VwGH 98/11/0308

VwGH98/11/03089.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Ing. MP in W, vertreten durch Rechtsanwälte Haslinger/Nagele & Partner, Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 16. November 1998, Zl. O/69/18/02/36, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
WehrG 1990 §15 Abs1;
WehrG 1990 §23 Abs2;
AVG §52;
WehrG 1990 §15 Abs1;
WehrG 1990 §23 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 24. Jänner 1969 geborene Beschwerdeführer wurde anlässlich seiner ersten Stellung im Jahre 1987 für "Tauglich" erklärt. Nach wiederholtem Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes wegen Schul- und Hochschulausbildung wurde er am 31. Oktober 1996 neuerlich der Stellung unterzogen und für "Vorübergehend untauglich" erklärt. Bei der dieser Entscheidung vorangegangenen Untersuchung waren in Übereinstimmung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden ein Ulcus duodeni, ein Kniegelenksschaden und ein Wirbelsäulensyndrom festgestellt worden.

Am 16. November 1998 fand eine neuerliche Stellung statt. Dazu brachte der Beschwerdeführer die Bestätigung des Arztes Dr. P. vom 22. Oktober 1998 mit, die folgenden Inhalt hat:

"Dg.: rec. Lumbalgie bei Beinlängenverkürzung li (1 cm) und re aktiven LWS Veränderungen.

Th: Schonung, Beinlängenausgleich und fallw. ärztl. Behandl. Ich ersuche um Berücksichtigung im Rahmen des Präsenzdienstes"

Dieser Bestätigung lag die Befundnachricht des Facharztes für Radiologie Dr. S. vom 22. September 1998 mit folgendem Inhalt zugrunde:

"LWS ap., seitlich im Stehen:

Ausgeprägte Hyperlordose und rechts konvexe Skoliose der LWS. Alle LWK von normaler Größe, Form, Struktur und Schattendichte. Bei Spondylose L2-S1 erkennt man vermehrt geschwungene Deck- und Schlussplatten und Verplumpung der WK-Ränder. Bei L5-S1 findet sich eine dorsale Stufenbildung.

Beckenübersicht ap., im Stehen:

Symmetrischer knöcherner Beckenring von normaler Größe, Form, Struktur und Schattendichte. Arthrosezeichen erkennt man an beiden Ileosacralgelenken mit Verschmälerung der Gelenkspalten und subchondraler Sklerosierung der Gelenkflächen sowie reaktiven Randzacken an den caudalen Gelenksflächenrändern. Zudem erkennt man einen Cranialstand des linken Femurkopfes von 10 mm."

Die Untersuchungsärztin und die leitende Ärztin der Stellungskommission kamen auf Grund der vom Beschwerdeführer mitgebrachten Befunde und der Untersuchung zur Diagnose "Gastritis NUD, Chondromalacia patellae, Rückenschmerzen n.n.bez., Gliedmaßen untere-Reduktionsdeformitäten". Im Formular für das Stellungsuntersuchungsergebnis findet sich unter der Spalte "Gesundheitsprof. (Ist-Profil)" die Eintragung "Heben, Tragen, Springen, extr. Klimabelastung".

Mit Beschluss der Stellungskommission bei der belangten Behörde vom 16. November 1998 wurde die Eignung des Beschwerdeführers mit "Tauglich" festgestellt. Ihm wurde gemäß § 23 Abs. 6 WG eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 1 WG darf in das Bundesheer nur einberufen werden, wer u.a. die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzt. Demnach genügt nunmehr - im Unterschied zu der bis zum Inkrafttreten des Wehrrechtsänderungsgesetzes 1988 mit 1. Juli 1988 bestandenen Rechtslage (wonach bis dahin die volle körperliche und geistige Eignung zum Dienst im Bundesheer Voraussetzung für die Aufnahme in dieses war) - die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung. Dies setzt u.a. das erforderliche Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit für eine zumindest eingeschränkte militärische Ausbildung zum Dienst mit der Waffe voraus (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0072, vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0105, vom 2. Juli 1991, Zl. 91/11/0022, und vom 10. November 1998, Zl. 97/11/0046).

Ein auf "Tauglich" lautender Beschluss der Stellungskommission bedarf gemäß § 23 Abs. 2 letzter Satz WG der Zustimmung des Arztes. Die einem solchen Beschluss zugrundeliegende ärztliche Beurteilung muss erkennen lassen, aus welchem Grund der Arzt der Auffassung ist, der Stellungspflichtige besitze die notwendige körperliche und geistige Eignung im oben beschriebenen Sinn. Dies erfordert in Fällen, in denen Krankheitszustände oder Gebrechen festgestellt werden, welche die mögliche Kraftanstrengung und Beweglichkeit beeinträchtigen, nachvollziehbare Ausführungen dazu, in welchem Ausmaß der Stellungspflichtige auf Grund seines festgestellten Gesundheitszustandes in der Kraftanstrengung und Beweglichkeit gehindert ist.

Eine derartige Begründung fehlt im vorliegenden Fall. Aus den oben wiedergegebenen Diagnosen im Stellungsuntersuchungsergebnis im Zusammenhalt mit den Eintragungen unter der Spalte "Gesundheitsprof. (Ist-Profil)" kann darauf geschlossen werden, dass beim Beschwerdeführer Einschränkungen in der Belastung durch Heben, Tragen, Springen und "extremes Klima" bestehen. In welchem Ausmaß dies der Fall ist und ob und inwiefern der Beschwerdeführer demnach im oben beschriebenen Sinn militärisch ausgebildet werden kann, kann aber auch unter Berücksichtigung der im "Statusblatt" enthaltenen handschriftlichen Eintragungen der Untersuchungsärztin nicht erkannt werden. Es fehlt demnach eine schlüssige ärztliche Beurteilung der körperlichen Eignung des Beschwerdeführers. Der auf "Tauglich" lautende Beschluss der Stellungskommission beruht somit auf einer nicht nachvollziehbaren ärztlichen Beurteilung.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. November 1999

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