Normen
ABGB §7;
LDG 1984 §52 Abs5 idF 1993/519;
VwRallg;
ABGB §7;
LDG 1984 §52 Abs5 idF 1993/519;
VwRallg;
Spruch:
Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Berufsschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Seine Dienststelle ist die Berufsschule für Nachrichtentechnik in Wien VI.
Am 28. Mai 1997 beantragte er beim Stadtschulrat für Wien die Vergütung von Mehrdienstleistungen gemäß § 61 GG 1956. Er begründete seinen Antrag damit, dass er im Zeitraum vom 2. September 1996 bis 2. Februar 1997 seine Lehrverpflichtung wöchentlich um 10 Stunden überschritten habe.
Mangels Entscheidung durch den Stadtschulrat für Wien brachte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag (vom 24. Dezember 1997) bei der belangten Behörde als sachlich zuständiger Oberbehörde ein. Die belangte Behörde erachtete den Devolutionsantrag für berechtigt und erließ den angefochtenen Bescheid vom 19. März 1998, mit dem sie den Antrag des Beschwerdeführers auf Vergütung von Mehrdienstleistungen abwies.
In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst fest, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung auf sie als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen sei. Der Stadtschulrat für Wien habe es länger als sechs Monate unterlassen, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und einen Bescheid zu erlassen. In seiner Stellungnahme vom 5. Februar 1998 habe er dies damit begründet, dass wegen Unklarheiten über die Rechtslage ein Rechtsgutachten abgewartet worden sei. Dass die zur Entscheidung berufene Behörde Zeit für die Abklärung von Rechtsfragen benötige, stelle aber kein unüberwindliches Hindernis dar; die Verzögerung sei somit auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen.
Zum Antrag auf Vergütung von Mehrdienstleistungen führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, dass sich laut Stellungnahme des Stadtschulrates vom 5. Februar 1998 im Bereich des Stadtschulrates für Wien das Problem stelle, dass an ganzjährig geführten Berufsschulen für Lehrberufe mit 3 1/2-jähriger Lehrzeit die Klassen des vierten Jahrganges nach Beendigung des Wintersemesters wegfielen. Jene Lehrer, die im Wintersemester in diesen Klassen Mehrdienstleistungen erbrächten, könnten aufgrund der geringen Schülerzahlen im Sommersemester teilweise nicht mehr vollbeschäftigt werden. Darüber hinaus werde im Lehrberuf Nachrichtenelektroniker die Berufsschulzeiterweiterung in Blockform umgesetzt; es würden in den dritten Klassen im Wintersemester zwei 2-Wochen-Blöcke abgehalten. Der Beschwerdeführer sei im Wintersemester 1996/97 im Blockunterricht der dritten Klassen eingesetzt gewesen und habe wöchentlich 33 Stunden Dienst geleistet, habe jedoch im Sommersemester aus den oben genannten Gründen nicht im Rahmen seiner vollen Lehrverpflichtung eingesetzt werden können. Aufgrund der organisatorischen, fachspezifischen und pädagogischen Rahmenbedingungen sei es auch nicht möglich gewesen, den Beschwerdeführer in anderen Klassen oder Schulen zu beschäftigen, sodass er im Sommersemester wöchentlich 10 Stunden weniger unterrichtet habe als zur Erfüllung seiner Lehrverpflichtung erforderlich wäre. Diese Diensteinteilung und die daraus folgende tatsächliche Beschäftigung im Schuljahr 1996/97 seien vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Er habe vielmehr selbst seinem Antrag vom 28. Mai 1997 die entsprechende Lehrfächerverteilung beigelegt.
