VwGH 98/06/0048

VwGH98/06/004825.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der Stadtgemeinde L, vertreten durch D, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Februar 1998, Zl. 03-12.10 L 80 - 98/5, betreffend die Aufhebung einer Berufungsentscheidung in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch den Landeshauptmann von Steiermark), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §15;
BauO Stmk 1968 §61 Abs5;
BauRallg;
ÖlfeuerungsG Stmk 1973 §8 Abs7;
VwRallg;
BauO Stmk 1968 §15;
BauO Stmk 1968 §61 Abs5;
BauRallg;
ÖlfeuerungsG Stmk 1973 §8 Abs7;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Stadtgemeinde Leoben hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 12. Oktober 1994 (eingelangt am 17. Oktober 1994) kam der Landeshauptmann von Steiermark - offenbar als Vertreter des Bundes - (mitbeteiligte Partei) bei der Bezirkshauptmannschaft Leoben um Bewilligung "für den Betrieb" einer Gasfeuerungsanlage im Gebäude des Landesgerichtes und der Justizanstalt Leoben ein. Dem beigelegten technischen Bericht ist zu entnehmen, dass diese Anlage anstelle einer bestehenden Ölfeuerungsanlage im Kellergeschoß des Gefangenenhauses eingebaut werden soll.

Den Akten zufolge steht die fragliche Liegenschaft (und auch das Gebäude) im Eigentum der beschwerdeführenden Gemeinde, wobei eine Dienstbarkeit der immer währenden unbeschränkten unentgeltlichen Benützung des Gerichtshofgebäudes "für hohe Staatsverwaltung" (zitiert nach dem Grundbuchsauszug) besteht.

Die Bezirkshauptmannschaft Leoben leitete das Ansuchen samt Beilagen an die Baubehörden der beschwerdeführenden Gemeinde weiter.

Unstrittig ist jedenfalls, dass im Verfahren vor den Gemeindebehörden das Begehren der mitbeteiligten Partei auf die Erwirkung der baubehördlichen Bewilligung zum Einbau dieser Gasfeuerungsanlage in diesem Gebäude gerichtet war.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 7. August 1995 wurde "der Bauwerberin" gemäß § 62 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (BO) "und im Sinne" des Steiermärkischen Gasgesetzes 1973, LGBl. Nr. 54 (in der Folge kurz: GasG), die Baubewilligung für den Einbau der Gasfeuerungsanlage unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Für das Beschwerdeverfahren sind die Auflagen Nr. 13 und 41 von Bedeutung; diese lauten:

"13. Heizräume in denen Gasfeuerstätten mit einer gesamten Nennbelastung von mehr als 100 kW installiert sind, müssen außer dem Zugang noch einen Notausgang, unmittelbar ins Freie führend, aufweisen.

Beim Zugang zum Heizraum direkt aus dem Stiegenhaus ist ab einer Nennbelastung von 50 kW eine Schleuse anzuordnen, Schleusen sind ins Freie zu entlüften."

"41. Die Schleuse ist auszubilden; die Lüftung des Schleusenraumes ist vorzusehen."

Die mitbeteiligte Partei erhob gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung insofern, als im Punkt 13. der Auflagen angeordnet wurde, dass Schleusen ins Freie zu entlüften seien, und soweit im Punkt 41. angeordnet wurde, dass die Lüftung des Schleusenraumes vorzusehen sei. Dies wurde damit begründet, dass gemäß der Heizraumrichtlinie G 4 der ÖVGW seit Oktober 1992 die Be- und Entlüftung des Schleusenraumes (Gasfeuerung) nicht notwendig und daher auch nicht mehr Stand der Technik sei (es folgt eine teilweise Wiedergabe der bezogenen Richtlinie G 4; ein Exemplar dieser Richtlinie in der Fassung Oktober 1992 befindet sich in den Verwaltungsakten). Begehrt wurde, die bekämpften Teile der Auflagen ersatzlos zu beheben.

