VwGH 98/14/0155

VwGH98/14/015524.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, in der Beschwerdesache des HH in L, vertreten durch Dr. Erhard Hackl und Dr. Karl Hatak, Rechtsanwälte in Linz, Hofgasse 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 5. November 1997, Zl. RV/252/01-06/LAU/97, betreffend u. a. Einkommensteuer 1988, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1.) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2.) Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Begründung

Mit Berichterverfügung vom 15. September 1998 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, innerhalb von drei Wochen näher bezeichnete Mängel der vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde zu beheben. Diese Verfügung wurde den Vertretern des Beschwerdeführers am 25. September 1998 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1998 (beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 23. Oktober 1998) beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Mängelbehebung und bringt dazu im wesentlichen folgendes vor:

Nach Einlangen des Mängelbehebungsauftrages habe die Kanzleileiterin E.P. auf dem Mängelbehebungsauftrag als Fristende 15. Oktober 1998 eingetragen. Es sei in der Kanzlei der Beschwerdevertreter üblich, als Fristende einen Tag vor Ablauf der Frist auf dem Schriftstück einzutragen. Anläßlich der am 29. September 1998 durchgeführten Postbesprechung seien die angefallenen Akten nacheinander behandelt worden. Dabei habe einer der Anwälte, nämlich Dr. K.H., die Frist kontrolliert und der Kanzleiangestellten C.F. den Auftrag erteilt, die diesen Vorgang betreffende Frist mit dem 15. Oktober 1998 in den Kalender einzutragen. C.F. habe irrtümlich die Frist mit 22. Oktober 1998 eingetragen. In der Kanzlei der Beschwerdevertreter sei es üblich, die Bearbeitung einige Tage vor Fristablauf aufzunehmen, weshalb dem in der Kanzlei beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter Mag. W.K. am 19. Oktober 1998 der Akt zur Bearbeitung vorgelegt worden sei. Dabei sei die Fristversäumung festgestellt worden. C.F. sei seit 1990 als Sekretärin in der Kanzlei beschäftigt, wobei sie regelmäßig Postakten nach entsprechender Weisung zu bearbeiten habe. Dazu gehöre auch die Eintragung und Vorlage zum Zweck der rechtzeitigen Bearbeitung. Ihr sei bisher noch kein Fehler unterlaufen. Durch die nochmalige Kontrolle der Frist anläßlich der Postbesprechung und die Weisung, die Frist in das Fristenbuch einzutragen, liege ein entsprechendes Kontrollsystem vor, das im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes geeignet sei, die Versäumung von Fristen durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen.

Dem Wiedereinsetzungsantrag sind Erklärungen Dris. K.H. und der C.F. angeschlossen, nach deren Inhalt C.F. entgegen der am 29. September 1998 erteilten Weisung, die Frist mit 15. Oktober 1998 einzutragen, irrtümlich die Frist mit 22. Oktober 1998 eingetragen habe und ihr ein derartiger Fehler seit Beginn ihrer Tätigkeit im Jahre 1990 nicht unterlaufen sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten verletzt hat. Der Wiedereinsetzungswerber hat im Antrag konkret darzutun, was er bzw. sein Rechtsanwalt in Erfüllung der Pflicht zur Überwachung der für ihn tätig gewordenen Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung von Fristen vorgekehrt hat (siehe dazu u. a. den hg. Beschluß vom 28. April 1998, 98/02/0112, mwN).

Zu den Aufgaben des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Wahrung einer Frist gehört es, die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten obliegenden Aufsichtspflicht zu überwachen (siehe dazu den hg. Beschluß vom 27. März 1998. 97/21/0274 und 0275, mwN). Der Rechtsanwalt muß zwar die mit der Führung des Kalenders betraute Angestellte nicht "auf Schritt und Tritt" überwachen, weshalb ihn nicht die Pflicht zur sofortigen persönlichen Kontrolle jeder Eintragung trifft, doch hat er Maßnahmen vorzukehren, die Fehleintragungen verhindern oder sie rechtzeitig als solche erkennen lassen, indem er z.B. eine andere geschulte und verläßliche Angestellte mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut oder selbst regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Überprüfungen durchführt (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 15. März 1995, Zlen. 94/13/0065, 0066). Aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E.Nr. 190 und 191 zu § 71 AVG zitierte Rechtsprechung ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil auch in diesen Entscheidungen die Pflicht des Rechtsanwaltes zur Überwachung der richtigen Eintragung in den Kalender betont wird.

Dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag ist in keiner Weise zu entnehmen, ob und welche Vorkehrungen der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zur Kontrolle der richtigen Eintragung von Fristen getroffen hat. Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die auf die fehlerhafte Fristeintragung zurückzuführende verspätete Einbringung des die Verbesserung der Beschwerde enthaltenden Schriftsatzes bloß auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen ist. Auch unter Zugrundelegung des in den Erklärungen behaupteten Sachverhaltes konnte daher dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden.

Da die Mängel der Beschwerde nicht innerhalb der gesetzten Frist behoben wurden, war das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Wien, am 24. November 1998

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte