VwGH 95/05/0054

VwGH95/05/005423.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Mag. Hedda Kletter in Wien, vertreten durch Prettenhofer & Jandl, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien I, Oppolzergasse 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Dezember 1994, Zl. MD-VfR - B XIX - 76/94, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauRallg;
VVG §1;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauRallg;
VVG §1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin gehört das Haus in Wien XIX, Zehenthofgasse 37. Anlässlich eines Lokalaugenscheines am 10. August 1994 wurde festgestellt, dass die Fassade der Hofschauseite schadhaft ist und dass an der Front Zehenthofgasse der Verputz beim Gesimse fehlt.

Mit Bescheid vom 10. August 1984 trug der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, den Eigentümern dieses Hauses auf,

1. das schadhafte Gesimse an der Front Zehenthofgasse bauordnungsgemäß instand zu setzen und

2. die schadhafte Fassade der Hofschauseite bauordnungsgemäß instand zu setzen.

Für beide Maßnahmen wurde eine sechsmonatige Frist eingeräumt.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es liege eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses nicht vor, da an der Fassade der Hofschauseite nur ihr Privatgarten angrenze und auch die Front Zehenthofgasse durch ihren davor befindlichen Privatgarten einen ausreichenden Abstand zu öffentlichen Verkehrsflächen aufweise, sodass eine Gefährdung der Öffentlichkeit durch herabstürzende Mauerteile nicht möglich sei. Weder die Fassade der Hofschauseite noch das Gesimse an der Front Zehenthofgasse, bei welchem lediglich der Verputz fehle, befänden sich in einem Bauzustand, der das Herabfallen von Mauerteilen befürchten lasse. Außerdem wurde vorgebracht, dass die Instandsetzungsfrist zu kurz sei, eine Frist von 12 Monaten könne als angemessen betrachtet werden.

Anlässlich der Vorlage dieser Berufung wurde von der erstinstanzlichen Behörde nachstehende Stellungnahme abgegeben:

"Aus der Sicht der MA 37/19 besteht öffentliches Interesse an der Instandsetzung, weil durch das schadhafte Gesimse und die schadhafte Hofschauseite eine weitere Beschädigung durch Wassereinwirkung des freiliegenden Mauerwerkes die Folge wäre und der konsensgemäße Wärme- und Schallschutz nicht mehr gegeben sind. Durch eine weitere Verschlechterung der schadhaften Fassade der Hofschauseite, könnte eine Gefährdung durch herabfallende Verputzteile entstehen, da der Garten vom Haus frei zugänglich ist."

Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin vorgehalten; sie verwies darauf, dass auf beiden Seiten jeweils nur ein Privatgarten an das Gebäude angrenze. Die Mängel seien nicht derart massiv, dass sie zu einem Wassereintritt führten. Der konsensgemäße Wärme- und Schallschutz stelle kein öffentliches Interesse im Sinne des § 129 Abs. 2 BO dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin bestreite die festgestellten Schäden nicht, sondern stelle bloß in Frage, ob ein öffentliches Interesse an der Beseitigung der festgestellten Baugebrechen bestehe. Die Berufungsbehörde verwies auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Verputzschäden einer Hofschaufläche einen Instandsetzungsauftrag nach § 129 Abs. 4 BO rechtfertigten und dass es im öffentlichen Interesse liege, dass Außenmauern standfest und tragfest seien und blieben, was erfordere, dass solche Schauflächen verputzt werden müssten, damit das Gebäude den Anforderungen des § 99 BO entspreche. Ohne Belang sei es, ob sich vor den Fronten jeweils ein Privatgarten befinde, weil ein öffentliches Interesse schon dann gegeben sei, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit auch nur einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden könne. Die belangte Behörde hielt die gesetzte Erfüllungsfrist für angemessen, weil die Arbeiten innerhalb der Frist durchgeführt werden können und außerdem darauf Bedacht genommen werden müsse, dass die in einem Baugebrechen gelegene Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen rechtzeitig beseitigt werde. Im übrigen sei durch die Erhebung der Berufung die Verlängerung der Erfüllungsfrist auf 12 Monate nahezu erreicht worden.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf gesetzmäßige Durchführung eines Verfahrens zur Erteilung eines Instandsetzungsauftrages verletzt. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 2 der BauO für Wien (hier in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976; im Folgenden: BO) hat der Eigentümer dafür zu sorgen, dass die Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung hat die Behörde nötigenfalls den Eigentümer zur Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist zu verhalten; sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an.