§ 52 Abs. 5 LDG 1984 regle zwei verschiedene Problemkreise:
Mit dem ersten Satz würden Probleme erfasst, die sich aus lehrgangsmäßigem oder saisonmäßigem Unterricht ergäben. Der zweite Satz hingegen ("Ist aus organisatorischen Gründen eine Beschäftigung im vollen Ausmaß der Lehrverpflichtung nicht während des gesamten Unterrichtsjahres möglich, sind die Abs. 1 bis 4d mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Gesamtzahl der Jahresstunden jener eines vergleichbaren Lehrers einer ganzjährig geführten Berufsschule entspricht") beziehe sich auf Probleme, die sich aus organisatorischen Gründen ergäben. Organisatorisch könne es aber sowohl bei lehrgangsmäßigen und saisonmäßigen als auch bei ganzjährigen Berufsschulen Schwierigkeiten geben, alle Lehrer im vollen Ausmaß der Lehrverpflichtung zu beschäftigen. Auch die Systematik des Gesetzestextes lege eine derartige Auslegung nahe, weil der zweite Satz auf die begriffsmäßigen Einschränkungen des ersten Satzes keinen Bezug nehme. Eine Wendung wie etwa "in diesen Berufsschulen", die eine Verbindung zum ersten Satz herstellen würde, sei dem zweiten Satz nicht zu entnehmen. In jenen Fällen, in welchen aus organisatorischen Gründen eine Beschäftigung im vollen Ausmaß der Lehrverpflichtung nicht während des gesamten Unterrichtsjahres möglich sei, sei daher auf den Durchschnitt der Jahresstunden abzustellen.
Die Berufsschule, in welcher der Beschwerdeführer beschäftigt sei, werde ganzjährig geführt. Dem Antrag und den angeschlossenen Beilagen sei zu entnehmen, dass die Lehrverpflichtung des Antragstellers im Schuljahr 1996/97 23 Stunden pro Woche betragen habe. Im ersten Semester sei er 33 Stunden pro Woche tatsächlich beschäftigt gewesen, im zweiten Semester dieses Schuljahres jedoch nur 13 Stunden pro Woche. Der Jahresdurchschnitt ergebe eine Beschäftigung des Beschwerdeführers im Ausmaß von 23 Wochenstunden. Das Ausmaß der Beschäftigung während des gesamten Schuljahres entspreche somit genau dem Ausmaß der Lehrverpflichtung. Der Beschwerdeführer habe keine Mehrdienstleistung erbracht, die nach § 61 Abs. 1 GehG zu vergüten wäre. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 106 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 gilt für das Besoldungsrecht
der Landeslehrer das Gehaltsgesetz 1956.
Im Beschwerdefall ist, da es sich um einen zeitraumbezogenen Anspruch handelt, die Rechtslage vor der Novelle BGBl. Nr. 138/1997 (1. Budgetbegleitgesetz 1997) anzuwenden.
§ 61 Abs. 1 Gehaltsgesetz (GG)1956 in der demnach maßgeblichen
Fassung gemäß BGBl. Nr. 16/1994 lautet:
"Wird durch
- 1. dauernde Unterrichtserteilung,
- 2. Einrechnung von Nebenleistungen nach § 9 BLVG,
- 3. Einrechnung von Erziehertätigkeiten und Aufsichtsführung nach § 10 BLVG sowie
4. Einrechnung von Tätigkeiten in ganztägigen Schulformen nach § 12 BLVG
das Ausmaß der Lehrverpflichtung überschritten, so gebührt hiefür dem Lehrer an Stelle der in den §§ 16 bis 18 angeführten Nebengebühren eine besondere Vergütung."
§ 52 Abs. 5 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG) 1984 in der Fassung BGBl. Nr. 519/1993 lautet:
"Die Lehrer an den lehrgangsmäßigen und saisonmäßigen Berufsschulen sind nach Möglichkeit gleichmäßig während des gesamten Unterrichtsjahres zu beschäftigen. Ist aus organisatorischen Gründen eine Beschäftigung im vollen Ausmaß der Lehrverpflichtung nicht während des gesamten Unterrichtsjahres möglich, sind die Abs. 1 bis 4d mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Gesamtzahl der Jahresstunden jener eines vergleichbaren Lehrers einer ganzjährig geführten Berufsschule entspricht."
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Mehrdienstleistungsvergütung in gesetzlicher Höhe nach § 61 GG 1956 durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie des § 52 Abs. 5 LDG 1984 und durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
In Ausführung des Beschwerdepunktes bringt er insbesondere vor, dass entgegen der Auffassung der belangten Behörde der zweite Satz des § 52 Abs. 5 LDG 1984 in Übereinstimmung mit dem ersten Satz der Bestimmung ausschließlich auf lehrgangsmäßige und saisonmäßige Berufsschulen bezogen und daher im Beschwerdefall nicht anzuwenden sei. Damit sei der behördliche Begründungsversuch für die Verweigerung der Mehrdienstleistungsvergütung gescheitert und der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.
