VwGH 97/08/0122

VwGH97/08/012220.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch C in W, als bestellte Sachwalterin, diese vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. Oktober 1995, Zl. MA 12-2543/94/MB, betreffend Einstellung der monatlichen Mietbeihilfe nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
SHG Wr 1973 §10 Abs1;
SHG Wr 1973 §10 Abs3;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
AVG §56;
SHG Wr 1973 §10 Abs1;
SHG Wr 1973 §10 Abs3;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den Angaben des angefochtenen Bescheides - die belangten Behörde legte nur Fragmente des bezughabenden Verwaltungsaktes vor - war dem Beschwerdeführer zuletzt mit Bescheid vom 18. Mai 1994, Zl. MA 12-2543/94/MB, eine monatliche Mietbeihilfe zuerkannt worden, die mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Referat Mietbeihilfe, vom 12. September 1995 "per 30.9.1995 eingestellt" worden war.

Der angefochtene Bescheid hat die gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Dagegen richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 60 AVG sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage in der Bescheidbegründung klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 95/08/0271 mwN). Die belangte Behörde hat nun weder die bereits zitierten Bescheide vom 18. Mai 1994 und vom 12. September 1995 vorgelegt (einem handschriftlichen Vermerk zufolge dürfte ein Aktenteil in Verstoß geraten sein) noch jene Feststellungen getroffen, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Einstellung der als Dauerleistung zuerkannten Mietbeihilfe und für die Beurteilung der gesetzlichen Voraussetzungen und der Höhe einer Mietbeihilfe nach dem Wiener Sozialhilfegesetz erforderlich wären.

Es findet sich lediglich die Wiedergabe einer im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Aufstellung, aus der hervorgeht, dass ausgehend von einem vom Beschwerdeführer zu entrichtenden Mietzins von S 1.582,-- nach Abzug eines "Selbstbehalts" von S 794,-- (vgl. zur Unzulässigkeit eines solchen Selbstbehaltes etwa das Erkenntnis vom 10. November 1998, Zlen. 97/08/0055, 0056) ein monatlicher "Mietenmehrbedarf" von S 788,-- errechnet worden sei, und dieser Mietenmehrbedarf zusammen mit dem "ASVG-Richtsatz" von S 7.440,-- einen "Sozialhilfebedarf" von S 8.228,-- ergäbe, der das monatliche Einkommen des Beschwerdeführers von S 8.859,-- unterschreite, sodass keine Mietbeihilfe zuerkannt werden könne. Aus dem angefochtenen Bescheid geht aber - abgesehen von der Unzulässigkeit der Festsetzung eines "Selbstbehaltes" - weder hervor, dass die belangte Behörde diese Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde übernommen hätte, noch geht hervor, auf Grund welcher Beweisergebnisse (vgl. die mit dem Akt vorgelegte Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 1. Juli 1997 über die Zusammensetzung der Pensionszahlung an den Beschwerdeführer) sich Feststellungen über das Einkommen des Beschwerdeführers im maßgebenden Zeitraum stützen.

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Sozialhilfeleistungen ist - wie dies für Dauerrechtsverhältnisse allgemein gilt - ein zeitraumbezogener Anspruch. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach dargelegt hat, gilt ein derartiger Ausspruch mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 1987, Zl. 82/08/0087 und vom 17. September 1991, Zl. 91/08/0004). In Ermangelung der Vorlage des Bescheids vom 18. Mai 1994, mit dem offenbar eine monatliche Mietbeihilfe auf unbestimmte Zeit zuerkannt wurde, bzw. in Ermangelung von Feststellungen über die im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheids gegebenen tatsächlichen Verhältnisse kann nicht beurteilt werden, inwieweit diese ab dem 1. Oktober 1995 eine Änderung erfahren haben.

Der angefochtene Bescheid war daher infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig, jedoch gleichwohl wegen des rechtswidrig angeordneten Selbstbehaltes wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Verwaltungsgerichtshof ergänzend auf Folgendes hin:

Der § 10 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes lautet:

"Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern."

