VwGH 98/13/0159

VwGH98/13/015924.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der M GesmbH in Wien, vertreten durch Dr. Lothar Schwarz, Rechtsanwalt in Wien XI, Simmeringer Hauptstraße 36/2/1/VII, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 23. Juni 1998, MD-VfR-M 65/97, betreffend Kommunalsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §47 Abs2;
KommStG 1993 §2;
EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §47 Abs2;
KommStG 1993 §2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In der Beilage zu einer Niederschrift vom 18. Dezember 1996 über eine bei der beschwerdeführenden GmbH vorgenommene abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich Kommunalsteuer 1994 und 1995 wurde vermerkt:

"Gesellschafter-Geschäftsführer: Gabriele C. 50 %

  1. 1) es liegt kein Werkvertrag vor
  2. 2) laufende Bezüge (12x)
  3. 3) Bezüge werden dem DB nicht unterzogen
  4. 4) ist im betrieblichen Organismus eingegliedert"

Gegen den in der Folge ergangenen Kommunalsteuerbescheid vom 31. Jänner 1997 wurde Berufung erhoben. Darin wurde ausgeführt, es bestehe kein Dienstverhältnis der zu 50 % an der Beschwerdeführerin beteiligten Geschäftsführerin. Es bestehe keine Weisungsgebundenheit gegenüber der Generalversammlung. Der Geschäftsführerin obliege die gesamte kaufmännische und produktionstechnische Leitung der Beschwerdeführerin. Sie sei in den geschäftlichen Organismus nicht eingegliedert, da sie betrieblichen Ordnungsvorschriften wie Arbeitszeit, Vertretungsbefugnis, Abrechnung des Entgelts, Arbeitspausen, nicht unterworfen sei. Die Geschäftsführerin unterliege keinem gesetzlichen Urlaubsanspruch. Sie sei an keine bestimmte Arbeitszeit gebunden. Auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Lage sei sie gezwungen, sich in ihrer Freizeit den notwendigen Belangen des Unternehmens zu widmen. Es fehle an einer disziplinären Verantwortung. Es gebe keine betriebliche Kontrolle wie die Überwachung der Leistungen der Geschäftsführerin. Die Geschäftsführerin habe zusätzlich zur gesetzlichen Geschäftsführerhaftung die volle persönliche Haftung für sämtliche Kredite der Beschwerdeführerin übernommen und trage daher das Unternehmerrisiko.

Nach Erlassung einer die Berufung abweisenden Berufungsvorentscheidung stellt die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

In einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom 2. März 1998 wurde ausgeführt, die Geschäftsführerin müsse Betriebsmittel, Fahrt- und Reisekosten sowie "durch ihre Tätigkeit als Unternehmerin" anfallende Aufwendungen aus eigenen Mitteln begleichen. Die Ausübung ihrer Tätigkeit erfolge nur teilweise in den Geschäftsräumlichkeiten. Die Geschäftsführerin schulde der Gesellschaft nicht ihre Arbeitskraft. Der Aufgabenbereich der Geschäftsführerin sei "einem Werkvertrag zuzuordnen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, bei der Revision sei festgestellt worden, daß die Geschäftsführerin für ihre Tätigkeit laufende Geschäftsführerbezüge erhalten habe. Als weiteres Merkmal eines Dienstverhältnisses sei auch die Tatsache anzusehen, daß die Geschäftsführerin laut Überprüfung im betrieblichen Organismus voll eingegliedert sei. Die Übernahme der Haftung für Bankschulden hänge nicht mit der Stellung als Geschäftsführerin, sondern jener als Gesellschafterin zusammen. Bei der Revision habe keine schriftliche Vereinbarung über das Arbeitsverhältnis vorgelegt werden können. Ein Werkvertrag habe jedenfalls nicht existiert. Daß die Geschäftsführerin in der Art einer Dienstnehmerin tätig sei, sei im Hinblick auf die Betriebsrevision zu bejahen. Gegenteiliges sei zwar von der Beschwerdeführerin behauptet worden, habe aber im Gegensatz zu den Revisionsfeststellungen nicht dargetan werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 KommstG sind Personen, die in einem Dienstverhältnis iSd § 47 Abs 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z 2 EStG 1988 Dienstnehmer.

