VwGH 97/15/0172

VwGH97/15/017216.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 28. August 1997, Zl. UVS-05/F/27/00216/96, betreffend Übertretung des Vergnügungssteuergesetzes (mitbeteiligte Partei: TT in W, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 1), zu Recht erkannt:

Normen

VergnügungssteuerG Wr 1987 §14;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §19 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §14;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §19 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Magistratsabteilung 4/2 nahm am 13. Februar 1995 im Betrieb der MH-Ges.m.b.H. eine Überprüfung vor. Im Kontrollbericht ist festgehalten, dass ein Unterhaltungsspielapparat (USPA) Jollycard seit 9. Jänner 1995 gehalten wird und als Aufsteller die Betriebsinhaberin MH-Ges.m.b.H. (Eigenaufsteller) anzusehen ist. Der Bericht wurde über Angaben der über keine Zeichnungsberechtigung verfügenden Buffetkraft aufgenommen.

Mit Schreiben vom 31. August 1995 forderte die Magistratsabteilung 4/7 die MH-Ges.m.b.H. zur Anmeldung des beschriebenen USBA zur Vergnügungssteuer auf.

Die Aufforderung blieb unbeantwortet.

Der MH-Ges.m.b.H. wurde daraufhin mit Bescheid vom 4. Oktober 1995 der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 4 Wiener Vergnügungssteuergesetz für das Halten des USPA Jollycard für die Zeit von Jänner bis April 1995 die Vergnügungssteuer im Betrag von S 72.000,-- vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde ein Verspätungszuschlag und ein Säumniszuschlag verhängt. Der Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Daraufhin erging an den Mitbeteiligten als Geschäftsführer der MH-Ges.m.b.H. die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. März 1996, weil er es bis zum 4. Oktober 1995 unterlassen habe, die Vergnügungssteuer für den von der MH-Ges.m.b.H. als Lokalinhaberin, Eigentümerin und Aufstellerin gehaltenen USPA Jollycard für die Monate Jänner bis April 1995 im Betrag von jeweils S 18.000,-- einzubekennen und zu entrichten.

In der am 12. April 1996 bei der Beschwerdeführerin eingelangten Rechtfertigung vom 10. April 1996 führte der Mitbeteiligte aus, es sei nicht richtig, dass die MH-Ges.m.b.H. Eigentümerin oder Aufstellerin dieses USPA sei. Der USPA stehe im Eigentum der E-AG und sollte diese auch die Vergnügungssteuer und alle Abgaben und Spesen tragen. Für die vereinbarte Probezeit habe die E-AG die Abgaben getragen, nach Ablauf der Probezeit sei das Gerät mangels Funktionsfähigkeit in einen Abstellraum verbracht worden.