Der Abs. 3 der erwähnten Bestimmung lautet:

"Die Verwertung des Einkommens oder Vermögens darf nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden würde."

Der § 13 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes lautet:

"Die Bemessung von Geldleistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen."

Abs. 3 dieser Bestimmung lautet:

"Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt".

Abs. 6 dieser Bestimmung lautet:

"Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falls zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden."

§ 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973, in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 68/1994, lautet:

"(1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung der Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

1. für den Alleinunterstützten 4770 S

...

(2) Die richtsatzmäßige Gesamtunterstützung einschließlich des Zuschlags gemäß § 4 darf in der Regel die entsprechenden für das Jahr 1995 gemäß § 293 ASVG festgelegten Mindestleistungen der Pensionsversicherung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nicht überschreiten."

§ 5 dieser Bestimmung lautet:

"(1) Bei anderen als in § 4 Abs. 1 genannten Sozialhilfebeziehern ist der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist.

(2) Der Mietbedarf ist durch eine Mietbeihilfe zu decken. Die Mietbeihilfe ist alleinunterstützten oder hauptunterstützten Sozialhilfebeziehern in der Höhe des tatsächlichen Mietzinses zu gewähren, soweit die Wohnung des Sozialhilfebeziehers einen angemessenen Wohnraumbedarf nicht übersteigt, und nur im Ausmaß des auf den einzelnen Sozialhilfebezieher entfallenden Mietzinsanteils.

(3) Die Mietbeihilfe darf jedoch in der Regel einen Betrag von 2482 S monatlich nicht überschreiten.

(4) ..."

Nach den zitierten Bestimmungen wäre daher zunächst das nach dem Wiener Sozialhilfegesetz anrechenbare Einkommen des Beschwerdeführers zu ermitteln gewesen. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass ein vom Beschwerdeführer bezogenes Pflegegeld nicht schlechthin als Einkommen anzusehen ist (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0510).

Auch über die sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerde erwähnten Unterhaltszahlungen des Beschwerdeführers für seinen minderjährigen Sohn fehlen notwendige Feststellungen. Grundsätzlich macht der Beschwerdeführer mit der Geltendmachung seiner Unterhaltsverpflichtung Belastungen geltend, die seinen Bedarf vergrößern. Es geht dabei nicht um - anrechenbare oder nicht anrechenbare - Einkünfte des Beschwerdeführers, die im Rahmen der eigenen Kräfte und Mittel bei Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung von Sozialhilfe zu berücksichtigen wären. Der Beschwerdeführer behauptet vielmehr, ihn träfen damit Belastungen, die zufolge Vergrößerung seines Bedarfes sein verfügbares Einkommen mindern. Die belangte Behörde hätte sich daher damit auseinander zu setzen gehabt, ob es sich bei den in Rede stehenden Belastungen um solche handelt, die für den Beschwerdeführer eine unvermeidliche Schmälerung seiner Einkünfte bewirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 93/08/0231).

Sollte der Beschwerdeführer kraft eines vollstreckbaren Titels zur Unterhaltsleistung an sein minderjähriges Kind verpflichtet sein, auf Grund dessen Forderungsexekution in seinen Pensionsanspruch geführt wird, so läge eine solche unvermeidliche Schmälerung seiner Einkünfte vor, wenn der Beschwerdeführer alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, auf Herabsetzung oder Aufhebung der Unterhaltsverpflichtung zu dringen. Dem Beschwerdeführer könnte insoweit nicht entgegengehalten werden, Unterhaltsverpflichtungen bestünden ohnehin nur nach Maßgabe der eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 93/08/0231).

Sollte diesbezüglich allerdings bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegen und keine Änderung der Verhältnisse eingetreten sein, so wird sich die belangte Behörde damit nicht neuerlich auseinander zu setzen haben.

Die Entscheidung über den Ersatz des Aufwandes beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Oktober 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte