VwGH 97/19/0147

VwGH97/19/014726.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerden 1.) des 1995 (richtig wohl: 1985) geborenen DM, sowie 2.) der 1966 geborenen BH, beide in Wien, der Erstbeschwerdeführer vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. D und Dr. K, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 15. November 1996, 1.) Zl. 104.024/3-III/11/96 (betreffend den Erstbeschwerdeführer), sowie

2.) Zl. 104.024/4-III/11/96 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §1 Abs2 Z2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AuslBG §2;
AuslBG §3 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Polen 1972 Art1 Abs2;
AufG 1992 §1 Abs2 Z2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AuslBG §2;
AuslBG §3 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Polen 1972 Art1 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Zweitbeschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, ist Mutter des Erstbeschwerdeführers. Sie verfügte über Wiedereinreisesichtvermerke mit Gültigkeit vom 2. Juli 1991 bis 30. Dezember 1991 sowie vom 26. Februar 1992 bis 8. Juni 1992. Ein Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 30. August 1993 (eingelangt bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz am 7. September 1993) wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. September 1994 abgewiesen.

Mit Antrag vom 28. November 1995 beantragte die Zweitbeschwerdeführerin neuerlich für sich und erstmals für ihren Sohn die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Bei Antragstellung teilte die Zweitbeschwerdeführerin der Behörde mit, dass sie am 19. September 1995 einen österreichischen Staatsangehörigen geheiratet habe. Dem Antrag legte sie neben der Heiratsurkunde, dem Meldezettel und den Kopien der Reisepässe auch eine Schulbesuchsbestätigung des Erstbeschwerdeführers vom 27. November 1995 bei.

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1996 wurde dieser Antrag im Hinblick auf die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und im Hinblick auf den Erstbeschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 3 AufG abgewiesen. Die Aufenthaltsbehörde erster Instanz ging hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin davon aus, dass diese als Aufenthaltszweck die Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten anstrebe. Beim Erstbeschwerdeführer nahm die Behörde erster Instanz an, dieser habe (ausschließlich) Familienzusammenführung mit seiner Mutter beantragt.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung und beantragten in einem weiteren Schriftsatz vom 12. April 1996 neuerlich die Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Erstbeschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, die Mutter des Erstbeschwerdeführers, welche verpflichtet sei, für den Unterhalt des Erstbeschwerdeführers aufzukommen, besitze keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet, weshalb der Lebensunterhalt des Erstbeschwerdeführers für die Dauer seiner Aufenthaltsbewilligung in Österreich nicht gesichert sei. Der Grund des Aufenthaltes des Erstbeschwerdeführers sei Familiengemeinschaft mit Fremden, da aber die Mutter des Erstbeschwerdeführers über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge, sei der Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft nicht mehr gegeben und es könne ihm daher eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 AufG nicht erteilt werden. Dies insbesondere auch unter Berücksichtigung seines Alters, aber auch unter Bedachtnahme darauf, dass der Vater des Erstbeschwerdeführers einer Erwerbstätigkeit nachgehen müsse, sei gerade die Mutter jene Person, die den Haushalt führe und der vorwiegend die Obsorge und Obhut über den Erstbeschwerdeführer zustehe und somit jene Bezugsperson sei, nach der sich der Zweck der Familienzusammenführung richte. Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, dass unter Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK die öffentlichen Interessen überwögen.

Mit dem nunmehr zweitangefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Die belangte Behörde stellte fest, die Zweitbeschwerdeführerin habe über Sichtvermerke verfügt, halte sich nach deren Ablauf in Österreich auf und gehe auch einer Erwerbstätigkeit nach, könne aber keinen von der österreichischen Rechtsordnung anerkannten Titel für diesen Aufenthalt im Bundesgebiet dokumentieren. Die Zweitbeschwerdeführerin, die die Absicht gehabt habe, in Österreich einen Hauptwohnsitz zu begründen und hier einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, hätte von Anfang an eine Aufenthaltsbewilligung benötigt und komme für sie die für polnische Staatsangehörige mögliche sichtvermerksfreie Einreise nach Österreich und der daran anschließende Aufenthalt für die Dauer von drei Monaten nicht in Frage. Dieser sei nur zu touristischen Zwecken möglich. Mit dem illegalen Aufenthalt in Österreich gefährde die Zweitbeschwerdeführerin die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, vor allem wegen einer möglichen Beispielswirkung ihres deliktischen Verhaltens (und seiner daraus resultierenden Rechtskonsequenz) in Bezug auf andere Fremde. Durch die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit verwirklichte die Zweitbeschwerdeführerin einen Sachverhalt, welcher der Norm des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG subsumierbar sei und dürfe ihr eine Bewilligung nach dem AufG nicht erteilt werden. Da bei der Zweitbeschwerdeführerin zwei gravierende Versagungsgründe vorlägen, könne die Berufungsbehörde - trotz des Vorbringens in der Berufung, die Behörde müsse die familiären und persönlichen Interessen der Berufungswerberin, vor allem die Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger, berücksichtigen -, zu keiner anderen Entscheidung als der oben angeführten kommen. Trotz des Faktums, dass der Gatte der Zweitbeschwerdeführerin und deren Sohn in Österreich lebten, könne keinesfalls eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, da nach der Abwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK die Berufungsbehörde zur Ansicht gelangt sei, dass die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele höher zu werten seien, als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung auf die Lebenssituation der Zweitbeschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und darüber erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Anträgen der Beschwerdeführer jeweils nicht um Anträge, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung angestrebt wurde, sondern um Erstanträge handelt, weshalb die angefochtenen Bescheide nicht gemäß § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten sind.

Die §§ 3 Abs. 1 Z 2, 4 Abs. 3 und 5 Abs. 1 AufG lauteten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

  1. 1. ...
  2. 2. von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,

    ist nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

    ...

§ 4. ....

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen, wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles des Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.

§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn der Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

§ 4 Z 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von

...

2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,"

Art. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, lautet:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger eines jeden der beiden Staaten, die Inhaber eines der im Artikel 3 angeführten Reisedokumentes sind, dürfen ohne Sichtvermerk des anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet einreisen, sich dort bis zu drei Monaten aufhalten und aus ihm ausreisen.

(2) Die Berechtigung des Absatzes 1 gilt nicht für die Staatsbürger eines jeden der beiden Staaten, die sich auf das Hoheitsgebiet des anderen Staates begeben wollen, um dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen."

Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt; Aufforderungen seitens der Behörde an den Fremden, dieser Darlegungspflicht entsprechend zu handeln, sind demnach ebensowenig geboten, wie die Durchführung diesbezüglicher amtswegiger Ermittlungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zl. 96/19/0857). Die Behörde kann von den Angaben des Antragstellers hinsichtlich der Bestreitung seines Unterhaltes selbst dann ausgehen, wenn sie erstmals den Versagungsgrund des § 5 AufG heranzieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0355).

Der Erstbeschwerdeführer verabsäumte es im Antrag und auch im weiteren Verwaltungsverfahren anzugeben, über welche Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer des Aufenthaltes er verfüge. So wurde weder eine konkrete Angabe hinsichtlich des ihm bzw. seiner obsorgepflichtigen Mutter zur Verfügung stehenden Einkommens erstattet noch wurden den Anträgen entsprechende Belege beigelegt. Selbst wenn man - unter Beachtung der im Verfahren über den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin vom 7. September 1993 vorgelegten Unterlagen - davon ausgehen wollte, dass die Zweitbeschwerdeführerin als für den Erstbeschwerdeführer sorgepflichtige Person über entsprechend belegte Unterhaltsmittel (aus selbständiger Tätigkeit) verfügte, würde dies zu keinem anderen Verfahrensergebnis führen. Das Einkommen der im Inland nicht aufenthaltsberechtigten Mutter des Erstbeschwerdeführers aus einer - aus der Sicht des Aufenthaltsgesetzes unzulässigen (vgl. § 1 Abs. 2 Z 2 AufG) - Erwerbstätigkeit wäre nämlich nicht geeignet, den Unterhalt des Erstbeschwerdeführers zu sichern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998, Zl. 96/19/1802, 1999). Wenn in der Beschwerde nunmehr - ohne jegliche nähere Konkretisierung - auf den "österreichischen" Ehemann der Mutter des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich der Bestreitung des Lebensunterhaltes verwiesen wird, so erweist sich dies als unbeachtlich.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass der Erstbeschwerdeführer seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG, glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 leg. cit. vorliege, nicht nachgekommen sei. Angesichts dessen erübrigte sich auch eine Prüfung der Frage, ob der Erstbeschwerdeführer in seinem Antrag (durch Vorlage der Schulbesuchsbestätigung) auch den Aufenthaltszweck des Schulbesuches geltend gemacht hat, weil der obgenannte Versagungsgrund einer Bewilligung auch für diesen Zweck jedenfalls entgegenstünde.

Dieses Ergebnis erweist sich auch vor dem Hintergrund des Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Insoweit die Abweisung des Antrages auf Erteilung der gegenständlichen Bewilligung überhaupt in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützte Recht des Erstbeschwerdeführers eingriffe, wäre dieser Eingriff gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Die Anwesenheit Fremder im Bundesgebiet, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, führte nämlich zu einer Belastung der Sozialhilfeträger und damit zu einer Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wohles des Landes. Die dadurch tangierten öffentlichen Interessen sich derart gewichtig, dass sie einen Eingriff in ein allenfalls bestehendes Recht des Erstbeschwerdeführers auf Familiennachzug notwendig machen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998).

Aus diesem Grund war die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, im Fall der Zweitbeschwerdeführerin sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG verwirklicht, darauf, dass diese nach Ablauf ihres letzten Sichtvermerkes (am 8. Juni 1992) weiterhin im Bundesgebiet verblieben sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG aber nicht verwirklicht, wenn der Fremde nach Ablauf seiner gewöhnlichen Sichtvermerke oder einer Aufenthaltsbewilligung im Inland verbleibt, insbesondere, wenn keine Anhaltspunkte für eine subjektiv auf die Störung der Ordnung gerichtetes Verhalten des Fremden besteht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 7. März 1997, Zl. 95/19/0917). Insoweit die Gefährdungsprognose auf den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland nach Ablauf des ihr zuletzt erteilten Sichtvermerks gestützt wird, erweist sie sich als inhaltlich rechtswidrig.

