VwGH 98/07/0098

VwGH98/07/009810.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 5. Juni 1998, Zl. 31 3510/243-III/1/97-Gl, betreffend Genehmigung eines Sammel- und Verwertungssystems, zu Recht erkannt:

Normen

AWG 1990 §7b Abs2;
AWG 1990 §7d;
VerpackV 1996 §11 Abs1;
VerpackV 1996 §11 Abs7;
AWG 1990 §7b Abs2;
AWG 1990 §7d;
VerpackV 1996 §11 Abs1;
VerpackV 1996 §11 Abs7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Juni 1998 wurde der beschwerdeführenden Partei unter Berufung auf die §§ 7a und 7 b des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 (AWG) und die Verpackungsverordnung 1996, BGBl. Nr. 648 (VerpackVO) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Sammel- und Verwertungssystems erteilt. Der Spruch dieses Bescheides hat in den für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlichen Teilen folgenden Wortlaut:

"A) Der (beschwerdeführenden Partei) wird die Genehmigung zur Errichtung bzw. zum Betreiben eines Sammel- und Verwertungssystems im nachfolgend unter Punkt B) angegebenen sachlichen und örtlichen Umfang und unter Maßgabe der unter Punkt C) angegebenen Auflagen und der Befristung erteilt.

B) Wirkungsbereich des Systems:

1) Art des Sammel- und Verwertungssystems (§ 7a Abs. 2 Z. 1) bzw. vom System zu übernehmende Arten von Abfällen (§ 7a Abs. 2 Z. 2):

Das System der Antragstellerin übernimmt bundesweit von Herstellern, Importeuren, Abpackern, Abfüllern und Vertreibern gegen Lizenzgebühren die Verpflichtung aus der Verpackungsverordnung zur Sammlung und Verwertung von im Umfang angeführten Packstoffen. Eine wesentliche Grundlage hiefür bildet der Entsorgungsvertrag zwischen A.-AG und A.-GesmbH vom 24. August 1993.

2) Zweck des Sammel- und Verwertungssystems (§ 7a Abs. 2 Z. 2):

Aufbau und Betrieb eines Sammel- und Verwertungssystems für in Haushalten und in vergleichbaren Einrichtungen anfallende Papierverpackungen.

Übernahme der dem nach der VerpackVO Verpflichteten auferlegten Pflichten zur Sammlung und Verwertung von Papierverpackungen.

Das System ist nicht auf Gewinnerzielung gerichtet.

3) Umfang des Sammel- und Verwertungssystems (§ 7a Abs. 2 Z. 1) sowie räumlicher und sachlicher Tätigkeitsbereich (§ 7a Abs. 2 Z. 3):

Umfang:

Jegliche Verpackungen sowie Warenreste aus den Packstoffen

Papier, Karton, Pappe und Wellpappe, soweit sie der VerpackVO

unterliegen.

Räumlicher Tätigkeitsbereich:

Das System der Antragstellerin umfaßt das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich. Die Sammlung erfolgt durch Abholung bei den Anfallstellen und durch Übernahme der Verpackungen auf öffentlich zugänglichen Flächen mit Sammelbehältern.

Sachlicher Tätigkeitsbereich:

Organisation der Sammlung und Verwertung von in Haushalten und in vergleichbaren Einrichtungen anfallenden Verpackungen und Warenresten aus den Packstoffen Papier, Karton, Pappe und Wellpappe mit ausreichender Übernahmekapazität im Hinblick auf den Zweck des Systems.

C) Befristung und Auflagen:

Befristung:

Vorstehende Genehmigung wird für einen Zeitraum von 5 Jahren

ab Rechtskraft erteilt.

Auflagen:

1) Es werden nachfolgende Mindesterfassungs- und Mindestverwertungsquoten bezogen auf die pro Kalenderjahr jeweils kontrahierte Verpackungsmenge gemäß § 11 Abs. 7 VerpackVO für den Packstoff Papier, Karton, Pappe und Wellpappe festgelegt:

Mindesterfassungsquote: 80 %

Stoffliche Mindestverwertungsquote: 75 %

....

4) Änderungen hinsichtlich folgender Systeminhalte sind 8 Wochen vor ihrem Inkrafttreten mittels detaillierter Darstellung der Änderung der Genehmigungsbehörde jedenfalls anzuzeigen, soferne sie in ihren Auswirkungen nicht gänzlich unerheblich sind:

Änderung des räumlichen Tätigkeitsbereiches

Änderung des Umfanges der Tätigkeit (z.B. Erweiterung oder Ausschluß einzelner Packmittel)

Änderung der Packstoffdefinitionen (Zuordnung von Verpackungen zu Packstoffen abweichend von der VerpackVO, Zuordnung von Verpackungen zum gewerblichen oder haushaltsnahen Systembereich)

Änderung des Entpflichtungs- und Lizenzvertrages Änderung des Entsorgungsvertrages mit der A.-AG Änderung im Bereich der Mitsammlung anderer Altstoffe

(Prozentsätze der Abgeltung, Verrechnungsmodus, Berechnungsbasis etc.)