Die Baubehörde holte daraufhin mit Erledigung vom 8. September 1995 eine Äußerung des dem erstinstanzlichen Bauverfahren beigezogenen maschinenbautechnischen Sachverständigen Dipl. Ing. Dr. K zur Frage ein, ob, insbesondere im Hinblick auf die in der Berufung genannte Heizraumrichtlinie G 4, tatsächlich die Be- und Entlüftung des Schleusenraumes der Gasfeuerungsanlage nicht mehr als Stand der Technik anzusehen sei und demgemäß die entsprechenden Auflagepunkte entfallen könnten.

In seiner Äußerung vom 25. September 1995 führte der Sachverständige aus, es sei daran zu erinnern, dass die in der Berufung zitierte Richtlinie G 4 kein Gesetz darstelle bzw. keinen Verordnungscharakter habe und auch nicht als verbindlich erklärt worden sei. Auch stellten die zitierten Richtlinien keine Normen "(Ö-NORM, EN, DIN)" dar, sondern seien als Richtlinien eines Vereines zu werten, welcher die Interessen von Gasversorgungsunternehmen, Firmen sowie persönlichen Mitgliedern in Österreich vertrete. Dennoch seien die Angaben in den ÖVGW-Richtlinien als wertvolle Hilfe für die Mitglieder des ÖVGW (= Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach) anzusehen. Es heißt weiters:

"Da diese Richtlinien nicht immer im Einklang mit Gesetzen, Verordnungen oder auch Ö-NORMEN standen (und stehen) z.B. Flüssiggasverordnung, Ö-NORMEN, DIN, Stm. Baugesetz 95 usw., stellen sie keineswegs die 'Erfahrungen der techn. Wissenschaften' (gem Stmk Gasgesetz 73, § 3 (1)) dar, bzw. sind sie nicht als Stand der Technik im Sinne der Definition GeWOG § 71 (a) (Erprobung?) zu bezeichnen, sondern bedürfen bei jeder Anwendung einer kritischen Prüfung.

Außerdem sind die Vorstellungen in den ÖVG-Richtlinien oftmals wohl als wettbewerbsverzerrend gegen Nicht-Gasfeuerungsanlagen, einzustufen."

Vorliegendenfalls sei eine dem Heizraum vorgelagerte BELÜFTBARE (im Original hervorgehoben) Schleuse aus sicherheitstechnischen Erfordernissen vorgeschrieben worden. Dies werde damit begründet, dass

a) die Nennheizleistung der Heizanlage bei rund 540 kW liege, somit den Rahmen einer Etagenheizung bzw. Einfamilienheizung weit übersteige,

b) die Sicherheitsfunktion eines nicht entlüftbaren Schleusenraumes als gering einzustufen sei und sich die Funktion auf die einer Doppeltür reduziere, was bedeute, dass bei Gasunfällen die Füllung des Schleusenraumes mit Gas nicht ausgeschlossen werden könnte,

c) die Analogie zur Ölfeuerung gleicher Nennleistung gegeben erscheine, wobei im § 8 Abs. 7 des Steiermärkischen Ölfeuerungsgesetzes sehr wohl eine Belüftung der Schleusen vorgesehen sei, und die "vorhandene Gasfeuerung zweifelsfrei einem höheren Gefahrenpotential zuzuordnen wäre",

d) im gegenständlichen Fall der Zugang zum Kellervorraum, also zum Gaszählerraum und zur Heizraumschleuse, gemäß der Dienstanweisung der Justizanstalt dauernd verschlossen gehalten werden müsse. Dies bedeute, dass sämtliche Wartungs-, Reparatur- und Einstellungsarbeiten so vorgenommen werden müssten, dass nach Durchgang des Wartungspersonales die Zugangstüren wieder geschlossen und gesichert würden. Dadurch seien im Gefahrenfalle zusätzliche Erschwernisse bei der Benützung des Fluchtweges zum Gebäudeausgang hin zu erwarten (Hinweis auf lit. c).

