VwGH 97/20/0396

VwGH97/20/039618.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des X Y in Tschechische Republik, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 27. Mai 1997, Zl. 418.392/310-V6/1997, betreffend Aussetzung des Verfahrens in Angelegenheit einer Besuchsbewilligung nach dem Strafvollzugsgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §38;
EGStVG Art7 Abs2;
StVG §86 Abs2;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;
AVG §38;
EGStVG Art7 Abs2;
StVG §86 Abs2;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der in der Justizanstalt Z eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen des Verbrechens des Mordes und eines anderen Deliktes verbüßte, beantragte am 28. Juni 1996 die Erteilung einer Dauerbesuchsbewilligung für R.N. Diesem Ansuchen wurde vom Anstaltsleiter am 4. Juli 1996 stattgegeben. Nach Erhalt mehrerer Besuche durch R.N. widerrief der Anstaltsleiter am 15. November 1996 die erteilte Besuchsbewilligung und untersagte jegliche weitere Besuche des Genannten. Am 31. Jänner 1997 erstattete der Leiter der Justizanstalt an die Bundespolizeidirektion Wien wegen des Verdachtes eines Vergehens gemäß Art. VII Abs. 1 Z 2 des Einführungsgesetzes zum Strafvollzugsgesetz "Anzeige gegen R.N., weil dieser verdächtigt werde, Geld oder Gegenstände von dem Beschwerdeführer empfangen zu haben bzw. empfangen werde, wobei die Anstaltsleitung hiebei keine Genehmigung erteilt hat, also unter Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen".

Gegen die dem Beschwerdeführer am 20. November 1996 "eröffnete Anordnung des Leiters der Justizanstalt Z vom 15. November 1996, womit die am 30. Juli 1996 aufgrund des Ansuchens Nr. 25/1996 erteilte Besuchsbewilligung für R.N. widerrufen wurde," erhob der Beschwerdeführer eine Administrativbeschwerde gemäß § 120 StVG.

Darin führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass der Widerruf einer Besuchsbewilligung einem Besuchsverbot gleichkomme. Ein solches könne nach § 112 Abs. 1 StVG nur wegen Missbrauches dieses Rechtes verhängt werden. Ein dahingehendes Ordnungsstrafverfahren habe jedoch nicht stattgefunden. Gemäß § 86 Abs. 2 StVG könnten Besuche untersagt werden, soweit davon eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder aber ein ungüstiger Einfluss auf den Strafgefangenen zu befürchten sei. Welche der Voraussetzungen nach Auffassung der Strafvollzugsbehörde vorliegen, werde nachprüfbar darzulegen sein. Sämtliche Besuche würden überwacht und der Beschwerdeführer jeweils einer Leibesvisitation unterzogen. Es sei daher nicht auszuschließen, dass der Widerruf der Besuchsbewilligung auf unsachlichen Beweggründen beruhe. Es werde daher der Antrag gestellt, die angefochtene Anordnung des Anstaltsleiters dahin abzuändern, dass die Erlassung des verfügten Besuchsverbots aufgehoben werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde das Verfahren über diese Administrativbeschwerde "gemäß § 120 f StVG iVm § 38 AVG" aus. Sie begründete dies damit, dass gemäß § 38 AVG die Behörde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage aussetzen könne, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bilde. Eine solche Vorfrage stelle die im Verwaltungsstrafverfahren vorzunehmende Überprüfung dar, ob durch R.N. eine Verwaltungsübertretung gemäß Art. VII Abs. 1 Z 2 EGStVG begangen worden sei.

Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde mittlerweile mit Bescheid vom 10. Juli 1997 der Administrativbeschwerde "gemäß §§ 86 Abs. 2, 120, 121 StVG iVm § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung aufgehoben" hat. Dies wurde damit begründet, dass die Besuchsbewilligung deshalb widerrufen worden sei, weil der Beschwerdeführer im Zuge des überwachten Gespräches mit R.N. diesem gegenüber sich dahingehend geäußert habe, dass er den Großteil seiner Unterlagen nach draußen habe schaffen können. Eine EDV-Anlage, die in der Anstalt zurückgehalten werde, würde er im neuen Büro noch benötigen. Im Zuge der im Beschwerdeverfahren eingeholten Verantwortung des Beschwerdeführers habe sich ergeben, dass diesem in früheren Jahren mehrmals gestattet worden sei, Teile seiner schriftlichen Aufzeichnungen an einen Ort außerhalb der Justizanstalt zu bringen. Da die Auslagerung der schriftlichen Unterlagen tatsächlich erfolgt sei, bestehe aus Sicht der Beschwerdebehörde kein nachhaltiger Grund daran zu zweifeln, dass sich die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Äußerung ausnahmslos auf diesen Umstand bezogen habe. Da für eine gesetzwidrige Übergabe von Gegenständen durch den Beschwerdeführer an den Besucher keine sonstigen Hinweise hervorgekommen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Festzuhalten ist, daß der Beschwerdeführer inzwischen am 1. Mai 1998 in den Entlassungsvollzug überstellt und am 18. Juli 1998 bedingt entlassen worden ist.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den VfGH - eingetreten ist (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.

Im Hinblick darauf, dass dem Antrag des Beschwerdeführers mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 1997 stattgegeben und der Beschwerdeführer zwischenzeitig aus der Strafhaft entlassen wurde, wäre die Lösung der Frage, ob der angefochtenen Aussetzung des Administrativbeschwerdeverfahrens mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet war, nur mehr von rein theoretischer Bedeutung (vgl. den hg. Beschluss vom 26. November 1998, Zl. 95/20/0662). Es ist aber nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch (an den Beschwerdeführer) gemäß § 56 VwGG nicht vor. Allerdings kommt § 58 Abs. 2 VwGG, eingefügt durch die Novelle BGBl. I Nr. 88/1997, zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei einer Beschwerde bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist; würde hierbei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Im gegebenen Fall ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde Erfolg gehabt hätte und daher als gemäß §§ 47 ff VwGG obsiegend anzusehen ist. Gemäß § 86 Abs. 2 StVG sind u.a. Besuche zu untersagen, soweit davon eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder ein ungünstiger Einfluss auf den Strafgefangenen zu befürchten ist. Die Verwaltungsübertretung des Art. VII Abs. 2 EGStVG (idF BGBl. Nr. 145/1969; dies entspricht inhaltlich Abs. 1 Z 2 dieser Bestimmung idF BGBl. Nr. 763/1996) begeht derjenige, der vorsätzlich in ungesetzlicher Weise Geld oder Gegenstände einem Strafgefangenen übermittelt oder von einer solchen Person empfängt. Präjudiziell - und damit Vorfragenentscheidung im verfahrensrechtlich relevanten Sinn - ist nur eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung dieser Behörde unabdingbar, somit eine notwendige Grundlage ist. Die Entscheidung, ob R.N. die angeführte Verwaltungsübertretung, derer er von der Behörde verdächtigt wurde, begangen hat, ist keine Vorfrage für den nach § 86 Abs. 2 StVG zu beurteilenden Versagungstatbestand, der nicht auf die Begehung einer derartigen Verwaltungsübertretung abstellt. Dass das Verhalten einer Person die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt besorgen oder einen ungünstigen Einfluss auf den Strafgefangenen befürchten lässt, ist unabhängig von dem dadurch allenfalls (auch) verwirklichten Tatbestand der Verwaltungsübertretung des Art. VII Abs. 2 EGStVG (idF BGBl. Nr. 145/1969) zu beurteilen. Es wäre Aufgabe der Strafvollzugsbehörden gewesen, die für die Entscheidung nach § 86 Abs. 2 StVG erforderliche Sachverhaltsbasis zu ermitteln, der sie im nachfolgenden Bescheid auch nachkam.

Aus diesen Erwägungen war über den Kostenersatz wie im Spruch Beschluß zu fassen.

Wien, am 18. Februar 1999

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