VwGH 98/11/0150

VwGH98/11/015017.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des S in L, vertreten durch Mag. Wilhelm Bergthaler, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Februar 1998, Zl. 206020/6-IV/10/98, betreffend Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:

Normen

ZDG 1986 §14 Abs1;
ZDG 1986 §14 Abs2 idF 1996/788;
ZDG 1986 §76 Abs1 idF 1996/788;
ZDG 1986 §14 Abs1;
ZDG 1986 §14 Abs2 idF 1996/788;
ZDG 1986 §76 Abs1 idF 1996/788;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers vom 17. März 1997 auf Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes bis zum Abschluß des Studienganges "Telekommunikation und Medien" an einer näher bezeichneten Fachhochschule im Juli 2001 "gemäß § 14 Abs. 1 bis 3" Zivildienstgesetz (idF der ZDG-Novelle 1996) abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz ZDG (idF der ZDG-Novelle 1996, BGBl. Nr. 788) ist Zivildienstpflichtigen auf Antrag der ordentliche Zivildienst aufzuschieben, wenn Erfordernisse des Zivildienstes nicht entgegenstehen, sie noch nicht zum ordentlichen Zivildienst mit Dienstantritt innerhalb eines Jahres nach Wirksamwerden der Zivildiensterklärung oder nach Ende des Aufschubes gemäß Abs. 1 zugewiesen sind und durch die Unterbrechung einer Berufsvorbereitung, Schul- oder Hochschulausbildung, die sie nach dem im § 36a Abs. 3 WG genannten Zeitpunkt begonnen haben, einen bedeutenden Nachteil erleiden würden. Nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle gilt dasselbe, wenn der Zivildienstpflichtige ohne zugewiesen zu sein, eine weiterführende Ausbildung, etwa ein Hochschulstudium, begonnen hat und eine Unterbrechung der Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.

Der Beschwerdeführer hatte im Verfahren geltend gemacht, falls er gezwungen wäre, den ordentlichen Zivildienst vor Beendigung des Studienlehrganges zu leisten, müßte diese im September 1997 begonnene und voraussichtlich im Juli 2001 endende Ausbildung zur Gänze abgebrochen werden. Es handle sich bei dieser um einen in sich abgeschlossenen vierjährigen Studiengang; eine Unterbrechung sei nicht möglich. Außerdem würde in diesem Fall die am Beginn des Studiums gezahlte Kaution in Höhe von S 10.000,-- verfallen.

Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, der festgestellte Sachverhalt sei nicht geeignet, den begehrten Aufschub zu gewähren. Die Gewährung eines Aufschubs setze den Nachweis eines mit der Unterbrechung einer Ausbildung infolge Zivildienstleistung verbundenen bedeutenden Nachteils bzw. einer außerordentlichen Härte voraus. Umstände, die notwendiger Weise mit der gesetzlich zulässigen Unterbrechung der Ausbildung für alle Fälle gleicher Weise verbunden seien, könnten keine Nachteile im besagten Sinn begründen. Der Träger einer Lehranstalt mit Öffentlichkeitsrecht verpflichte sich mit der Aufnahme eines Schülers grundsätzlich, diesem den Schulabschluß zu ermöglichen. Aus der Tatsache einer regen Nachfrage nach einer bestimmten Schultype und einer dadurch bedingten Reglementierung des Zugangs durch Auswahlverfahren/Aufnahmeprüfungen/Kautionen könne im Zusammenhang mit sonstigen an Schulen üblichen Fluktuationen nicht geschlossen werden, daß es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, seine Ausbildung nach beendeter Zivildienstleistung fortzusetzen.

Dem am 30. November 1978 geborenen Beschwerdeführer wurde laut Gegenschrift mit Bescheid vom 2.Mai 1996 gem. § 14 Z.1 ZDG (in der Fassung vor der ZDG-Novelle 1996) der Antritt des ordentlichen Zivildienstes bis 15. August 1997 aufgeschoben. Der mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesene Antrag bezieht sich auf ein im Herbst 1997 begonnenes Fachhochschulstudium. Dieser auf einen anderen Aufschubgrund gestützte (und daher nicht in den Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 zweiter Satz ZDG fallende) Antrag war am zweiten Satz des § 14 Abs. 2 ZDG zu messen, weil die Einjahresfrist ab Ende des Aufschubes (ab 15. August 1997) bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (5. Mai 1998) noch nicht abgelaufen war und ein Zuweisungsbescheid bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht ergangen ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag Zlen. 98/11/0115 und 98/11/0129). Entscheidend ist somit, ob mit einer Unterbrechung der Ausbildung des Beschwerdeführers infolge Zivildienstleistung eine außerordentliche Härte verbunden wäre.

Diese Rechtsfrage kann, wie die Beschwerde zutreffend vorbringt, mangels hinreichender Feststellungen und Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht abschließend beurteilt werden. Die belangte Behörde spricht zwar eingangs von einem "festgestellten Sachverhalt", unterläßt aber in der Folge konkrete Sachverhaltsfeststellungen. Es ist damit nicht hinreichend klar ersichtlich, von welchen dem Beschwerdeführer bei Ableistung des Zivildienstes insgesamt drohenden Nachteilen sie bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist. Dies gilt jedenfalls in Ansehung des behaupteten Verlustes der Kaution. Hinsichtlich des behaupteten gänzlichen Abbruchs der laufenden Ausbildung scheint sie angenommen zu haben, daß dieser Nachteil nicht zu befürchten sei. Allerdings findet sich im angefochtenen Bescheid dazu keine stichhältige Begründung. Die belangte Behörde begnügt sich insoweit mit Vermutungen und Erörterungen allgemeiner Art, ohne sich auf konkrete Ermittlungsergebnisse stützen zu können. Erst in der Gegenschrift beruft sie sich auf die Studienordnung für die Lehrgänge an der gegenständlichen Fachhochschule und versucht daraus abzuleiten, daß die Ableistung des ordentlichen Zivildienstes durch den Beschwerdeführer weder den Kautionsverfall noch den gänzlichen Abbruch der laufenden Ausbildung zur Folge hätte. Dabei handelt es sich um den unzulässigen Versuch der Behebung eines wesentlichen Begründungsmangels des angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift. Der Begründungsmangel ist wesentlich, weil die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, denn bei Zutreffen der Behauptung des Beschwerdeführers betreffend Verfall der Kaution und insbesondere gänzlichen Abbruch der Ausbildung läge eine außerordentliche Härte im Sinne des § 14 Abs. 2 zweiter Satz ZDG vor. Diese beiden Nachteile gehen nämlich weit über die mit der Unterbrechung einer laufenden Ausbildung üblicherweise verbundenen Nachteile hinaus.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. November 1998

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