Unter Bedachtnahme auf § 57 Abs. 1 lit. c BO sei daher in dem Baubewilligungsbescheid die bekämpften Vorschreibungen aufgenommen worden.

Die mitbeteiligte Partei äußerte sich zu diesem Gutachten ablehnend und verwies insbesondere darauf, dass die Richtlinien, auf die sie sich stütze, zu den grundlegenden Richtlinien für den Betrieb und die Errichtung von Gasanlagen gehörten. Zu den Punkten b), c) und d) des Gutachtens führte sie aus, die Durchführung der Gasleitung durch den Schleusenraum sei mit einem dauerplastischen Material gasdicht verschlossen worden, weshalb eine Füllung mit Gas auszuschließen sei. Im Gegensatz zu einer Ölfeuerungsanlage sei bei Gasanlagen nicht mit einer Qualmbildung zu rechnen, sodass keinesfalls von einem höheren Gefahrenpotential ausgegangen werden könne. Da im gegenständlichen Fall der Zugang zum Heizraum "aus dem Freien (keine allgemein zugänglichen Teile des Hauses)" erfolge, wäre gemäß den Bauvorschriften nicht einmal die Vorschreibung eines Schleusenraumes erforderlich gewesen. Die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten erfolge im Beisein eines Justizwachebeamten, welcher beim Zutritt die Zugangstüren öffne und nach Beendigung der Arbeiten die Türen verschließe und sichere. Es seien daher keinerlei zusätzliche Erschwernisse gegeben.

Mit Berufungsbescheid vom 24. Juli 1996 wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde die Berufung als unbegründet ab. Zusammengefasst schloss sich die Berufungsbehörde der Auffassung des von den Baubehörden beigezogenen maschinenbautechnischen Sachverständigen K mit der Maßgabe an, dass die Anlage nicht, wie vom Sachverständigen angenommen, nach § 57 Abs. 1 lit. c BO, sondern nach lit. h leg. cit. bewilligungspflichtig sei.

Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung, in der sie darauf verwies, sie bekämpfe die fraglichen Auflagen deshalb, weil sich im Laufe der Zeit die "technischen Standards" (im Original unter Anführungszeichen) geändert hätten. Diese Änderungen seien im Gutachten des maschinenbautechnischen Sachverständigen nicht berücksichtigt worden. "In der alten ÖVGW-Heizraumrichtlinie G 4" sei bis zum Jahr 1992 die Entlüftung des Schleusenraumes vorgesehen gewesen. In der Neubearbeitung - aktueller Stand Oktober 1992 - sei die Be- und Entlüftung des Schleusenraumes entfallen und nicht mehr erforderlich. Die Technischen Vorschriften und Richtlinien der ÖVGW gehörten nicht nur in der Steiermark sondern österreichweit zu den grundlegenden Richtlinien für den Betrieb und die Errichtung von Gasanlagen. Die Auffassung des maschinentechnischen Sachverständigen entspreche daher nicht mehr dem Stand der Technik.

In den Akten der belangten Behörde befindet sich der Vermerk, dass die Sachbearbeiterin am 3. April 1997 anlässlich einer auswärtigen Amtshandlung gemeinsam mit einem Sachverständigen der Landesregierung, B, die fragliche Heizungsanlage besichtigt habe. Dieser erstattete im aufsichtsbehördlichen Verfahren ein ergänzendes Gutachten vom 19. September 1997 ein. Darin heißt es, das Vorhaben sei nach der Rechtslage zum Zeitpunkt "der Baubewilligungseinreichung" im Oktober 1994 zu beurteilen. Die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigenden technischen Bestimmungen seien mangels besonderer Vorschriften für Gasheizungsanlagen in der Steiermärkischen Bauordnung 1968 mit den Erfordernissen für einen Bau gemäß § 15 BO (Ausführung nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften) gleichzusetzen. Diese könnten analoge Bestimmungen in verwandten Regelungsbereichen der Bauordnung sein, aber auch Ö-NORMEN oder andere technische Spezifikationen, insbesondere ÖVGW-Richtlinien (hier:

