VwGH 98/03/0336

VwGH98/03/033621.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des MK in W, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 22, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 29. September 1998, Zl. UVS-28/10.002/10-1998, betreffend Übertretung des Führerscheingesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §69;
AVG §70;
FSG 1997 §1 Abs3;
FSG 1997 §37 Abs4 Z1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §69;
AVG §70;
FSG 1997 §1 Abs3;
FSG 1997 §37 Abs4 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach "§ 1(3) iVm § 37(4) Ziffer 1. Führerscheingesetz iVm § 11 Verwaltungsstrafgesetz" mit einer Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Wochen) und einer Primärfreiheitsstrafe von 7 Tagen bestraft,

"weil er am 09.11.1997 um 16.27 den Kraftwagen mit dem Kennzeichen X im Gemeindegebiet von Wals in der Unterfeldstraße Richtung Wals auf Höhe Kreuzung Walserfeldstraße (Walserfeldstraße Nr. 15) ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung gelenkt hat, da ihm die Lenkerberechtigung mit Bescheid 14/751-9783/3-1997 vom 15.9.1997 von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung entzogen wurde und die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unbestritten ist, daß der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 15. September 1997, mit dem dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B entzogen und einer allenfalls gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war, aufgrund der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 20. August 1998 aufgehoben wurde.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 15. November 1979, Slg. Nr. 9968/A) tritt im Sinne des § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG der Bescheid der Berufungsbehörde an die Stelle des Bescheides der Unterbehörde. Wird durch eine Berufungsentscheidung der Berufung Folge gegeben und der in unterer Instanz ergangene Bescheid behoben, so heißt das im Sinne des § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG in Verbindung mit der der Behörde obliegenden Rechtskontrolle, daß der in unterer Instanz ergangene Bescheid für die Zukunft, soweit sich aber die in ihm verfügten behördlichen Anordnungen oder Maßnahmen auf den Zeitraum des Berufungsverfahrens beziehen, auch für die betreffende - aus der Sicht des Berufungsbescheides in der Vergangenheit liegende - Zeit beseitigt wird. Im Sinne dieser Beseitigungswirkung gehört mit dem Ergehen des in der Hauptsache die Aufhebung des unterinstanzlichen Bescheides aussprechenden Berufungsbescheides auch ein allfälliger Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG - zufolge seines akzessorischen Charakters und seines durch § 64 Abs. 2 AVG gegebenen Inhaltes - nicht mehr der Rechtsordnung an. Von der Beseitigungswirkung werden lediglich die behördlichen Maßnahmen, die aufgrund des in der Hauptsache in unterer Instanz ergangenen Bescheides in Verbindung mit dem nach § 64 Abs. 2 AVG getroffenen Ausspruch während der Dauer des Berufungsverfahrens rechtskräftig (z.B. rechtskräftiger Abschluß eines Verwaltungsstrafverfahrens) bzw. abschließend (z.B. eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung) getroffen wurden, nicht berührt (wobei es hinsichtlich rechtskräftiger Bescheide unter den Voraussetzungen der §§ 69 und 70 AVG allerdings zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens kommen kann). Im übrigen aber ist - insbesondere für bereits anhängige Verfahren - ab der Aufhebung des in der Hauptsache in unterer Instanz ergangenen Bescheides durch die Berufungsbehörde für die Zukunft und auch für den Zeitraum des Berufungsverfahrens, also für die Vergangenheit, davon auszugehen, daß der Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG aus der Rechtsordnung ausgeschieden ist.

Auf dem Boden dieser Rechtslage war der angeführte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 15. September 1997 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zufolge seiner Aufhebung durch den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 20. August 1998 nicht mehr existent; seit dem - vor dem genannten Zeitpunkt gelegenen - Eintritt der Rechtskraft des Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Salzburg vom 20. August 1998 stand vielmehr bindend fest, daß das Lenken eines Pkws durch den Beschwerdeführer aufgrund der ihm früher erteilten Lenkerberechtigung zur Tatzeit im Sinne des § 1 Abs. 3 FSG zulässig war. Im Hinblick auf diese Bindungswirkung leidet der angefochtene Bescheid somit an einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1978, Zlen. 2261, 2262/77).

An diesem Ergebnis vermag der Hinweis der belangten Behörde auf die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1989, Zl. 89/11/0018 (= ZfVB 1989/5/1556), und vom 4. Oktober 1996, Zl. 96/02/0442, nichts zu ändern. Das erstgenannte Erkenntnis, mit dem eine Beschwerde gegen die Aberkennung der erstinstanzlichen Wirkung der Berufung gegen einen erstinstanzlichen Entziehungsbescheid abgewiesen worden war, betraf eine andere Rechtsfrage. Mit dem zweitgenannten Erkenntnis wurde die Beschwerde gegen einen Bescheid abgewiesen, mit dem einem Antrag auf Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG 1967 unter Berufung auf § 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG keine Folge gegeben worden war. Wenn in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ausgesprochen wurde, daß die nachträgliche Behebung des Entziehungsbescheides an der Strafbarkeit des - dortigen - Beschwerdeführers wegen Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG nichts zu ändern vermochte, kann einer solchen generellen Aussage im Hinblick auf die oben dargelegte Bindungswirkung eines Berufungsbescheides, mit dem ein Entziehungsbescheid aufgehoben wurde, nicht beigetreten werden. Hiezu bedarf es im Grund des § 13 Abs. 1 VwGG keines verstärkten Senates, weil sich die im angeführten Erkenntnis ausgesprochene Rechtsansicht bloß auf die im Beschwerdefall nicht anzuwendende Norm des § 64 Abs. 1 KFG 1967 bezogen hat.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigte sich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. April 1999

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