Eine andere Betrachtung würde auch dann nicht Platz greifen, wenn man - im Gegensatz zur Begründung der belangten Behörde, die auf diesen Umstand nicht weiter eingeht - in Betracht ziehen würde, dass zwischenzeitig ein Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen worden war. Zwar rechtfertigt ein längerdauernder Aufenthalt eines Fremden im Anschluss an die Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung grundsätzlich die Annahme, sein weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat jedoch dann Platz zu greifen, wenn der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/2066).

Die Zweitbeschwerdeführerin, die Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers ist, verfügte über zwei Sichtvermerke; der letzte Sichtvermerk wurde am 26. Februar 1992 ausgestellt und war bis 8. Juni 1992 gültig. Wäre einer dieser Sichtvermerke aber vor ihrer (letzten) Einreise in das Bundesgebiet ausgestellt worden, so hätte dies zur Folge gehabt, dass sie als Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers gemäß § 4 Z 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt war. Selbst unter Beachtung der zwischenzeitigen Abweisung des ersten Antrages des Zweitbeschwerdeführerin wäre ohne weitere Prüfung nicht von der Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG auszugehen gewesen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1998, Zl. 96/19/1085).

Soweit der angefochtene Bescheid auch den Vorwurf enthält, die Beschwerdeführerin gehe einer Erwerbstätigkeit nach, obwohl sie nicht über eine Aufenthaltsberechtigung verfüge, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, derzufolge die Verletzung aufenthaltsrechtlicher, nicht jedoch ausländerbeschäftigungsrechtlicher Bestimmungen durch die Fortsetzung einer ausländerbeschäftigungsrechtlich erlaubten unselbständigen Arbeitstätigkeit durch Fremde, deren unrechtmäßiger Aufenthalt für sich allein noch nicht die gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 FrG zu stellende Gefährdungsprognose rechtfertigt, diese Prognose trotz einer solchen Tätigkeit nicht zulässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1998, Zl. 96/19/3208). Gleiches würde auch für die Aufnahme einer - sonst erlaubten - selbständigen Erwerbstätigkeit unter Verletzung des § 1 Abs. 2 Z 2 AufG gelten.

Sollte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber gemeint haben, die Zweitbeschwerdeführerin sei in Hinblick auf die Vorschriften des AuslBG unrechtmäßig erwerbstätig - ein diesbezüglich eindeutiger Vorwurf geht aus der Bescheidbegründung nicht hervor -, ist zu bemerken, dass die Zweitbeschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren keine Angaben über die Art der Erwerbstätigkeit erstattet und die belangte Behörde diesbezüglich keine näheren Feststellungen (über die Art der Erwerbstätigkeit) getroffen hat. Die belangte Behörde ist allerdings davon ausgegangen, dass die Zweitbeschwerdeführerin unverändert bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (als selbständig Erwerbstätige) versichert ist, was sich aus den im Verfahren über den (dem gegenständlichen Verfahren vorhergegangenen) Antrag vom 7. September 1993 vorgelegten Belegen ergibt. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist daher nicht auszuschließen, dass die im zweitangefochtenen Bescheid genannte Erwerbstätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin eine selbständige ist, wofür sie allerdings keiner Bewilligung nach dem AuslBG bedurft hätte. Diesfalls läge auch kein Verstoß gegen die ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bestimmungen vor und die Annahme der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt der Zweitbeschwerdeführerin aufgrund der zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs.1 Z 4 FrG gefährden, wäre nicht gerechtfertigt.

Dazu kommt, dass Artikel 1 Abs. 2 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, hinsichtlich der Zulässigkeit einer sichtvermerksfreien Einreise ausdrücklich auf das Eingehen eines "Arbeitsverhältnisses" abstellt, das aber bei einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem zum Abkommen der österreichischen Bundesregierung und der Ungarischen Volksrepublik über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht ergangenen hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1991, Zl. 91/19/0081, zu dem im dortigen Art. 1 Abs. 3 ebenfalls verwendeten Begriff des "Arbeitsverhältnisses" ausgeführt, dass damit ein Arbeitsvertrag gemeint sei; als entscheidendes Merkmal eines solchen Arbeitsvertrages sei die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers anzusehen (vgl. zum Begriff des "Arbeitsverhältnisses" auch das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 96/19/2143). Die Aufnahme einer "selbstständigen Erwerbstätigkeit" ist demnach vom Begriff "ein Arbeitsverhältnis eingehen" nicht umfasst. Die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin stehe schon allein aufgrund ihrer geplanten Erwerbstätigkeit die Möglichkeit einer zulässigen sichtvermerksfreien Einreise nicht offen, träfe daher im Fall einer beabsichtigten selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht zu.

Die belangte Behörde belastete den zweitangefochtenen Bescheid daher mit (prävalierender) Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Februar 1999

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