Heizraumrichtlinie, Anforderungen an Heizräume für gasbefeuerte Zentralheizungsanlagen, Richtlinie G 4). Im Berufungsbescheid werde die Forderung nach Belüftbarkeit der Schleuse mit § 8 Abs. 7 des Ölfeuerungsgesetzes begründet, wonach Anlagen entsprechend dimensionierter Ölheizungen (von mehr als 100.000 kcal/h Nennheizleistung) von Stiegenhäusern, Gängen und dergleichen, die als einzige Fluchtwege des Gebäudes in Betracht kämen, durch einen ständig be- und entlüfteten Vorraum getrennt sein müssten. Weiters werde von der Berufungsbehörde die Auffassung vertreten, die Sicherheitsfunktion eines nicht entlüftbaren Schleusenraumes reduziere sich auf die Funktion einer Doppeltüre. Bei einer Gasheizung sei von einem noch weitaus höheren Gefahrenpotential zu sprechen. Im Gefahrenfalle seien zusätzliche Erschwernisse bei der Benützung des Fluchtweges zum Gebäudeausgang hin zu erwarten, weil nach Durchgang des Wartungspersonales die Zugangstüren wieder verschlossen und gesichert werden müssten.

Demgegenüber stehe die dezidierte Aussage der ÖVGW-Richtlinie G 4, die unabhängig von der Nennheizleistung der Kessel bei einem Zugang aus dem Bereich eines notwendigen Verbindungsweges (Fluchtweg) oder eines brandgefährdeten Raumes (z.B. Garagen) die Vorlagerung eines Raumes mit brandhemmender Türe fordere. Dieser Raum müsse aber nicht gesondert be- und entlüftet werden. Auf diese Aussage stütze sich die Berufung bzw. die Vorstellung der mitbeteiligten Partei.

Die aus 1992 stammende ÖVGW-Richtlinie G 4 werde von den "Unterinstanzen" keineswegs als die Erfahrungen der technischen Wissenschaften darstellend anerkannt, bzw. es sei bei jeder Anwendung eine kritische Prüfung erforderlich. Wie schon in Äußerungen der mitbeteiligten Gemeinde (an die Baubehörden) ausgeführt, würden ÖVGW-Richtlinien "in einer kommentierten Ausgabe des Gasgesetzes sehr wohl als Fußnote zu den einzuhaltenden Erfahrungen der technischen Wissenschaften (wenn auch zu anderen Themen als die G 4) angeführt. Entsprechendes findet sich in einer Kundmachung der Landesregierung von in Betracht kommenden technischen Regelwerten nach der Feuerungsanlagen-Genehmigungsverordnung". Nach hiesiger Fachsicht sei der ausschließlich zur Erreichung des Heizraumes von außen dienende Zugangsbereich kein solcher, der Stiegenhäusern, Gängen und dergleichen, die als einzige Fluchtwege des Gebäudes (im Original hervorgehoben) in Betracht kämen, gleichzuhalten wäre. Für diesen Fall sehe auch das Ölfeuerungsgesetz in seinem § 8 Abs. 6 lediglich die Ausführung einer Türe aus unbrennbaren Baustoffen (nicht einmal brandhemmend!) vor.

Hingegen entspreche der beschriebene Zugangsbereich (Fluchtweg nur vom Heizraum ins Freie) genau den Voraussetzungen der ÖVGW-Richtlinie G 4. Es sei daher nicht einzusehen, dass man sich auf die Bestimmungen des Ölfeuerungsgesetzes (mit der Forderung der Be- und Entlüftung der Schleuse) festlege, obwohl die örtliche Situation nicht den im Ölfeuerungsgesetz beschriebenen Voraussetzungen entspreche ("einzige Fluchtwege des Gebäudes werden nicht berührt"), andererseits man die Bestimmungen der G 4-Richtlinie ausschlage, obwohl die Voraussetzungen für deren Anwendungen zuträfen. Gerade in diesem Umstand sei aber die Begründung, nämlich die im Berufungsbescheid geforderte kritische Prüfung, zu sehen, dass die ÖVGW-Richtlinie zu wenden sei.