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 2. Juli 1996 wurde der Mitbeteiligte als Geschäftsführer der MH-Ges.m.b.H., in deren Lokal der USPA Jollycard betrieben worden sei, einer Verwaltungsübertretung für schuldig erkannt und die verletzten Rechtsvorschriften mit § 19 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 und § 17 Abs. 3 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes sowie § 9 Abs. 1 VStG bezeichnet. Der Mitbeteiligte habe es als Geschäftsführer bis zum 4. Oktober 1995 unterlassen, die Vergnügungssteuer für den genannten USPA für die Monate Jänner bis April 1995 einzubekennen und zu entrichten. Dadurch habe er die Vergnügungssteuer von insgesamt S 72.000,-- verkürzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und die Kostenersatzpflicht ausgesprochen. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, es sei unbestritten, dass der USPA Jollycard im Lokal der MH-Ges.m.b.H. betrieben worden sei. Der Inhaber des für das Halten eines USPA benützten Raumes sei nach den Bestimmungen des Vergnügungssteuergesetzes Mitunternehmer und damit als Gesamtschuldner unmittelbar steuerpflichtig. Dieser habe genauso wie der Aufsteller und Eigentümer eines Apparates für die ordnungsgemäße Anmeldung und Zahlung der Vergnügungssteuer zu sorgen. Es stehe fest, dass der USPA trotz Aufforderung von der vom Mitbeteiligten vertretenen Gesellschaft nicht zur Vergnügungssteuer angemeldet worden sei und auch keine Zahlungen der Vergnügungssteuer - weder von der MH-Ges.m.b.H. noch von der E-AG - geleistet worden seien. Es stehe daher fest, dass der Mitbeteiligte die Vergnügungssteuer vorsätzlich verkürzt habe.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung. Darin führte er aus, die E-AG habe zum Zeitpunkt der Aufstellung die Anmeldung durchgeführt und die entsprechenden Abgaben bezahlt. Eine von einem anderen bezahlte öffentliche Abgabe könne nicht hinterzogen werden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge, behob gemäß § 66 Abs. 4 AVG das Straferkenntnis und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG ein. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe durch den Kontrollbericht vom 13. Februar 1995 über sämtliche abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltselemente Kenntnis erlangt, sodass mit diesem Tag das Verkürzungsdelikt beendet gewesen sei. Die Verfolgungsverjährung habe für die Steuerzeiträume Jänner und Februar 1995 mit den jeweiligen Fälligkeitstagen, nämlich dem 8. Jänner bzw. dem 31. Jänner 1995 begonnen. Die erste strafrechtliche Verfolgungshandlung sei jedoch erst mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. März 1996 erfolgt. Hinsichtlich der Monate Jänner und Februar 1995, für welche die Vergnügungssteuer tatsächlich verkürzt worden sei, sei somit Verfolgungsverjährung eingetreten. Hinsichtlich der Monate März und April 1995 sei die Vergnügungssteuer nicht verkürzt worden. Allenfalls wären gegen den Mitbeteiligten Verwaltungsstrafen wegen nicht fristgerechter Zahlung der Vergnügungssteuer für die Monate März und April 1995 zu verhängen gewesen. Eine entsprechende Tatanlastung sei jedoch innerhalb der hiefür geltenden Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten nicht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird. Die Beschwerdeführerin replizierte auf die Gegenschrift der belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde, die sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1996, Zl. 94/17/0333, stütze, verkenne, dass diesem Erkenntnis ein im wesentlichen Punkt anders gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen sei. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Überprüfung des Betriebes der MH-Ges.m.b.H. vom maßgeblichen Sachverhalt noch nicht vollständige Kenntnis erlangt habe. Diese Kontrolle habe nämlich keinen Hinweis auf die E-AG als Eigentümerin des USPA ergeben. Dieser Umstand sei erst durch die Beantwortung der Aufforderung zur Rechtfertigung hervorgekommen. Aber auch bezüglich der MH-Ges.m.b.H. als Lokalinhaberin sei durch die Kontrolle Bescheidreife noch nicht eingetreten, sondern habe noch der entsprechende Vorhalt mit Schreiben vom 31. August 1995 erfolgen müssen.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht:

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz Wiener Vergnügungssteuergesetz sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens S 300.000,-- verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis S 600.000,-- zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

Der Tatbestand des § 19 Abs. 1 leg. cit. setzt ein Verhalten (Handlungen oder Unterlassungen) voraus, durch welches die Steuer verkürzt wird. Das Verhalten und die Verkürzung stehen demnach in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang. Zu diesem Verhalten zählen alle Umstände, die vorliegen müssen, um die Steuer zu verkürzen. Der in Rede stehende Straftatbestand ist dem Tatbild nach ein Erfolgsdelikt. Das Tatbild ist dabei auf die Herbeiführung eines Erfolges, der Verkürzung der Abgabe, entweder durch ein aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen abgestellt. Eine Verkürzung liegt in solchen Fällen bereits dann vor, wenn eine Abgabe unter Verletzung der Erklärungspflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet wird. Mit der Verkürzung ist auch der Erfolg eingetreten, das Delikt nach der genannten Bestimmung nicht nur vollendet, sondern auch beendet. Das tatbildmäßige Verhalten nach § 19 Abs. 1 Wiener Vergnügungssteuergesetz, durch das die Steuer verkürzt wird, setzt somit die vom Abgabepflichtigen zu vertretende Verletzung der Anmelde- bzw. Anzeigepflicht, wodurch die Abgabenbehörde in Unkenntnis abgabenrechtlich bedeutsamer Tatsachen bleibt, und die Nichtentrichtung der im Wege der Selbstbemessung ermittelten Abgaben am Fälligkeitstag voraus. Eine Abgabenverkürzung liegt demnach dann vor, wenn die Abgabe unter Verletzung einer Anmeldepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 1996, Zl. 94/17/0333, und vom 30. September 1999, Zl. 97/15/0099, m.w.N.).

Gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. ist das Halten von Apparaten (§ 6) spätestens einen Tag vor deren Aufstellung beim Magistrat anzumelden. Die Anmeldung haben alle Mitunternehmer (§ 13 Abs. 1) gemeinsam vorzunehmen und dabei auch den Mitunternehmer festzulegen, der die Zahlungen zu leisten hat. Nach § 17 Abs. 3 leg. cit. gilt die Anmeldung von Apparaten (§ 14 Abs. 2) als Steuererklärung für die Dauer der Steuerpflicht. Die durch die Anmeldung erfolgte Selbstbemessung des Inhabers des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes wirkt im Falle eines Wechsels in der Person unmittelbar auch gegen den neuen Inhaber, wenn der Apparat weiterhin gehalten wird. Die Steuer ist erstmals zum Termin für die Anmeldung und in der Folge jeweils bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten. Bei der Zahlung ist als Verwendungszweck der Apparat anzugeben, für den die Zahlung geleistet wird; die Zahlung ist diesem Zweck entsprechend zu verrechnen.

Gemäß § 13 Abs. 1 Wiener Vergnügungssteuergesetz ist der Unternehmer der Veranstaltung steuerpflichtig. Unternehmer der Veranstaltung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder, in dessen Namen oder auf dessen Rechnung die Veranstaltung durchgeführt wird. Sind zwei oder mehrere Unternehmer (Mitunternehmer) vorhanden, so sind sie als Gesamtschuldner steuerpflichtig. In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 3 gelten auch der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und der Eigentümer des Apparates als Mitunternehmer.

Im Falle des Haltens bestimmter Apparate - wie dem vorliegenden - gelten nicht nur der Unternehmer der Veranstaltung, sondern auch der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und der Eigentümer des Apparates als Mitunternehmer. Für alle im § 13 Abs. 1 genannten Mitunternehmer gilt gemäß § 14 Abs. 2 die Pflicht zur Anmeldung des Apparates und die Pflicht zur Entrichtung der Abgabe.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die Abgabenbehörde habe im Rahmen der Überprüfung am 13. Februar 1995 durch amtliche Wahrnehmung und vor Ort eingeholte Auskünfte Kenntnis vom Bestehen der Abgabenschuld für den gegenständlichen USPA erlangt. Dieser Auffassung kann angesichts der dargestellten Rechtslage nicht beigetreten werden: Die Anmeldung hat, wie aus § 14 Abs. 2 leg. cit. hervorgeht, alle Mitunternehmer im Sinne des § 13 Abs. 1 leg. cit. zu enthalten. Diesem Erfordernis ist im gegenständlichen Fall nicht entsprochen worden, weil der Eigentümer des USPA bei dieser behördlichen Überprüfung am 13. Februar 1995 unrichtig angegeben wurde und erst mit Beantwortung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. April 1996 bekannt wurde. Darüber hinaus ist der Erhebungsbericht durch Befragung von nicht zeichnungsberechtigten Personen zustande gekommen, sodass die belangte Behörde zutreffend der genannten Abgabenschuldnerin Parteiengehör zu dem ermittelten Sachverhalt einräumte. Die Abgabenbehörde hat daher durch die Überprüfung am 13. Februar 1995 keineswegs über sämtliche abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltselemente Kenntnis erlangt. Von den gemäß § 14 Abs. 2 Wiener Vergnügungssteuergesetz zu meldenden Umständen hat die Abgabenbehörde wie die Beschwerdeführerin zutreffend aufzeigt, erst durch die Rechtfertigung des Mitbeteiligten vom 10. April 1996 (eingelangt am 12. April 1996) Kenntnis erlangt. Die belangte Behörde ist daher bei ihrer Beurteilung im angefochtenen Bescheid zu Unrecht davon ausgegangen, dass wegen der Überprüfung im Februar 1995 für die Monate März und April 1995 keine "unter Verletzung der Anmeldepflicht erfolgte Verkürzung" vorgelegen sei und andererseits für die Monate Jänner und Februar die Verfolgungsverjährung mit den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgabe, nämlich dem 8. bzw. 31. Jänner 1995 begonnen habe. Lag nämlich im beschwerdegegenständlichen Zeitraum vom Jänner bis April 1995 eine Verkürzung der Vergnügungssteuer unter Verletzung der Anmeldepflicht gemäß § 19 Abs. 1 W-VGSG vor, so beginnt die einjährige Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG mit der Beendigung dieses fortgesetzten Deliktes (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1996, Zl. 94/17/0333) mit 31. März 1995. Da die erste Verfolgungshandlung durch die am 27. März 1996 zur Post gegebene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. März 1996 erfolgte, war die Verjährung für den gesamten Abgabenzeitraum nicht eingetreten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 16. Dezember 1999

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