VwGH 98/08/0042

VwGH98/08/004223.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der D K in G, vertreten durch Dr. Josef Peissl und Mag. Klaus Rieger, Rechtsanwälte in 8580 Köflach, Judenburger Straße 1, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 16. Dezember 1997, Zl. LGS600/LA2/1218/1997-Mag. Ed/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war seit 17. November 1987 als ordentliche Hörerin an der Karl-Franzens-Universität Graz immatrikuliert. Sie inskribierte in der Folge die Studienrichtungen Leibeserziehung und Deutsche Philologie. In der Zeit vom 27. September 1989 bis 16. Oktober 1991 nahm sie als ordentliche Hörerin an einem medienkundlichen Lehrgang teil, den sie abschloß. Danach war sie im Presse- bzw. Werbebereich tätig. Vom 1. November 1994 bis 6. Oktober 1997 war sie in keiner Studienrichtung inskribiert, sondern lediglich immatrikuliert. Seit 7. Oktober 1997 ist sie in den Studienrichtungen Pädagogik und "gewählte Fächer statt zweite Studienrichtung" (im Sinne des Universitäts-Studiengesetzes - UniStG) gemeldet.

Am 30. Oktober 1997 stellte die Beschwerdeführerin bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Laut vorgelegter Arbeitsbescheinigung war sie vom 1. April 1996 bis 31. Oktober 1997 als Texterin/Konzeptionistin bei einer Werbe-Marketing-GmbH in Graz beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde im beiderseitigen Einverständnis beendet.

Mit Bescheid vom 11. November 1997 gab die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dem Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. Nach der Begründung seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht erfüllt.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin brachte sie im wesentlichen vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0145) bewirke allein die Immatrikulation die Eigenschaft als "ordentlicher Hörer an einer Hochschule". Da die Beschwerdeführerin seit 17. November 1987 bis laufend immatrikuliert sei und vor Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit weit länger als 12 Monate in einem

arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden sei, lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 4 AlVG vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der angewendeten Gesetzesbestimmungen vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin während der Zeit ihrer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zugleich dem Studium oblegen sei. Sie sei in den Studienrichtungen Pädagogik und gewählte Fächer statt zweite Studienrichtung nämlich erst seit 7. Oktober 1997 inskribiert, weshalb sie die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 Z. 2 AlVG nicht erfülle. Die Studien Leibeserziehung und Deutsche Philologie habe sie abgebrochen bzw. nicht beendet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne des Abs. 1, wer in einer Schule oder in einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

Nach § 12 Abs. 4 AlVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996, kann die regionale Geschäftsstelle von den Bestimmungen des Abs. 3 lit. f unter folgenden Voraussetzungen Ausnahmen zulassen:

"1. Der Arbeitslose muß während eines Zeitraumes von einem Jahr vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 6 Monate oder mindestens die Hälfte der Ausbildungszeit, wenn diese kürzer als 12 Monate ist, einer oder mehreren arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen sein,

2. zugleich muß er dem Studium bzw. der praktischen Ausbildung oblegen sein und

3. er darf die letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst haben."

In der Beschwerde wird im wesentlichen unter Hinweis auf das bereits in der Berufung genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0145, die Auffassung vertreten, daß auch die Nichtinskription einem Studierenden nicht die Eigenschaft als ordentlicher Hörer einer Hochschule im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nehme. Da das Arbeitslosenversicherungsgesetz nach dieser Rechtsprechung an rein formale Gesichtspunkte anknüpfe, sei daher auch im Beschwerdefall davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin zumindest vom 1. November 1994 an bis laufend als ordentliche Hörerin (nach dem Allgemeinen Hochschulstudiengesetz - AHStG) bzw. ordentlich Studierende (nach dem UniStG) zu gelten habe und daher dem Studium oblegen sei. In Verbindung mit der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung der Beschwerdeführerin vom 1. April 1996 bis 31. Oktober 1997 seien somit sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gegeben gewesen.