Nach § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 fallen unter die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit die Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs 2 EStG 1988) aufweisende Beschäftigung gewährt werden.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der im § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 enthaltenen Formulierung "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses" das Verständnis beizulegen, daß es zwar auf die Weisungsgebundenheit nicht ankommt, wenn diese wegen der Beteiligung an der GmbH (im Ausmaß von 50 % oder mehr oder auf Grund der Vereinbarung der Sperrminorität) fehlt, daß aber im übrigen die Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses vorliegen müssen. Für die Frage, ob "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses" iSd § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 gegeben sind, ist sohin der Umstand der Beteiligung an der GmbH auszublenden und eine auf Grund der Beteiligungsverhältnisse fehlende Weisungsgebundenheit fiktiv hinzuzudenken. Sodann ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines steuerlichen Dienstverhältnisses gegeben sind (vgl die hg Erkenntnisse vom 18. September 1996, 96/15/0121, vom 20. November 1996, 96/15/0094, vom 26. November 1996, 96/14/0028, und vom 28. Oktober 1977, 97/14/0132).

Nach der in § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 bezogenen Bestimmung des § 47 Abs 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Dabei ist für die Beurteilung einer Leistungsbeziehung als Dienstverhältnis das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit maßgebend (vgl zB die hg Erkenntnisse 25. Oktober 1994, 90/14/0184, und vom 22. Februar 1996, 94/15/0123).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren eine Anzahl von Umständen geltend gemacht, die ihrer Meinung nach gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses zu ihrer Geschäftsführerin sprechen. Insbesondere wurde vorgebracht, die Geschäftsführerin sei nicht an betriebliche Ordnungsvorschriften wie Arbeitszeit, Vertretungsbefugnis, Arbeitspausen gebunden. Sie habe keinen Urlaubsanspruch. Weiters wurde unter anderem im Berufungsverfahren eingewendet, die Geschäftsführerin habe sämtliche Aufwendungen für Betriebsmittel, Fahrt- und Reisekosten selbst zu tragen, ein Umstand, der für die Beurteilung, wer das Unternehmerwagnis trägt, von Bedeutung ist. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt. Sie ging vielmehr davon aus, daß die Geschäftsführerin nach den Feststellungen durch die abgabenbehördliche Prüfung voll in den betrieblichen Organismus eingegliedert sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß im Prüfungsbericht hiezu lediglich die Feststellung getroffen wird, die Geschäftsführerin sei "im betrieblichen Organismus eingegliedert". Diese Feststellung stellt für sich aber nur eine Schlußfolgerung dar; im Prüfungsbericht werden aber keine Tatsachen festgestellt, auf Grund derer das Prüfungsorgan zu dieser Schlußfolgerung gelangt sein könnte. Die Feststellung der belangten Behörde, es sei eine Tatsache, daß die Geschäftsführerin "im" betrieblichen Organismus voll eingegliedert sei, kann vom Verwaltungsgerichtshof mangels einer Fundierung in einem festgestellten Sachverhalt nicht nachvollzogen werden. Wenn von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid hervorgehoben wird, daß keine schriftliche Vereinbarung vorgelegt werden konnte und daß daher ein Werkvertrag nicht existiert habe, so ist darauf zu verwiesen, daß für die im Streitfall zu lösende Frage die tatsächlich verwirklichten - schriftlich, mündlich oder sonstwie abgeschlossenen - Vereinbarungen entscheidend sind.

Mit den dargelegten Begründungsmängeln hat die belangte Behörde aber bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Da die Beschwerde der Gebühr iSd § 24 Abs 3 VwGG, nicht aber jener nach § 14 TP 6 GebG unterliegt (vgl § 14 TP 6 Abs 5 Z 1 GebG), sind Beilagen zur Beschwerde nicht gebührenpflichtig iSd § 14 TP 5 GebG. Ein Kostenersatz für die auf dem angefochtenen Bescheid angebrachten Stempelwertzeichen kam daher nicht in Betracht.

Wien, am 24. Februar 1999

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