Dessen ungeachtet sei zwischenzeitig eine Belüftung der Schleuse mittels einer brandbeständigen Luftleitung, die über den Gaszählerraum direkt ins Freie führe, hergestellt worden. Somit könnten die Auflagen 13. und 41. des Baubescheides als erfüllt angesehen werden.

Mit Erledigung vom 19. Dezember 1997 brachte die belangte Behörde dieses Gutachten der beschwerdeführenden Gemeinde zwecks allfälliger Stellungnahme binnen drei Wochen zur Kenntnis und verwies ergänzend darauf, dass zwar den Auflagen des Baubewilligungsbescheides zwischenzeitig entsprochen worden sei, die mitbeteiligte Partei jedoch eine Entscheidung über die eingebrachte Vorstellung wünsche. Die beschwerdeführende Gemeinde gab keine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Berufungsbescheid wegen Verletzung von Rechten der mitbeteiligten Partei behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde begründend aus, das Bauverfahren sei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 am 1. September 1995 bereits anhängig gewesen, sodass es nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung 1968 zu Ende zu führen sei. Nach Hinweis auf § 15 Abs. 1 BO und auf § 3 Abs. 1 GasG führte die belangte Behörde aus, dort, wo in den bautechnischen Vorschriften des Gesetzes keine Regelung bestehe, hätten die Erfahrungen der technischen Wissenschaften zu gelten. Die im Gegenstandsfall maßgebliche ÖVGW-Richtlinie (Heizraumrichtlinie, Anforderungen an Heizräume für gasbefeuerte Zentralheizungsanlagen, Richtlinie G 4), herausgegeben von der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach, könne den Stand der technischen Wissenschaften darstellen, obgleich ihr keine verbindliche Wirkung zukomme. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Frage, ob bei Gasfeuerungsanlagen Schleusen zu be- und entlüften seien, liege keine zwingende gesetzliche Bestimmung vor. Der dem erst- und zweitinstanzlichen Verfahren vor den Gemeindebehörden beigezogene maschinentechnische Sachverständige habe die Notwendigkeit einer Schleusenbe- und -entlüftung damit begründet, dass aufgrund der Nennheizleistung von rund 540 kW die Sicherheitsfunktion eines nicht entlüftbaren Schleusenraumes als gering einzustufen und eine Analogie zur Ölfeuerung gleicher Nennleistung gegeben sein, weil § 8 Abs. 7 des Steiermärkischen Ölfeuerungsgesetzes sehr wohl eine Belüftung der Schleuse vorsehe.

Dem gegenüber habe der dem aufsichtsbehördlichen Verfahren beigezogene bautechnische Amtssachverständige in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass zwar gemäß der Bestimmung des § 8 Abs. 7 des Steiermärkischen Ölfeuerungsgesetzes 1973 bei Anlagen mit einer Nennheizleistung der Kessel von insgesamt mehr als 100.000 kcal/h Stiegenhäuser, Gänge und dergleichen, die als einzige Fluchtwege des Gebäudes in Betracht kämen, von der Anlage durch einen ständig be- und entlüfteten Vorraum getrennt sein müssten. Der ausschließlich zur Erreichung des Heizraumes von außen dienende Zugangsbereich sei jedoch kein solcher, der Stiegenhäusern, Gängen und dergleichen, die als einzige Fluchtwege des Gebäudes in Betracht kämen, gleichzuhalten wäre. Diesfalls sehe nämlich auch § 8 Abs. 6 des Ölfeuerungsgesetzes lediglich die Ausführung einer Türe als unbrennbaren Baustoffen (nicht einmal brandhemmend) vor. Der beschriebene Zugangsbereich (Fluchtweg nur vom Heizraum ins Freie) entspreche genau den Voraussetzungen der ÖVGW-Richtlinie G 4. Da die örtliche Situation nicht den im Ölfeuerungsgesetz beschriebenen Voraussetzungen entspreche (einzige Fluchtwege des Gebäudes würden nicht berührt), andererseits die Voraussetzungen für die Anwendung der G 4-Richtlinie zuträfen, könne nicht rechtmäßigerweise auf die Bestimmungen des Ölfeuerungsgesetzes mit der Forderung der Be- und Entlüftung der Schleuse abgestellt werden.

