VwGH 98/11/0301

VwGH98/11/03019.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des LD in M, vertreten durch Mag. Andreas Germann, Rechtsanwalt in Bregenz, Anton-Schneider-Straße 28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14. Oktober 1998, Zl. 3-54-02/98/K1, betreffend Erteilung der Probefahrlehrerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §109 Abs1 litb;
KFG 1967 §109 Abs1 litg;
KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §73 Abs3;
KFG 1967 §109 Abs1 litb;
KFG 1967 §109 Abs1 litg;
KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §73 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Februar 1998 auf Erteilung der Probefahrlehrerberechtigung für die Klassen A, B, B+E und F gemäß § 117 Abs. 1 in Verbindung mit § 116 Abs. 6 und § 109 Abs. 1 KFG 1967 abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer fehlten die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 109 Abs. 1 lit. b und g KFG 1967. Der Beschwerdeführer habe am 22. Juli 1994 auf einer näher bezeichneten Straßenstelle im Ortsgebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unter Berücksichtigung der Messtoleranz um 41 km/h überschritten. Dabei handle es sich um eine schwer wiegende Übertretung. Am 26. Februar 1998 habe er eine weitere schwer wiegende Verwaltungsübertretung begangen, indem er auf einer näher bezeichneten Stelle der A 14 im Gegenverkehrsbereich die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 30 km/h überschritten habe. Weiters habe er im zu berücksichtigenden Zeitraum der letzten fünf Jahre ein Mal gegen § 8 Abs. 4 StVO 1960 und zwei Mal gegen § 7 Abs. 1 lit. a des Parkabgabegesetzes verstoßen. Ein weiterer Verstoß gegen diese Bestimmung aus dem Jahr 1993 sowie Verstöße gegen § 106 Abs. 4 und § 103 Abs. 2 KFG 1967 seien bereits als getilgt anzusehen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sei der Zeitraum, innerhalb dessen der Bewerber nicht wegen schwerer Verstöße im Sinne des § 109 Abs. 2 lit. g KFG 1967 bestraft worden sein dürfe, mit fünf Jahren anzunehmen und nicht mit drei Jahren, sodass der Beschwerdeführer die Voraussetzung nach der zitierten Gesetzesstelle nicht erfülle. Im Übrigen fehle dem Beschwerdeführer aufgrund der von ihm begangenen Übertretungen die gemäß § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 geforderte Vertrauenswürdigkeit. Da einem Probefahrlehrer Personen anvertraut seien, die im Zuge des praktischen Fahrunterrichtes auch in der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften unterwiesen werden sollen, müsse man sich auf einen Fahrlehrer gerade in dieser Hinsicht in besonderem Maße verlassen können, weshalb bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ein strenger Maßstab angelegt werden müsse. Aufgrund der eklatanten Geschwindigkeitsüberschreitungen könne nicht mehr von der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers gesprochen werden. Dieser vermittle aufgrund seiner Vorstrafen ein Persönlichkeitsbild, das ein Vertrauen in ihn im Hinblick auf die bei der Erteilung des praktischen Fahrunterrichtes zu beachtenden öffentlichen Rücksichten nicht zu rechtfertigen vermöge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 117 Abs. 1 KFG 1967 darf die Bewilligung, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen, nur Personen erteilt werden, die die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen erfüllen. Die Bestimmungen u. a. des § 116 Abs. 6 sind auf Fahrlehrer sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 116 Abs. 6 KFG 1967 hat der Landeshauptmann auf Antrag Personen, bei denen die im § 109 Abs. 1 lit. b, e und g oder die im Abs. 1 angeführten Voraussetzungen vorliegen oder bei denen nur die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen vorliegen und denen eine Befreiung gemäß Abs. 2 oder gemäß § 109 Abs. 2 erteilt wurde, die Berechtigung zu erteilen, in einer bestimmten Fahrschule als Probefahrschullehrer theoretischen und praktischen Unterricht zu erteilen, wenn diese Personen zur Vorbereitung auf die Lehrbefähigungsprüfung (§ 118) in Ausbildung stehen.

Nach § 109 Abs. 1 KFG 1967 darf eine Fahrschulbewilligung (§ 108 Abs. 3) nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die ...

  1. b) vertrauenswürdig sind, ...
  2. g) "seit mindestens drei Jahren eine Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse von Kraftfahrzeugen besitzen, für die Lenker ausgebildet werden sollen, und glaubhaft machen, dass sie innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre lang solche Fahrzeuge tatsächlich gelenkt haben und nicht wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften bestraft worden sind".

