Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine algerische Staatsangehörige, die am 30. Juni 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist und am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt hat, hat bei der Vernehmung durch das Bundesasylamt am 13. Juli 1998 zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes angegeben:
Sie habe sich im Jahr 1991 verlobt. Nach einem Jahr habe ihr der Verlobte mitgeteilt, Mitglied der radikalen islamischen Gruppe "FIS" zu sein. 1993 habe sie die Verlobung gelöst, nachdem sie bemerkt hätte, "welche Taten die FIS ausführt". Im Jahr 1992 habe sie eine Stelle als Sekretärin bei einem Rechtsanwalt angenommen. Am 15. März 1992 habe sie an ihrem Arbeitsplatz einen Drohbrief des Inhaltes, dass sie ihre Arbeit beenden solle, widrigenfalls sie getötet werde, bekommen. Im April 1992 habe sie einen weiteren Drohbrief bekommen. Als Absender sei die "FIS" angeführt gewesen. Darin sei festgehalten gewesen, dass die Arbeit bei einem Rechtsanwalt seitens der "FIS" verboten wäre und dieser Brief die letzte Warnung darstellte. Daraufhin habe sie im Juni 1992 die Tätigkeit bei dem Anwalt beendet und habe sich die nächsten fünf Jahre hauptsächlich zu Hause aufgehalten. Von einer ehemaligen Arbeitskollegin ihres früheren Verlobten habe sie erfahren, dass dieser im Jahr 1994 von staatlichen Behörden getötet worden wäre. Im Jänner 1998 habe sie die Arbeit bei dem gleichen Anwalt wieder aufgenommen und habe daraufhin im März einen "gleich lautenden Drohbrief" erhalten. Überdies habe sie von der Arbeitskollegin ihres früheren Verlobten erfahren, dass die Familie dieses Mannes "Hass und Abneigung" gegen sie empfinden würde. Ende April 1998 habe sie die Arbeit bei dem Anwalt wieder aufgegeben. Ihre Verfolgung ginge von der "FIS" aus. Ursprünglich sei sie bedroht worden, weil sie bei einem Anwalt gearbeitet habe, seit dem Tod ihres ehemaligen Verlobten gingen die Verfolgungen auch von dessen Familie aus. Die Familienangehörigen seien Mitglieder der "FIS". Der letzte Drohbrief sei von dieser Familie ausgegangen. Dies vermute sie deshalb, weil sie darin namentlich genannt worden sei. Ein Mitglied der Familie ihres Verlobten habe sie nie gesehen. Über Vorhalt der Behörde, dass die Familie des früheren Verlobten seit 1993 viel Zeit gehabt hätte, um an die Beschwerdeführerin heranzukommen, führte diese aus, dass sie nicht die gesamte Zeit zu Hause verbracht habe, sondern sich auch bei Geschwistern versteckt gehalten habe. Staatlichen Schutz habe sie nicht in Anspruch genommen, weil viele Angehörige der "FIS" bei den Behörden arbeiteten. Sie habe Algerien verlassen, weil sie dort nicht arbeiten könne und auch wenn sie nicht arbeite von der Familie des früheren Verlobten verfolgt werde. Ein weiterer Grund für ihre Flucht sei die "allgemeine Lage" gewesen. Obwohl ihr Verlobter schon vor Jahren getötet worden sei und sie außer den Drohbriefen keine Verfolgung erlebt habe, fürchte sie um ihr Leben.
Mit Bescheid vom 4. August 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, ab und sprach gemäß § 8 leg. cit. aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Algerien zulässig sei. Die Erstbehörde bezeichnete die Angaben der Beschwerdeführerin ausdrücklich als glaubwürdig, vertrat jedoch die Ansicht, dass die von der "FIS" ausgehenden Drohbriefe nicht geeignet seien, eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin darzutun.
In der dagegen gerichteten Berufung wendet sich die Beschwerdeführerin vor allem gegen die Ansicht der Erstbehörde, dass die Verfolgung durch die "FIS" nicht dem Staat zuzurechnen sei, und führt dazu insbesondere ins Treffen, dass von dieser Organisation verübte Massaker von Polizei und Armee nicht verhindert worden seien.
Mit Bescheid vom 17. September 1998 wies die belangte Behörde diese Berufung ab. In der Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die allgemeinen Auswirkungen eines im Heimatland der Beschwerdeführerin herrschenden Bürgerkrieges nicht geeignet seien, deren Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Zum Vorbringen betreffend die gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Bedrohungen führte die belangte Behörde zunächst aus, dass sich die Beschwerdeführerin nach dem letzten Drohbrief vom März 1998 bis Ende Juni dieses Jahres in Algerien aufgehalten habe. Daraus sei ersichtlich, dass sie in dieser Zeit keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gehabt habe. Den Drohbriefen aus dem Jahr 1992 fehle es an einem zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise der Beschwerdeführerin, zumal diese danach jahrelang unbehelligt geblieben sei. Der Drohbrief vom März 1998 sei nicht der "FIS" sondern ausschließlich der Familie des früheren Verlobten der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Es sei daher irrelevant, ob der Staat willens oder in der Lage sei, vor einer Verfolgung durch die genannte Gruppe zu schützen. Selbst wenn man jedoch auch die briefliche Drohung vom März 1998 der "FIS" zuordnete, wäre sie nicht dem Staat zuzurechnen. Es sei außerhalb der Möglichkeit eines Staates, "jedem denkbaren Übergriff Dritter präventiv entgegenzuwirken". Die Beschwerdeführerin habe aber ausdrücklich angegeben, niemals Probleme mit den Behörden ihres Heimatlandes gehabt zu haben.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zunächst sei ausgeführt, dass die Ansicht der belangten Behörde, der im Heimatland der Beschwerdeführerin herrschende Bürgerkrieg stelle für sich allein keine asylrelevante Verfolgung dar, der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/01/0755) entspricht.