Da aufgrund des im aufsichtsbehördlichen Verfahren eingeholten Gutachtens festzustellen gewesen sei, dass die Berufungsbehörde bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Schleusenbe- und -entlüftung von einer nicht nachvollziehbaren analogen Anwendung des § 8 Abs. 7 des Steiermärkischen Ölfeuerungsgesetzes ausgegangen sei, obgleich die ÖVGW-Richtlinie G 4 zwar die Vorlagerung eines Raumes mit brandhemmender Türe, nicht aber die gesonderte Be- und Entlüftung fordere, seien Rechte der Vorstellungswerberin verletzt worden. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob die fragliche Schleuse mit einer Be- und Entlüftung ins Freie zu versehen ist oder nicht. Der Umstand, dass die mitbeteiligte Partei ihren Behauptungen zufolge im Zuge des Vorstellungsverfahrens eine entsprechende Be- bzw. Entlüftung hergestellt hat, vermochte ihr (auch dann, wenn die nun angeblich hergestellte Entlüftung den strittigen Auflagen entspricht) das rechtliche Interesse an der Bekämpfung dieser Auflagen nicht zu nehmen, weil ein rechtserheblicher Unterschied darin zu sehen ist, ob ein Bauwerber bescheidmäßig (dauernd) zu bestimmten Vorkehrungen verhalten ist oder ob er freiwillig (daher gegebenenfalls nicht auf Dauer) für solche Vorkehrungen Sorge trägt.

Der Verwaltungsgerichtshof tritt der Auffassung der belangten Behörde bei, dass das gegenständliche Bewilligungsverfahren gemäß den Übergangsbestimmungen des § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (BauG), LGBl. Nr. 59, nach den "bisher geltenden Bestimmungen" zu Ende zu führen war, weil es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BauG bereits anhängig war. Im Beschwerdefall ist daher die Steiermärkische Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (BO), in der Fassung LGBL. Nr. 54/1992, anzuwenden.

Die Berufungsbehörde ist von einer Bewilligungspflicht der fraglichen Anlage gemäß § 57 Abs. 2 lit. h BO ausgegangen, wonach einer Bewilligung der Baubehörde die Aufstellung von Motoren, Maschinen, Apparaten und Gegenständen bedarf, wenn hiedurch die Festigkeit von Bauten beeinflusst oder eine Gefährdung oder eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung für die Nachbarschaft herbeigeführt werden könnte und die Aufstellung nicht in einer der Gewerbeordnung unterliegenden Betriebsanlage vorgenommen wird.

Gemäß § 15 Abs. 1 BO muss jeder Bau in allen seinen Teilen nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften so ausgeführt werden, dass er nach seinem Verwendungszweck und den örtlichen Verhältnissen den Anforderungen der Sicherheit, der Festigkeit, des Brandschutzes, des Wärme- und Schallschutzes und der Hygiene entspricht.

Gemäß § 61 Abs. 5 BO obliegt der Nachweis der Erfüllung der Bestimmungen (unter anderem) des § 15 Abs. 1 BO dem Bewilligungswerber. Die (unter anderem) in § 15 Abs. 1 BO festgelegten Erfordernisse sind jedenfalls erfüllt, wenn die in Betracht kommenden Ö-NORMEN erfüllt sind.

Zunächst ist festzuhalten, dass die BO keine dezidierte Bestimmungen hinsichtlich solcher Schleusen, wie der hier strittigen, enthält. Weiters ist festzuhalten, dass § 15 BO auf den Stand der Erfahrungen der technischen Wissenschaften verweist, wobei es auf diesen Stand zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung ankommt.