In dem genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst (unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0140) die Auffassung vertreten, daß unter einem "ordentlichen Hörer einer Hochschule" im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG auch ein ordentlicher Hörer einer Universität zu verstehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis ferner seine bereits im Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0269, vertretene Rechtsauffassung aufrecht erhalten, daß jedenfalls ein Studierender, der nach § 10 Abs. 1 iVm den §§ 6 und 13 AHStG der Universität durch die Inskription nach seiner Aufnahme als ordentlicher Hörer in der Form der Immatrikulation meldet, daß er das gewählte ordentliche Studium im betreffenden Semester beginnen oder fortsetzen werde, so lange nicht als arbeitslos gilt, als er nicht in der nach den studienrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Form (nämlich der Exmatrikulation) die Beendigung seines Studiums wirksam dokumentiert. In dem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings auch darauf hingewiesen, daß nach § 6 Abs. 5 AHStG die Immatrikulation nicht nur durch den Abschluß des Studiums durch erfolgreiche Ablegung der für die Studienrichtung des Studierenden vorgeschriebenen Prüfungen erlischt, sondern unter anderem auch dadurch, daß der ordentliche Hörer seine Studien länger als zwei Semester unterbricht, ohne beurlaubt oder behindert zu sein. Wenn keine wichtigen Gründe vorliegen, so ist eine solche Unterbrechung jedenfalls anzunehmen, wenn der ordentliche Hörer die Inskription unterläßt und auch keine Prüfungen mit positivem Erfolg ablegt, keine Diplomarbeit oder Dissertation zur Approbation einreicht, oder wenn eine Diplomprüfung oder ein Rigorosum mit Ausnahme des letzten Rigorosums, auch nach der dreifachen in den Studienvorschriften vorgesehenen Zeit unbeschadet der Bestimmungen des § 30 nicht erfolgreich abgelegt wurde.

Die Immatrikulation bewirkt somit nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG die Vermutung, daß eine Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt nicht gegeben ist. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme von § 12 Abs. 3 lit. f AlVG sind in § 12 Abs. 4 AlVG näher geregelt. Danach muß der Arbeitslose u.a. vor der Arbeitslosigkeit zugleich mit seiner Beschäftigung dem Studium oblegen sein (vgl. Z. 2 des § 12 Abs. 4). Die Vermutung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG kann somit nach § 12 Abs. 4 AlVG dadurch widerlegt werden, daß trotz der Immatrikulation tatsächlich einer Beschäftigung nachgegangen wird. Genügt daher die Immatrikulation, um die Vermutung iS des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG zu begründen, daß man am Arbeitsmarkt nicht verfügbar ist, dann muß diese Vermutung auch schon als iS des § 12 Abs. 4 AlVG widerlegt gelten, wenn trotz der Immatrikulation gearbeitet wird. Der Begriff des Studiums ist daher - ungeachtet der unterschiedlichen Textierung in § 12 Abs. 3 lit. f (Ausbildung als ordentlicher Hörer einer Hochschule) und § 12 Abs. 4 (dem Studium obliegen) - in beiden Bestimmungen gleich zu verstehen.

Ob bei der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf, daß sie vom 1. November 1994 bis 6. Oktober 1997 in keiner Studienrichtung inskribiert war, die Immatrikulation erloschen ist, hat die belangte Behörde allerdings nicht geprüft. Sie hat diesbezüglich nämlich die Auffassung vertreten, daß eine Parallelität zwischen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung und dem letzten, jeweils betriebenen Studium in dem vom Gesetz umschriebenen Ausmaß gegeben sein müsse. Für diese Auslegung bietet auch § 12 Abs. 4 AlVG idF BGBl. Nr. 201/1996 allerdings nur dann eine Grundlage, wenn keine (im wesentlichen) ununterbrochenen Studien vorliegen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125).

Da sich die belangte Behörde aufgrund ihrer verfehlten Rechtsansicht nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Beschwerdeführerin ihr ursprüngliches, im Jahre 1987 begonnenes Studium unterbrochen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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