Das Vorbringen betreffend die individuelle Bedrohung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde deshalb nicht zum Anlass für die Asylgewährung genommen, weil es der Bedrohung im Jahr 1992 am zeitlichen Zusammenhang zur Flucht der Beschwerdeführerin mangle und die Bedrohung von März 1998 ausschließlich von der Familie des früheren Verlobten der Beschwerdeführerin ausgehe.
Die Beschwerdeführerin hat - von der belangten Behörde nicht als unglaubwürdig gewertet - ausgesagt, im März und April 1992 je einen Drohbrief von der "FIS" erhalten zu haben. Inhalt dieser Briefe sei gewesen, dass die Beschwerdeführerin ihre - von der "FIS" verbotene - Arbeit bei einem Rechtsanwalt einstellen müsse, widrigenfalls sie getötet werde. Die "FIS" sei ausdrücklich als Absender angeführt gewesen. Aufgrund dieser Drohungen habe sie ihre Arbeit eingestellt. Kurz nach Wiederaufnahme dieser Arbeit habe sie im März 1998 einen "gleich lautenden Drohbrief" erhalten. Nach dieser Aussage wurde somit auch dieser Drohbrief von der "FIS" abgesendet und hatte die Beendigung der Arbeit der Beschwerdeführerin zum Ziel. Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Bedrohung von der "FIS" und seit dem Tod ihres früheren Verlobten auch von dessen Familie ausginge. Letzteres vermute sie deswegen, weil sie im Drohbrief vom März 1998 namentlich genannt worden sei. Überdies führte die Beschwerdeführerin aus, dass auch die Familienangehörigen ihres früheren Verlobten Mitglieder der "FIS" seien. Aus dieser Aussage ist somit abzuleiten, dass der Drohbrief vom März 1998 nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin jedenfalls auch von der "FIS" ausgegangen sei und es sich hiebei somit nicht nur um eine Bedrohung durch Familienangehörige ihres früheren Verlobten aus privaten Gründen handle.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Bedrohung durch die "FIS" manifestierte sich bisher jedoch ausschließlich in den Drohbriefen, in denen von der Beschwerdeführerin verlangt wurde, ihre Arbeit in einer Rechtsanwaltskanzlei zu beenden, widrigenfalls sie getötet werde. Solange sie diese Arbeit eingestellt hatte, erfolgten keine weiteren Drohungen. Der von nicht staatlichen Stellen erzwungenen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kommt - ebenso wie dem Verlust des Arbeitsplatzes als Maßnahme einer staatlichen Verfolgung - nur dann Asylrelevanz zu, wenn es dadurch zu einem Entzug der Lebensgrundlage kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 95/01/0305). Dass die Beschwerdeführerin auch ohne diese Tätigkeit eine Lebensgrundlage in ihrer Heimat vorfände ergibt sich schon daraus, dass sie von Juni 1992 an jedenfalls mehr als fünf Jahre in Algerien lebte, ohne diese Tätigkeit auszuüben. Ein Vorbringen, dass ihr durch den Verlust des genannten Arbeitsplatzes die Lebensgrundlage entzogen werde, hat sie im Übrigen auch nicht erstattet.
Die vorgebrachte Verfolgung durch die Familie ihres früheren Verlobten führt die Beschwerdeführerin darauf zurück, dass ihr von dieser Familie der vermeintliche Verrat ihres Verlobten als "FIS"-Aktivist im Jahr 1993 vorgeworfen werde. Die Beschwerdeführerin hat jedoch ausdrücklich vorgebracht, außer den erwähnten Drohbriefen "keine Verfolgung erlebt" zu haben. Dies obwohl sie sich nach ihren eigenen Angaben seit 1992 zwar nicht "die gesamte Zeit" aber doch "hauptsächlich" zu Hause aufgehalten habe, wo sie dem Zugriff der Familie ihres früheren Verlobten ausgesetzt gewesen wäre. Ihre Meinung, trotz Beendigung ihres Dienstes beim Rechtsanwalt von der Familie ihres ehemaligen Verlobten verfolgt zu werden, stellt sich demnach - abgesehen davon, dass es sich hiebei um keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen handelte - nur als entfernte Möglichkeit und nicht als eine mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung dar.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Ermittlungspflicht geltend macht, ist ihr zu entgegnen, dass der für den Umfang dieser Pflicht maßgebliche § 28 AsylG keine über die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Behörde, insbesondere keine Verpflichtung, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln, normiert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 98/01/0150).
Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und sie dort auch keiner Gefährdung im Sinn von § 57 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ausgesetzt sei, kann daher im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. November 1999
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