Normen
FSG 1997 §26 Abs3 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §26 Abs7 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §41 Abs1;
FSG 1997 §26 Abs3 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §26 Abs7 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §41 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab der (am 24. Jänner 1998 erfolgten) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, entzogen.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe am 12. Juni 1997 auf einer näher bezeichneten Straßenstelle im Ortsgebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 43 km/h überschritten. Diese Überschreitung sei mit einem technischen Hilfsmittel, nämlich einem näher bezeichneten Laser-Meßgerät, festgestellt worden. Wegen dieses Vorfalles sei der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 10. Dezember 1997 bestraft worden.
Es liege demnach eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 4 Führerscheingesetz - FSG vor. Gemäß § 26 Abs. 4 leg. cit. sei dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen zu entziehen gewesen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers habe der rechtskräftige Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens nicht abgewartet werden müssen. § 26 Abs. 8 FSG verlange nur den Abschluß des Strafverfahrens in erster Instanz.
Was die das Verwaltungsstrafverfahren betreffenden Einwendungen hinsichtlich der Geschwindigkeitsmessung betreffe, werde auf die im Verwaltungsstraferkenntnis vom 10. Dezember 1997 diesbezüglich enthaltenen Ausführungen verwiesen. Im übrigen bestehe für die belangte Behörde, ebenso wie für die erstinstanzliche Behörde, hinsichtlich dieses Straferkenntnisses Bindungswirkung.
Das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung sei erst mit Ausfertigung des Straferkenntnisses am 11. Dezember 1997 eingeleitet, somit anhängig geworden, sodaß darauf nach der Übergangsbestimmung des § 41 Abs. 1 FSG bereits dieses Gesetz anzuwenden gewesen sei. Die Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens setze eine nach außen in Erscheinung tretende Amtshandlung der Behörde voraus, die darauf abziele, einen Sachverhalt zu klären, dem im Hinblick auf eine Verwaltungsvorschrift rechtserhebliche Bedeutung zukomme. Vor Inkrafttreten des FSG (1. November 1997) sei keine derartige Amtshandlung gesetzt worden. Im übrigen enthalte bereits das KFG 1967 i.d.F. der 18. KFG-Nov. in den §§ 66 Abs. 2 lit. i und 73 Abs. 3 Bestimmungen gleichen Inhaltes wie die im Beschwerdefall angewendeten Bestimmungen des FSG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg sei festgehalten, daß die belangte Behörde das FSG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/1998 anzuwenden hatte. Dies hat sie offenbar übersehen. Soweit sie im angefochtenen Bescheid § 26 Abs. 4 und 8 FSG (in der Stammfassung) zitiert, hätte sie ihren Bescheid richtigerweise auf § 26 Abs. 3 und 7 FSG i.d.F. BGBl. I Nr. 2/1998 stützen müssen. Dies gilt sinngemäß auch für die in der Beschwerde enthaltenen Gesetzeszitate. Durch die genannten Fehlzitate im angefochtenen Bescheid wurden allerdings subjektive Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.
Gemäß § 41 Abs. 1 FSG sind die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängigen Verfahren aufgrund der §§ 64 bis 77 KFG 1967 nach der bisher geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Ausgenommen hiervon ist die - für den Beschwerdefall unerhebliche - Bestimmung des § 11 Abs. 4 FSG.
Ein Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung wird nicht schon anhängig, wenn ein Tatbestand verwirklicht wird, auf den eine Entziehung gestützt werden kann, sondern erst mit dem ersten Verfahrensschritt, den die Kraftfahrbehörde setzt, um die Voraussetzungen für die Entziehung zu prüfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. August 1998, Zl. 98/11/0132). Nach der Aktenlage hat die erstinstanzliche Behörde als Kraftfahrbehörde vor der Beendigung des Verwaltungsstrafverfahrens in erster Instanz keine Amtshandlungen gesetzt. Das Verwaltungsstrafverfahren betreffende Amtshandlungen haben nicht zur Anhängigkeit des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung geführt. Dieses Verfahren ist erst nach dem 1. November 1997 anhängig geworden, sodaß die belangte Behörde mit Recht das FSG angewendet hat. Im übrigen ist nicht zu erkennen, inwiefern der Beschwerdeführer bei Anwendung des KFG 1967, insbesondere der §§ 66 Abs. 2 lit. i und 73 Abs. 2, besser gestellt wäre.
Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, eine Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 3 FSG dürfe zufolge § 26 Abs. 7 leg. cit. erst nach dem rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens erfolgen. Nach dieser Gesetzesstelle darf eine Entziehung gemäß Abs. 3 und 4 erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Der klare Gesetzeswortlaut, der nicht vom rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens sondern vom Abschluß des Verfahrens in erster Instanz spricht, steht daher der Auffassung des Beschwerdeführers entgegen.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat der Beschwerdeführer u.a. geltend gemacht, die Messung der Geschwindigkeit sei fehlerhaft erfolgt. Die Behörde habe die "Abirrung des Radarstrahles" durch den überholten LKW nicht beachtet; außerdem sei die Messung stehend, ohne Stativ bzw. Auflage durchgeführt worden, sodaß die Abirrung des Meßstrahles vom maximal 50 cm breiten Körper eines Motorradfahrers ohne weiteres möglich sei.
Die belangte Behörde hat dazu im angefochtenen Bescheid auf die Begründung des Straferkenntnisses vom 10. Dezember 1997 verwiesen und im übrigen die Auffassung vertreten, an dieses Straferkenntnis gebunden zu sein.
Soweit die belangte Behörde auf die Begründung des Straferkenntnisses vom 10. Dezember 1997 verwiesen hat, reicht dies für eine schlüssige Begründung, warum die belangte Behörde die betreffenden Berufungsausführungen für unrichtig hält, nicht aus. Der Begründung des (in den Verwaltungsakten erliegenden) Straferkenntnisses ist nämlich nicht konkret zu entnehmen, warum die oben wiedergegebenen Behauptungen in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid unrichtig oder unerheblich sein sollen.
Mit ihrem Hinweis auf die Bindung an das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 10. Dezember 1997 irrt die belangte Behörde in zweifacher Weise. Nur rechtskräftige Bescheide können nämlich Bindungswirkung entfalten, nicht aber erstinstanzliche, die einer Anfechtung im Instanzenzug unterliegen. Weiters wäre selbst im Falle der Rechtskraft des Straferkenntnisses eine Bindung nur in Ansehung der Begehung einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegeben, nicht aber eine Bindung an das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung. Dieses stellt nämlich kein wesentliches Tatbestandselement einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 dar und braucht daher im Spruch des Straferkenntnisses gar nicht aufzuscheinen. Ein überflüssiger Inhalt eines rechtskräftigen Spruches entfaltet aber keine Bindungswirkung (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 96/11/0084, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aufgrund der Beschwerdeausführungen nicht zu der vom Beschwerdeführer angeregten Antragstellung gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlaßt. Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen von Messiner, Die vorläufige Abnahme des Führerscheines nach erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen, ZVR 1997, 335 f. Dort werden nur gegen § 39 Abs. 1 FSG verfassungsrechtliche Bedenken formuliert. Diese Bestimmung war aber im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, sodaß schon aus diesem Grund eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof mangels Präjudizialität erfolglos bleiben müßte.
Da nach dem oben Gesagten die belangte Behörde in der Frage ihrer Bindung an das Straferkenntnis vom 10. Dezember 1997 die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem in der zitierten Verordnung genannten Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 9. Februar 1999
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