Verringerung der im Antrag genannten 147 Übernahmestellen (Modul 3) um mehr als 10 %, sowie jede Verringerung um mehr als 10 % in einem politischen Bezirk,

Erhöhung der festgelegten Mindestmenge (15 kg Papierverpackungen pro Woche) als Teilnahmevoraussetzung an der G.

(Modul 4) u mehr als 10 %,

Verringerung der G.-Anfallstellen um mehr als 30 %

(Ausgangsbasis 27.259 Anfallstellen)

Ausschluß der Einbringung von gewerblich anfallenden

Verpackungen, die in Gewerbebetrieben in den Haushalten

vergleichbaren Mengen anfallen, in die haushaltsnahe Sammlung

Verringerung der 211 Übernahmestellen für Kraftpapiersäcke um

mehr als 10 %

Wegfall der Bestimmung des Fehlwurfanteiles und der Fremdmengen

Änderung im Berichtswesen zur Leistungserbringung

Änderung der Kalkulationsrichtlinie

Änderung im Bereich der Kostenfaktoren

Wegfall von Kontrollen zur Einhaltung der Entpflichtungs- und

Lizenzverträge

Wegfall von Kontrollen im Bereich der Leistungserbringung

Wegfall der Öffentlichkeitsarbeit

5) Es sind Richtlinien der Zuordnung für Packmittel zu Tarifen basierend auf realistischen tatsächlichen Verteilungen der Packmittel an haushaltsnahe und gewerbliche Anfallstellen zu erstellen und den Lizenznehmern verbindlich vorzugeben. Eine Trennung bei den Anfallstellen hat durch mehrere Sammelbehälter je Sammelfraktion und System oder durch andere Formen der Administration, Manipulation und Logistik, die geeignet sind, die Abholung der eigenen am System teilnehmenden Verpackungsmenge zu ermöglichen, zu erfolgen. Es sind die Grundlagen von allfälligen Tarif-Sonderregelungen für bestimmte Packmittel dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie 14 Tage vor deren Anwendung vorzulegen. Sonderregelungen sind als für alle Systemteilnehmer gültige Regelung diesen zur Kenntnis zu bringen und offenzulegen. Jedenfalls sind hinsichtlich der Sonderregelungen für die Warengruppen Eisenwaren und Werkzeuge, Beschläge, Hausrat, Sanitär und Heizung, Diagnostika, Fliesen sowie hinsichtlich der Branchenregelungen Fahrzeughandel und Schuhe dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie binnen sechs Monaten ab Bescheidzustellung aktuelle, nachvollziehbare Unterlagen zur Beurteilung vorzulegen. Anderenfalls ist die Anwendung dieser Ermittlungsmethoden bzw. Sonderregelungen zu unterlassen.

6) Die rückwirkende Entpflichtung über das laufende Kalenderjahr hinaus ist auszuschließen. Die Entpflichtung darf frühestens mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eintreten. Die Entpflichtung darf nur für die im jeweiligen Zeitraum gemäß den allgemeinen Vertragsbedingungen fristgerecht gemeldeten Mengen eintreten. Die Bedingungen der Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung sind entsprechend anzupassen.

...

8) Die Meldung der Lizenznehmerdaten an das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie gemäß VerpackVO darf nicht von der Zustimmung der Lizenznehmer abhängig sein. Hinderungsgründe sind im Lizenzvertrag entsprechend auszuräumen.

9) Alle Lizenznehmer sind gleich zu behandeln, weshalb reine Preisnachlässe (Rabatte) gegenüber einzelnen Lizenznehmern unzulässig sind. Sachlich gerechtfertigte Abweichungen von den allgemein gültigen Tarifen sind durch Kalkulation der Kosteneinsparung/erhöhung z.B. durch Kostenfaktoren wie Transporttarife, Sortierkosten usw. der Genehmigungsbehörde 14 Tage vor deren Anwendung nachzuweisen.

10) Es haben Überprüfungen der Nämlichkeit der kontrahierten und gesammelten Verpackungen durch Vor-Ort-Kontrollen sowohl bei den Anfallstellen als auch bei den Übernahme- und Sortierbetrieben zu erfolgen, wobei auch sonstige miterfaßte Altstoffe zu erheben und getrennt auszuweisen sind.

11) Durch stichprobenartige Analysen sind jene Mengen an Abfällen, Warenresten, an stoffgleichen mitgesammelten Nichtverpackungen sowie jene Mengen an Verpackungsabfällen, die als nicht beim gegenständlichen System lizenziertes Verpackungsmaterial in der Sammlung und Verwertung enthalten sind, festzustellen und zu dokumentieren. Vom System ist ein entsprechender Analyseplan auszuarbeiten, anzuwenden und dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie als Aufsichtsbehörde binnen sechs Monaten nach Bescheiderlassung zu übermitteln.

...