Der Wortlaut des § 52 Abs. 5 LDG 1984 erfasst nur lehrgangsmäßige und saisonmäßige Berufsschulen. Dies gilt entgegen der Annahme der belangten Behörde auch für den zweiten Satz, der zwar die Bezeichnung dieser Berufsschultypen nicht wiederholt, aber unmissverständlich auf sie bezogen ist und sie mit der Forderung, dass "die Gesamtzahl der Jahresstunden jener eines vergleichbaren Lehrers einer ganzjährig geführten Berufsschule" entsprechen soll, den ganzjährigen Berufsschulen gegenüberstellt.
Zu erwägen wäre mangels einer entsprechenden Regelung für den Bereich der ganzjährig geführten Berufsschulen allenfalls eine analoge Anwendung des § 52 Abs. 5 LDG 1984. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung für die analoge Anwendung verwandter Rechtsvorschriften ist freilich das Bestehen einer echten Rechtslücke; im Zweifel ist eine auftretende Rechtslücke als beabsichtigt anzusehen. Wo die gesetzlichen Bestimmungen eindeutig sind, d.h. keine planwidrige Unvollständigkeit erkennen lassen, ist für die Anwendung der Gesetzesanalogie kein Raum. Eine echte (d.h. planwidrige) Rechtslücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1994, 93/08/0254, und die dort zitierte Judikatur).
Im Beschwerdefall muss bei der Prüfung dieser Kriterien darauf Bedacht genommen werden, dass § 52 Abs. 5 LDG 1984 mit der Novelle BGBl. I Nr. 138/1997 dahingehend geändert worden ist, dass die Beschränkung auf lehrgangsmäßige und saisonmäßige Berufsschulen weggefallen ist. § 52 Abs. 5 LDG 1984 lautet nunmehr: "Die Lehrer an Berufsschulen sind nach Möglichkeit gleichmäßig während des gesamten Unterrichtsjahres zu beschäftigen. Ist ein unterschiedliches Beschäftigungsausmaß während eines Unterrichtsjahres aus Gründen der Schulorganisation erforderlich, sind die Abs. 1 bis 4d mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Gesamtzahl der Jahresstunden jener eines im Rahmen der vollen Lehrverpflichtung während des gesamten Unterrichtsjahres beschäftigten vergleichbaren Lehrers entspricht." In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage
(885 Blg. Sten. Prot. NR XVIII. GP) wird dazu ausgeführt, dass das Schulorganisationsgesetz zwischen ganzjährigen, lehrgangsmäßigen und saisonmäßigen Berufsschulen unterscheide. Da an lehrgangsmäßigen und saisonmäßigen Berufsschulen - im Gegensatz zur seinerzeitigen Regelung für die ganzjährigen Berufsschulen - eine ganzjährig gleichmäßige Beschäftigung auf Grund der Unterrichtssituation nicht gewährleistet werden könne, sähen § 52 Abs. 3 und 5 hiefür spezielle Bestimmungen vor. Seit der Novelle BGBl. Nr. 497/1990 zum Schulorganisationsgesetz sei eine Unterrichtsblockung auch bei ganzjährigen Berufsschulen möglich. Aus diesem Grund solle die Einschränkung der Sonderregelung für Berufsschullehrer mit nicht ganzjährig gleich bleibendem Beschäftigungsausmaß auf die lehrgangs- und saisonmäßigen Berufsschulen als nicht systemgerecht entfallen. Die geänderte Fassung des § 52 Abs. 5 LDG 1984 sollte allerdings gemäß § 123 Abs. 26 Z. 2 LDG 1984 erst mit 1. September 1998 in Kraft treten. Die Kundmachung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 29. Dezember 1997. Auch im Hinblick hierauf kann die zuvor umschriebene Beschränkung der Regelung auf bestimmte Typen von Berufsschulen nicht als planwidrige Lücke verstanden werden. Die analoge Anwendung des § 52 Abs. 5 LDG 1984 a.F. auf Lehrer an ganzjährigen Berufsschulen ist daher ausgeschlossen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416 /1994.
Wien, am 26. Mai 1999
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)