    Die im Mittelpunkt des Verwaltungsverfahrens und der Schriftsätze des vorliegenden Beschwerdeverfahrens stehende Frage, ob es genügt, wenn der Bewerber in den letzten drei Jahren nicht im Sinne des § 109 Abs. 2 lit. g KFG 1967 bestraft wurde (so der Standpunkt des Beschwerdeführers), oder ob der maßgebliche Zeitraum fünf Jahre beträgt (so die belangte Behörde), kann ebenso auf sich beruhen wie die Untersuchung der Frage, ob sich das in der zitierten Gesetzesstelle enthaltene zeitliche Erfordernis ("innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre lang") nicht etwa nur auf das zu bescheinigende Lenken bezieht, sodass hinsichtlich des Fehlens von Bestrafungen in dieser Bestimmung kein zeitliches Mindesterfordernis aufgestellt und daher zu prüfen wäre, ob die Behörde insoweit die Tilgungsfrist (§ 55 VStG) oder eine in Analogie zu § 122 Abs. 2 lit. c KFG 1967 gefundene kürzere Frist zu beachten hätte. Die Voraussetzung nach § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967 fehlt nämlich im gegebenen Zusammenhang nur bei Bestrafung wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften. Die Verwendung der Mehrzahl in dieser Gesetzesstelle hat zur Folge, dass die Bestrafung wegen nur eines schweren Verstoßes noch nicht zum Wegfall der Erteilungsvoraussetzung gem. § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967 führt.

    Von den von der belangten Behörde herangezogenen Übertretungen kann nur die am 22. Juli 1994 begangene als schwerer Verstoß im Sinne des § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967 angesehen werden, dies im Hinblick darauf, dass zufolge § 64a Abs. 3 lit. a KFG 1967 eine mit Messgeräten festgestellte Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet als schwerer Verstoß nach Abs. 2 anzusehen ist. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung in dem dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Ausmaß würde zudem eine zur Entziehung der Lenkerberechtigung führende bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 (idF der 18. KFG-Novelle BGBl. Nr. 162/1995) bzw. § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG darstellen.

    Die weitere von der belangten Behörde herangezogene Übertretung vom 26. Februar 1998 (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Freilandstraßen um 30 km/h) kann hingegen nicht als schwerer Verstoß gemäß § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967 qualifiziert werden, zumal eine solche Übertretung selbst bei Begehung durch den Besitzer einer Lenkberechtigung für Anfänger (Probeführerschein) zufolge § 4 Abs. 6 Z. 2 FSG keinen schweren Verstoß darstellen würde und damit keinen Grund für die Anordnung einer Nachschulung gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. böte. Die Tatsache, dass diese Geschwindigkeitsüberschreitung kurz vor dem Einfahren in einen Tunnel begangen wurde, ändert an dieser Beurteilung nichts, zumal besondere Gründe für die Annahme, das Verhalten des Beschwerdeführers sei im Hinblick auf eine konkrete Verkehrssituation besonders gefährlich gewesen, nicht aufgezeigt werden und für den Verwaltungsgerichtshof aus dem Akteninhalt auch nicht zu erkennen sind.

    Nach dem Gesagten weist der Beschwerdeführer nur eine Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes im Sinne des § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967 auf, sodass - unabhängig von der Frage, für welchen Zeitraum solche Bestrafungen berücksichtigt werden müssen - die erfolgten Bestrafungen die Erteilungsvoraussetzung nach dieser Gesetzesstelle nicht beseitigen.

    Der Verwaltungsgerichtshof kann auch die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei im Hinblick auf die von ihm begangenen Übertretungen nicht vertrauenswürdig (§ 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967), nicht teilen. Ein Verhalten wie das vom 22. Juli 1994 hätte nach der durch die 18. KFG-Novelle geschaffenen Rechtslage (§ 66 Abs. 2 lit. i in Verbindung mit § 73 Abs. 3 KFG 1967) die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von nur zwei Wochen gerechtfertigt. Diese den genannten Bestimmungen zugrunde liegende Wertung verbietet es, mehrere Jahre später auf eine solche Übertretung die Annahme der mangelnden Vertrauenswürdigkeit zu gründen. Der seit der Begehung von strafbaren Handlungen verstrichenen Zeit und dem Verhalten während dieser Zeit kommt im gegebenen Zusammenhang große Bedeutung zu (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl. 93/11/0101). Auch die weiteren von der belangten Behörde genannten Übertretungen vermitteln angesichts ihrer Art und (geringen) Schwere und ihrer zeitlichen Lagerung kein solches Charakterbild vom Beschwerdeführer, dass von ihm nicht mehr erwartet werden könnte, den praktischen Fahrunterricht unter Einhaltung der dabei zu beachtenden kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften zu erteilen. Die Versagung der Probefahrlehrerberechtigung kann daher rechtens auch nicht auf § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 gestützt werden.

    Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren von 20 % Umsatzsteuer für Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den in der zitierten Verordnung genannten Pauschalbeträgen für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

    Wien, am 9. November 1999

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