begründen (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 140 zu § 60 AVG wiedergegebene Judikatur).

Der ausschließlich auf den Wegfall der Eintragungsvoraussetzung des § 39 Abs. 3 zweiter Satz StPO gestützte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

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