Was zunächst die in der Beschwerde vorgetragene Rüge betrifft, die Behörde hätte das Ausmaß des Gebrechens nicht hinreichend konkretisiert, ist darauf hinzuweisen, dass beim Lokalaugenschein den festgestellten Schäden nicht widersprochen wurde und dass in der Berufung einerseits zugestanden wurde, dass beim Gesimse an der Front Zehenthofgasse der Verputz fehle und andererseits nicht bestritten wurde, dass der Verputz der Hofschauseite schadhaft sei. Bei schadhaftem Verputz von Außenwänden handelt es sich um Baugebrechen, bei welchen eine Umschreibung des Schadens niemals bis in alle Einzelheiten möglich ist (siehe das bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften3, 559, zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1968, Zl. 1850/67, sowie zuletzt das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0275).

Es steht jedenfalls fest, dass an der Straßenseite Verputz fehlt und dass die Fassade an der Hofseite schadhaft ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat im zuletzt genannten Erkenntnis unter Hinweis auf die §§ 99 Abs. 1 und 101 Abs. 2 BO ausführlich begründet, dass ein Auftrag, den schadhaften Verputz instandzusetzen, bei Vorliegen entsprechender Verputzschäden im Gesetz begründet ist. Auch im Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/05/0045, wurde auf die Instandsetzungspflicht bei Verputzschäden hingewiesen, zumal gewöhnliches Rohziegelmauerwerk gegen Witterungseinflüsse anfällig ist.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme im Berufungsverfahren lediglich bestritten, "dass die Mängel derart massiv sind, dass sie zu einem Wassereintritt führen." Es wäre aber ihre Sache gewesen, darzutun, dass die besondere Mauerkonstruktion bei ihrem Haus einen Verputz bzw. einen vollständigen Verputz nicht erforderlich mache.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie den Zugang zum Garten zwischenzeitig abgesperrt habe, ist neu und kann daher vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund des aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbotes nicht berücksichtigt werden. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof im schon zitierten Erkenntnis vom 25. Juni 1996 ausgesprochen, dass sich das öffentliche Interesse an der gefahrlosen Benutzung eines Grundstückes auch auf Personen erstreckt, die befugt das Grundstück betreten.

Obwohl die Beschwerdeführerin die besondere Geringfügigkeit der vorhandenen Mängel an den Fassaden betont, meint sie, dass eine sechsmonatige Erfüllungsfrist zu kurz sei. Irgendwelche Umstände, wonach die aufgetragene Behebung innerhalb dieser Zeit bzw. innerhalb der tatsächlich rund 11 Monate währenden Erfüllungsfrist technisch nicht bewältigbar wäre, hat sie jedoch nicht behauptet. Soweit sie auf ihre besondere wirtschaftliche Situation verweist, ist ihr zu entgegnen, dass die Tatsache, dass ein Instandsetzungsauftrag dem Eigentümer wirtschaftliche Lasten auferlegt, nichts am Charakter dieser ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienenden Verpflichtung ändert (siehe das bei Geuder-Hauer, a.a.O., 555 zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1972, VfSlg. Nr. 6.911). Liegt ein Baugebrechen vor, dann kann die Behörde mit der Erteilung des Bauauftrages keinesfalls solange zuwarten, bis die finanziellen Verhältnisse des Hauseigentümers sich soweit verbessern, dass der Aufwand getragen werden kann.

Die Beschwerde erwies sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Da die anstehenden Rechtsfragen durch die Vorjudikatur vollständig geklärt sind, konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 417/1994.

Wien, am 23. Februar 1999

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