VwGH 98/10/0178

VwGH98/10/017814.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. März 1998, Zl. U-9395/25, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;
NatSchG Tir 1991;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;
NatSchG Tir 1991;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 19. Juli 1995 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers auf naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Kleinkraftwerkes am Kirchbach in der Gemeinde Untertilliach gemäß den §§ 7 Abs. 1 lit. d, 27 Abs. 5 und 40 Abs. 1 Tiroler Naturschutzgesetz 1991 abgewiesen.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. Jänner 1996 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der den Bescheid mit Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 98/10/0025, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob, weil der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1997, G 21/97, u.a. ausgesprochen hatte, daß das Tiroler Naturschutzgesetz 1991, LGBl. Nr. 29, verfassungswidrig war und es sich im Gegenstande um einen Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG handelte.

Im fortgesetzten Verfahren versagte die Tiroler Landesregierung dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Berufung gegen den Bescheid der BH Lienz vom 19. Juli 1995 mit Bescheid vom 30. März 1998 neuerlich die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung, wobei sie den erstinstanzlichen Spruch dahin abänderte, daß die Versagung auf die §§ 7 Abs. 1 lit. b und c, 27 Abs. 2 lit. a Z. 2 und Abs. 6, sowie 40 und 41 Tiroler Naturschutzgesetz 1997, LGBl. Nr. 33, gestützt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der erstinstanzliche Bescheid vom 19. Juli 1995 beruhte auf dem Tiroler Naturschutzgesetz 1991. Mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1997, G 21/97, u.a. hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß dieses Gesetz verfassungswidrig war. Nach Art. 140 Abs. 7 B-VG sind, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.

Durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes wurde für den Anlaßfall (rückwirkend) das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 aus der Rechtsordnung eliminiert. Die belangte Behörde hatte daher bei ihrer Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 nicht mehr anzuwenden. Sie hätte daher richtigerweise den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos beheben müssen. Hat der Verfassungsgerichtshof nämlich ausgesprochen, daß das Gesetz, auf das sich der Bescheid der unterinstanzlichen Behörde stützt, nicht mehr anzuwenden ist, so kann die Entscheidung der Berufungsbehörde nur in einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides bestehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß mit 1. Juni 1997 - also noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - das Tiroler Naturschutzgesetz 1997 in Kraft getreten ist. Dieses enthält keine rückwirkenden Bestimmungen und konnte daher dem Bescheid der BH vom 19. Juli 1995 die ihm durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1997 entzogene Zuständigkeitsgrundlage nicht wieder verschaffen, weil für die Zuständigkeit einer Behörde die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblich ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1998, Zl. 98/10/0147).

Die belangte Behörde hat, indem sie statt mit einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG vorzugehen, dem Beschwerdeführer die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung versagt hat, ihre Ermächtigung zur Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG überschritten. Der solcherart mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete angefochtene Bescheid war daher - ohne auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 1998

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