VwGH 98/14/0090

VwGH98/14/009023.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des J L in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in Salzburg, Rudolfskai 48, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 16. April 1998, Zl RV60/1-10/1998, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BAO §224;
BAO §289 Abs2;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §92;
KO §156;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BAO §224;
BAO §289 Abs2;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §92;
KO §156;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. Mai 1997 wurde der Beschwerdeführer für aushaftende Abgabenschuldigkeiten einer GmbH in Höhe von rd S 2 Mio zur Haftung herangezogen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid vom 10. September 1997 ua insoweit teilweise stattgegeben, als im Hinblick auf einen von den Gläubigern der GmbH bereits angenommenen Zwangsausgleichsvorschlag mit einer Quote von 20 % nur von einer Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von 80 % ausgegangen wurde. Die diesbezügliche Berufungsentscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 16. September 1997 zugestellt. Gegen diese Entscheidung ist beim Verwaltungsgerichtshof eine zu Zl 97/14/0145 protokollierte Beschwerde anhängig.

Mit Beschluß des Gerichtes vom 6. Oktober 1997 wurde der Zwangsausgleich bestätigt.

Im Dezember 1997 beantragte der Beschwerdeführer im Hinblick auf diesen Beschluß die Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens, weil die Tatsache des abgeschlossenen und (zwischenzeitig) erfüllten Zwangsausgleiches nicht richtig berücksichtigt worden sei. Durch die Bestätigung des Zwangsausgleiches liege nunmehr jedenfalls ein Wiederaufnahmegrund vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine gegen die Abweisung dieses Wiederaufnahmeantrages durch das Finanzamt mit Bescheid vom 23. Dezember 1997 gerichtete Berufung ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß gegenüber dem abgeschlossenen Verfahren keine Tatsache neu hervorgekommen sei. Der Umstand des abgeschlossenen Zwangsausgleiches sei bereits in der Berufungsentscheidung vom 10. September 1997 berücksichtigt worden. Die gerichtliche Bestätigung des Zwangsausgleiches sei aber erst nach Abschluß des Verfahrens entstanden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer räumt ein, daß die Tatsache des rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleiches erst nach Abschluß des Haftungsverfahrens entstanden ist und deswegen eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinn der Wiederaufnahmetatbestände nicht vorliegt. Er meint jedoch, daß eine vom rechtskräftig abgeschlossenen Haftungsverfahren unterschiedlich beurteilte Vorfragenentscheidung betreffend die Einbringlichkeit der Abgaben eingetreten sei, weil die Abgabenbehörde bei Erlassung des "Haftungsbescheides" (gemeint wohl des zweitinstanzlichen Bescheides vom 10. September 1997) "die Frage der Uneinbringlichkeit offenbar so beurteilt habe, daß diese Uneinbringlichkeit nur zu 20 % gegeben sei und der Restbetrag einbringlich sei". Über diese Beurteilung sei durch die rechtskräftige Bestätigung des Zwangsausgleiches "anders entschieden worden" und seien dadurch die Rechtsfolgen des § 156 Abs 1 KO, nämlich ein Forderungsnachlaß, jedenfalls hinsichtlich der die 20 %-ige Quote übersteigenden Verbindlichkeiten, eingetreten.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf: Richtig ist, daß gemäß § 303 Abs 1 lit c BAO die nachträglich andere Entscheidung über eine Vorfrage durch die hiefür zuständige Behörde, wenn der Bescheid von einer solchen Vorfrage abhing, einen Wiederaufnahmetatbestand bildet. Der Beschwerdeführer übersieht aber, daß die Frage der Uneinbringlichkeit der Abgabenverbindlichkeiten einerseits im Haftungsverfahren eine von der Abgabenbehörde zu lösende Frage ist, während andererseits die Frage der Uneinbringlichkeit im gerichtlichen Verfahren über die Bestätigung des Zwangsausgleiches nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Der "Forderungsnachlaß" im Sinn des § 156 KO ist keine Frage der Einbringlichkeit oder Uneinbringlichkeit, sondern eine im Gesetz normierte Wirkung des rechtskräftig bestätigten (Zwangs-)Ausgleiches. Im übrigen hat das Gericht insofern keine "andere" Entscheidung als die Abgabenbehörde im abgeschlossenen Verfahren getroffen, weil es die von den Gläubigern beschlossene und im abgeschlossenen Haftungsverfahren bereits berücksichtigte 20 %-ige Quote nur bestätigt hat. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß die Abgabenbehörde im abgeschlossenen Haftungsverfahren im Hinblick auf diese Quote von einer Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von 80 % (nicht von 20 %) ausgegangen ist.

Soweit der Beschwerdeführer im Hinblick auf § 305 Abs 1 BAO, wonach zur Entscheidung über Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens die Behörde zuständig ist, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat - dies war im Beschwerdefall die Abgabenbehörde zweiter Instanz -, eine Unzuständigkeit der belangten Behörde bzw eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet, weil die belangte Behörde die Unzuständigkeit des im Beschwerdefall durch die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag tatsächlich tätig gewordenen Finanzamtes nicht aufgegriffen habe, ist er nicht im Recht. § 305 Abs 1 BAO ist durch das Abgabenänderungsgesetz 1997, BGBl I Nr 9/1998, anzuwenden ab 10. Jänner 1998, dahin novelliert worden, daß die Entscheidung über Anträge auf Wiederaufnahme abgeschlossener Verfahren der Abgabenbehörde zusteht, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (im April 1998) stand § 305 Abs 1 BAO bereits in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1997 in Geltung.

Nach herrschender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungsbehörde nach der im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltenden Rechtslage zu entscheiden, soweit nicht der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß etwa auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist oder soweit nicht darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum (wie etwa bei zeitraumbezogenen Abgabenfestsetzungen) rechtens war (vgl das hg Erkenntnis vom 4. Mai 1977, 898/75).

Der Beschwerdeführer wurde nicht in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht verletzt, wenn die belangte Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung (im April 1998) den Umstand, daß § 305 Abs 1 BAO im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides noch in der ursprünglichen Fassung in Geltung stand, das Finanzamt daher zur Entscheidung des Wiederaufnahmeantrages (noch) nicht zuständig war, nicht mit der Folge der Aufhebung des Bescheides infolge Unzuständigkeit aufgegriffen hat, wobei in der Folge - bei allfälliger Aufhebung - wegen der zwischenzeitig in der geänderten Fassung geltenden Gesetzesbestimmung zweifellos abermals - diesmal zu Recht - das Finanzamt über den Wiederaufnahmeantrag zu entscheiden gehabt hätte.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 23. März 1999

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