15) Verbringungen von Verpackungen ins Ausland sind für das vorangegangene 1/4 Jahr jeweils am 1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie zu melden. Weiters ist eine Vorausschau über die im folgenden Meldezeitraum (Quartal) beabsichtigten Verbringungen zu übermitteln.

16) Zum Zwecke der Abgrenzung von Haushalts- und Gewerbssystem ist eine separate Ergebnisrechnung bzw. eine Erfolgsrechnung laufend und monatsweise zu führen und auf Verlangen dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie zu übermitteln.

17) Bei Erhöhung der Menge an Verpackungen, die von den Systemteilnehmern in Verkehr gebracht wird bzw. die in das gegenständliche System eingebracht wird, ist das Sammelbehältervolumen gemäß Antrag entsprechend anzupassen."

In der Begründung wurde zu den Auflagen und zur Befristung folgendes ausgeführt:

ad 1) Die Bestimmung des § 11 Abs. 4 VerpackVO besage, daß, sofern nicht eine Abhol- oder Anfallstelle erfolge, Sammelstellen in zumutbarer Entfernung und mit ausreichender Übernahmekapazität bereitzustellen seien. Dabei werde von der Annahme der Abholung ausgegangen. Wenn die Direktabholung bei der Anfallstelle angeboten werde, sei grundsätzlich davon auszugehen, daß dies auch weitgehend angenommen werde. Insbesondere werde diese Annahme dadurch gestützt, daß daraus für die Anfallstelle keine weiteren Kosten resultierten. Allfällige Verunreinigungen, die eine Verwertung verhinderten oder unverhältnismäßig erschwerten und die erst bei der Anfallstelle wirklich sichtbar würden, reduzierten den Erfassungsgrad. Da die Erfassungsmenge, gemessen an der Lizenzmenge, bereits für das Jahr 1996 eine Erfassungsquote von 105,5 % und eine stoffliche Verwertungsquote von 105,2 % insgesamt für Haushalts- und Gewerbebereich aufweise und die beschwerdeführende Partei mit einem ausgeglichenen Betriebsergebnis abgeschlossen habe und weiters auch die Kalkulationsrichtlinie zur Aufsplittung dieser Bereiche eine Kostenzuordnung und Gegenbelastungen vorsehe, sei davon auszugehen, daß eine Kostendeckung zumindest für 80 % Erfassung und stoffliche Verwertung gegeben sei. Papier werde in Österreich bereits seit längerem getrennt erfaßt und einer Verwertung zugeführt. Die Einsicht und Akzeptanz zur Sammlung von Altpapier könne als sehr hoch eingeschätzt werden. Betrachte man die Inputmenge, die Sammelergebnisse seit dem Jahr 1993 und setze diese in Relation zu den Abfallmengenerhebungen, die die behandelten Papierverpackungen im Jahr 1994 erbracht hätten, so könne davon ausgegangen werden, daß die Erfassung im Haushaltsbereich bei über 50 % liege. Dies basiere auf folgenden Fakten:

* Gesamtaufkommen Inland: rund 500.000 Tonnen

  1. 1. sie vom Antragsteller beantragt wurde,
  2. 2. eine kürzere Geltung der Genehmigung wegen der wirtschaftlichen und rechnerischen Rahmenbedingungen und Besonderheiten des Systems erforderlich ist oder

    3. das System einer Erprobung bedarf.

    Die belangte Behörde begründet die Befristung der Genehmigung auf 5 Jahre mit der Notwendigkeit einer Erprobung des Systems, erläutert aber nicht, was unter der "Neuverteilung der Verantwortlichkeit innerhalb der (vertraglichen) Strukturen des A.-Systems gemeint ist und welche Probleme im Zusammenhang mit der Trennung in ein Haushaltssystem und ein Gewerbesystem und im Zusammenhang mit der Leistungs- und Kostenabgrenzung zu anderen Mitbewerbersystemen auftreten, die eine Erprobung notwendig machen.

    Eine Auseinandersetzung mit den in der Gegenschrift der belangten Behörde vorgetragenen Gründen für die Befristung hat zu unterbleiben, da eine nicht ausreichende Begründung nicht in der Gegenschrift nachgetragen werden kann. Unzutreffend ist der Vorwurf an die beschwerdeführende Partei, ihr habe klar sein müssen, was mit dem Hinweis auf die Neuverteilung der Verantwortlichkeit innerhalb der (vertraglichen) Strukturen gemeint sei. Derlei ist aus dem gesamten Akt nicht ersichtlich. Die belangte Behörde hat es auch verabsäumt, der beschwerdeführenden Partei im Zuge des Verfahrens jene Fakten vorzuhalten, die sie für eine Befristung der Systemgenehmigung als relevant erachtete und ihr Gelegenheit zu geben, hiezu Stellung zu nehmen.

    Die Befristung erweist sich daher als mangelhaft begründet.

    Die Befristung auf 5 Jahre sowie die Auflagen 4, 5, 8, 9, 10, 11, 15 und 16 des angefochtenen Bescheides sind teils mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, teils mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, da eine inhaltliche Rechtswidrigkeit einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht.

    Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 10. Dezember 1998

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