Die beschwerdeführende Gemeinde wiederholt im Beschwerdeverfahren im Wesentlichen die Argumentation der Berufungsbehörde im Berufungsbescheid, bringt aber insbesondere weiters vor, ihre Behörden (und auch der von ihnen beigezogene Sachverständige) hätten sich auch auf die Anforderungen der Ö-NORM H 5170 vom 1. Oktober 1990 gestützt, insbesondere auf die Punkte 2.1.3.4, 2.4.5. sowie 2.3. (die entsprechenden Seiten dieser Ö-NORM wurden mit der Beschwerde vorgelegt), woraus sich ergebe, dass auch bei Gasfeuerungsanlagen der Schleusenraum zu belüften bzw. zu entlüften sei. Aus § 61 Abs. 5 BO ergebe sich, dass diese Ö-NORM gegenüber den von der mitbeteiligten Partei bezogenen Richtlinien Vorrang genieße (weil diese in § 61 Abs. 5 BO nicht genannt seien).

Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift unter anderem entgegen, dass diese Auffassung unzutreffend sei, überdies verweise die von der beschwerdeführenden Gemeinde bezogene und lediglich auszugsweise vorgelegte Ö-NORM H 5170 vom 1. Oktober 1990 an anderer Stelle, nämlich im Punkt 2.4.1., unter anderem auf Punkt 2.2.4.2, der gerade auf die ÖVGW-Richtlinie G 4 verweise (eine Ablichtung befindet sich in den Akten der belangten Behörde).

Dem ist folgendes zu entgegnen: Der im Beschwerdefall maßgebliche § 61 Abs. 5 BO schafft (lediglich) eine Beweiserleichterung, nämlich dahin, dass der Nachweis der Erfüllung der Bestimmungen des § 15 leg. cit., soweit hier erheblich, jedenfalls durch die (Übereinstimmung des Vorhabens mit den) einschlägigen Ö-NORMEN erbracht werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Nachweis nicht auch auf andere Weise erbracht werden könnte. Insbesondere ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass der Inhalt des Begriffes "nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften" nicht statisch, sondern veränderlich ist. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass dieser Nachweis dann, wenn eine entsprechende Ö-NORM besteht, keinesfalls durch eine solche (davon inhaltlich abweichende), spätere Richtlinie, wie sie hier streitgegenständlich ist, erbracht werden könnte (in diesem Sinne hat die mitbeteiligte Partei in ihren Rechtsmitteln damit argumentiert, dass die von den Gemeindebehörden bzw. von dem von diesen beigezogenen Sachverständigen vertretene Auffassung nicht mehr dem Stand der Technik entspreche (weil sich die diesbezüglichen Auffassungen seither geändert hätten)). Der von den Gemeindebehörden beigezogene Sachverständige hat im Verfahren vor den Gemeindebehörden zwar allgemeine Bedenken gegen Empfehlungen, Richtlinien und dergleichen geäußert, die keine Ö-NORMEN seien, auch gegen die ÖVGW-Richtlinien im Allgemeinen, hat sich aber dezidiert und konkret zu dieser Richtlinie G 4 in diesem Sinne nicht geäußert. Die belangte Behörde und der von ihr beigezogene Sachverständige haben hingegen diese Richtlinie G 4 als unbedenklich erachtet, wozu im Übrigen noch kommt (darauf wird in der Gegenschrift zutreffend verwiesen), dass die in der Beschwerde bezogene Ö-NORM H 5170 vom 1. Oktober 1990 selbst auf diese Richtlinie G 4 verweist, wenngleich dies aus chronologischen Gründen begrifflich nicht die hier bezogene Fassung vom Oktober 1992 sein kann; unabhängig von der Frage des genauen Inhaltes dieses Verweises kann dies nur dahin verstanden werden, dass diese Ö-NORM diese Richtlinie G 4 zumindest grundsätzlich als tauglich erachtet. Damit haben sich aber weder die Gemeindebehörden noch der von ihnen beigezogene Sachverständige auseinander gesetzt.

Die Gemeindebehörden und der von ihnen beigezogene Sachverständige haben sich auch auf eine Analogie zu § 8 Abs. 7 des Steiermärkischen Ölfeuerungsgesetzes 1973, LGBl. Nr. 53 (das Gesetz zuletzt in der Fassung LGBl. Nr. 82/1986, die bezogene Bestimmung in der Stammfassung), gestützt. Danach müssen bei Anlagen mit einer Nennleistung der Kessel von insgesamt mehr als 100.000 kcal/h Stiegenhäuser, Gänge und dergleichen, die als einzige Fluchtwege des Gebäudes in Betracht kommen, von der Anlage durch einen ständig be- und entlüfteten Vorraum getrennt sein.

Die analoge Anwendung des § 8 Abs. 7 leg. cit. ist aber - unabhängig von der konkreten räumlichen Situierung der Anlage - schon aus rechtlichen Gründen (weil im Gesetz nicht vorgesehen) verfehlt, maßgeblich ist vielmehr, ob das Projekt zum Zeitpunkt der Bewilligung den "Erfahrungen der technischen Wissenschaften" entsprach.

Die von den Gemeindebehörden im Hinblick auf das Ölfeuerungsgesetz angestellten Überlegungen könnten daher allenfalls insoweit rechtliche Relevanz für das gegenständliche Verfahren erlangen, als damit Erfordernisse des Standes der Technik auch für den Einbau von Gasanlagen aufgezeigt werden sollten.

Aus der zitierten Bestimmung des Ölfeuerungsgesetzes ergibt sich aber, dass diese nicht nur auf eine bestimmte Nennheizleistung der Anlage, sondern auch auf die dort näher umschriebenen räumlichen Voraussetzungen abstellt, worauf aber im Gutachten vom 25. September 1995 nicht Bedacht genommen wird. Es wird in diesem Gutachten auch nicht näher begründet, weshalb "die vorhandene Gasfeuerung zweifelsfrei einem höheren Gefahrenpotential zuzuordnen" wäre, als Ölfeuerungsanlagen im Sinne des zuvor genannten § 8 Abs. 7. Nicht unbeachtet darf dabei bleiben, dass die BO und im Übrigen auch das GasG, das zugleich (im selben Stück des Landesgesetzblattes) kundgemacht wurde, wie das Ölfeuerungsgesetz, keine dem zuvor genannten § 8 Abs. 7 vergleichbare Bestimmung vorsehen. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass es in der Beschwerde zu den räumlichen Gegebenheiten nur heißt (zitiert nach Seite 7 oben):

"Der Zugang zum Heizraum erfolgt über Örtlichkeiten innerhalb des Objektes, die als 'Gänge, Stiegenhäuser u. dgl.' angesehen werden können. Die 'Gänge etc' bilden den einzigen Fluchtweg aus dem Gebäudebereich der Justizanstalt und wurde daher im analogen Regelbereich der Stmk Bauordnung, die Einrichtung einer belüfteten Schleuse als Auflage gefordert."

Abgesehen davon, dass damit die Tatsachengrundlage des angefochtenen Bescheides nicht substantiiert bestritten wird, werden damit auch nicht dezidiert die Voraussetzungen des § 8 Abs. 7 des Steiermärkischen Ölfeuerungsgesetzes 1973 behauptet (worauf der Vollständigkeit halber zu verweisen ist, wenngleich es darauf rechtlich, wie zuvor gesagt, nicht entscheidend ankommt).

Zusammenfassend vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, dass sich die belangte Behörde zu Unrecht auf das von ihr eingeholte ergänzende Gutachten anstatt auf das dem Berufungsbescheid zugrundegelegte Gutachten gestützt bzw. einen unrichtigen Beurteilungsmaßstab angewendet hätte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Juni 1999

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