VwGH 97/14/0069

VwGH97/14/006923.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des W S in K, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat, vom 18. April 1997, RV 100/1 - 7/97, betreffend ua Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 1986, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §303;
VwRallg;
BAO §303;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beteiligte sich im Streitjahr an der IMMAG Revitalisierungs- und Altstadterneuerungs-GmbH & Co KG-Serie 20 (in der Folge: IMMAG-Serie 20) in Form einer echten stillen Beteiligung mit einer Einlage von 90.000 S (Ausgabepreis 93.600 S). Aus dieser Beteiligung erklärte er im Streitjahr negative Einkünfte aus Kapitalvermögen von 99.257 S. Neben diesen Einkünften erzielte er nur noch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit Bescheid vom 18. Mai 1988 setzte das Finanzamt die vom Beschwerdeführer erklärten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen an und gelangte so zu einer Einkommensteuergutschrift von 47.889 S.

Auf Grund einer Mitteilung der Großbetriebsprüfung Salzburg nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 26. März 1992 gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO wieder auf, hob den Einkommensteuerbescheid vom 18. Mai 1988 auf und erließ unter einem einen vorläufigen Bescheid, in dem es aussprach, eine Einkommensteuerveranlagung sei nicht durchzuführen. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, bei der IMMAG-Serie 20 sei festgestellt worden, daß der Abfluß aus dem Vermögen des Beschwerdeführers aus seiner Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 nicht schon im Streitjahr, sondern erst im Jahr 1987 erfolgt sei, weswegen im Streitjahr keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt worden seien. Wie sich aus dem mit der IMMAG-Serie 20 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag überdies ergebe, stelle die Beteiligung keine Einkunftsquelle dar, weil auf Dauer gesehen keine positiven Einkünfte zu erwarten seien.

Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, es liege kein Wiederaufnahmsgrund vor. Die hinsichtlich seiner Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 festgestellten Tatsachen würden von der IMMAG-Serie 20 im Rechtsmittelverfahren bestritten. Sollte der Abfluß aus seinem Vermögen aus seiner Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 tatsächlich erst im Jahr 1987 erfolgt sein, wären die dementsprechenden negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen in diesem Jahr zu berücksichtigen. Seine Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 stelle entgegen der Ansicht des Finanzamtes sehr wohl eine Einkunftsquelle dar.

Mit Bescheid vom 1. März 1996 erklärte das Finanzamt den vorläufigen Einkommensteuerbescheid vom 26. März 1992 für endgültig.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 19. März 1996 wies das Finanzamt ua die Berufung gegen den Bescheid vom 26. März 1992 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens mit der bereits im Bescheid vom 26. März 1992 gegeben Begründung ab.

Ohne auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung einzugehen, beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Am 3. Oktober 1996 stimmte der Beschwerdeführer der Erlassung einer zweiten Berufungsvorentscheidung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens schriftlich zu.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Oktober 1996 hob das Finanzamt in Stattgabe der Berufung den Bescheid vom 26. März 1992 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens ohne Begründung auf.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1996 nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Streitjahr gemäß § 303 Abs 4 BAO wieder auf, wobei es zur Begründung im wesentlichen ausführte, erst im Zug einer im Jahr 1990 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung sei bekannt geworden, daß der Abfluß aus dem Vermögen des Beschwerdeführers aus seiner Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 nicht schon im Streitjahr, sondern erst im Jahr 1987 erfolgt sei, weswegen im Streitjahr keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt worden seien. Überdies sei festgestellt worden, daß die IMMAG-Serie 20 bereits im Zeitpunkt der Beteiligung des Beschwerdeführers total überschuldet gewesen sei und "Scheinanteile" ausgegeben habe. Die Beteiligung des Beschwerdeführers an der IMMAG-Serie 20 stelle daher mangels jemals erzielbarer positiver Einkünfte keine Einkunftsquelle dar. Entscheidend für die Wiederaufnahme des Verfahrens sei jedoch die neu hervorgekommene Tatsache, daß die Bilanz der IMMAG-Serie 20 für das Wirtschaftsjahr 1986 erst im Jahr 1987 erstellt worden sei. Negative Einkünfte aus einer stillen Beteiligung seien in dem Jahr steuerlich zu berücksichtigen, in dem die Bilanzerstellung durch den Geschäftsherrn erfolge. Wäre dem Finanzamt bereits bei Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr am 18. Mai 1988 bekannt gewesen, daß der Abfluß aus dem Vermögen des Beschwerdeführers aus seiner stillen Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 erst im Jahr 1987 erfolgt sei, wären die erklärten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht berücksichtigt worden. Für das in Ansehung der Wiederaufnahme des Verfahrens auszuübende Ermessen sei vor allem das Erreichen eines rechtmäßigen Ergebnisses (Prinzip der Rechtsrichtigkeit) und die nicht nur bloß geringfügigen steuerlichen Auswirkungen entscheidend gewesen.

Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, die nachträgliche Feststellung von "Liebhaberei" stelle keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund dar. Dem Finanzamt sei überdies der Inhalt der mit der IMMAG-Serie 20 abgeschlossenen Verträge bekannt gewesen, weswegen auch aus diesem Grund die Wiederaufnahme des Verfahrens unzulässig sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie zur Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens insbesondere darauf hinwies, erst im Zug der im Jahr 1990 bei der IMMAG-Serie 20 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung sei die bereits seit dem Jahr 1987 bestehende Tatsache neu hervorgekommen, daß deren Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1986 erst im Jahr 1987 erstellt worden sei, weswegen der Abfluß aus dem Vermögen des Beschwerdeführers aus seiner stillen Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 erst im Jahr 1987 erfolgt sei. Verlustzuweisungen aus einer echten stillen Beteiligung seien nämlich erst in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem die Bilanzerstellung durch den Geschäftsherrn erfolge. Die Kenntnis dieser bereits seit dem Jahr 1997 bestehenden Tatsache hätte daher insofern zu einem im Spruch anders lautenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr geführt, als die erklärten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht berücksichtigt worden wären. Die belangte Behörde wies überdies darauf hin, daß bei Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr dem Finanzamt weder die schlechte wirtschaftliche Lage der IMMAG-Serie 20 noch die Ausgabe von "Scheinanteilen" bekannt gewesen sei. Auch die mit der IMMAG-Serie 20 abgeschlossenen Verträge seien dem Finanzamt nicht bekannt gewesen. Die belangte Behörde vertritt überdies die Ansicht, die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens ergebe sich auch aus der Tatsache, daß im Hinblick auf die der Beteiligung des Beschwerdeführers an der IMMAG-Serie 20 zugrunde liegende Gestaltung von vornherein nicht mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen zu rechnen gewesen sei, was dem Finanzamt erst auf Grund der Ergebnisse der im Jahr 1990 bei der IMMAG-Serie 20 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung bekannt geworden sei. Wäre diese Gestaltung dem Finanzamt bereits bei Erlassung des Einkommensteuerbescheides im Jahr 1988 bekannt gewesen, hätte es die Unmöglichkeit der Erzielung positiver Einkünfte aus Kapitalvermögen erkennen können, was zu dem Schluß geführt hätte, daß die erklärten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht zu berücksichtigen seien.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erhebt den Vorwurf, mit dem neuerlich auf dieselben Wiederaufnahmsgründe gestützten Bescheid des Finanzamtes vom 6. Dezember 1996 wie der des Finanzamtes vom 26. März 1992 werde die von der Abgabenbehörde zu beachtende Bindungswirkung rechtskräftiger Bescheide unter Mißachtung des Grundsatzes "ne bis in idem" verletzt. Denn der Bescheid vom 6. Dezember 1996 sei mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Oktober 1996 aufgehoben worden, womit das Verfahren betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Eine neuerliche Wiederaufnahme aus denselben Gründen sei daher wegen entschiedener Sache unzulässig.

Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Nach § 276 Abs 1 BAO kann das Finanzamt eine Berufung durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern oder aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen. Das Finanzamt hat mit (zulässiger zweiter) Berufungsvorentscheidung vom 18. Oktober 1996 den Bescheid vom 26. März 1992 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben. Mit dieser Aufhebung ist das Einkommensteuerverfahren gemäß § 307 Abs 3 BAO in die Lage zurückgetreten, in der es sich vor der verfügten Wiederaufnahme befunden hat, wodurch der Bescheid vom 18. Mai 1988 betreffend Einkommensteuer für das Streitjahr wieder aufgelebt ist. Dies hatte aber nicht zur Folge, daß das Finanzamt nicht neuerlich die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Streitjahr hätte verfügen dürfen. Allerdings hätte die neuerliche Wiederaufnahme des Verfahrens aus anderen Gründen verfügt werden müssen als aus jenen im aufgehobenen Bescheid vom 26. März 1992. Diesfalls würde eine andere, keine entschiedene "Sache" vorliegen. Was "Sache" ist, orientiert sich am Wiederaufnahmsgrund (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 2954).

Bereits im Bescheid vom 26. März 1992 hat das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung verfügt, daß der Abfluß aus dem Vermögen des Beschwerdeführers aus seiner Beteiligung an der IMMAG-Serie 20 nicht schon im Streitjahr, sondern erst im Jahr 1987 erfolgt sei, weswegen im Streitjahr keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt worden seien, und die Beteiligung keine Einkunftsquelle darstelle, weil auf Dauer gesehen keine positiven Einkünfte zu erwarten seien. Mit derselben Begründung hat das Finanzamt im Bescheid vom 6. Dezember 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt. Damit ist aber die neuerliche Wiederaufnahme des Verfahrens nicht aus anderen Gründen verfügt worden, als aus jenen im mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Oktober 1996 aufgehobenen Bescheid vom 26. März 1992. Es lag somit bei Erlassung des Bescheides vom 6. Dezember 1996 eine bereits entschiedene "Sache" vor, weswegen die Erlassung eines sich auf dieselben Wiederaufnahmsgründe stützenden Bescheides unzulässig gewesen ist. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß sich der Bescheid vom 26. März 1992 (unrichtigerweise) auf § 303 Abs 1 lit b BAO, hingegen der Bescheid vom 6. Dezember 1996 (richtigerweise) auf § 303 Abs 4 leg cit stützt. Denn dabei handelt es sich um ein unrichtiges Gesetzeszitat, das die über die Berufung entscheidende Behörde - ohne die Sache zu überschreiten - hätte richtigstellen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Dem Antrag auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes konnte gemäß § 49 Abs 1 zweiter Satz VwGG nicht entsprochen werden, weil der Beschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am 23. März 1999

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