Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin und einer weiteren Eigentümerin des Gebäudes in Gramatneusiedel, Hauptstraße 64, wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Gramatneusiedel vom 20. Mai 1994 gemäß § 112 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung der baupolizeiliche Auftrag erteilt, an dieser Baulichkeit diverse bauliche Maßnahmen bis spätestens 31. Dezember 1994 durchführen zu lassen. Die Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid hat der Gemeinderat der Gemeinde Gramatneusiedel mit Bescheid vom 28. November 1994 abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Da die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen ist, hat der Bürgermeister der Gemeinde Gramatneusiedel bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit Schreiben vom 21. Juni 1995 einen Antrag auf Durchsetzung des baupolizeilichen Auftrages im Wege der Ersatzvornahme gestellt. Mit Schreiben vom 29. Juni 1995 hat die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung der Beschwerdeführerin und der weiteren Eigentümerin die Durchführung der Ersatzvornahme unter Setzung einer Nachfrist angedroht, widrigenfalls die mangelnde Leistung auf Gefahr und Kosten der Verpflichteten von einem Dritten bewerkstelligt werden müßte.
Am 22. November 1996 wurde von der Baubehörde eine Überprüfung an Ort und Stelle durchgeführt, bei der festgestellt wurde, daß einige Aufträge erfüllt waren, jedoch noch zahlreiche Mängel bestanden. An dieser Verhandlung hat über Auftrag der Baubehörde ein ortsansässiger konzessionierter Elektriker teilgenommen, der die Mängel der Elektroinstallationen auflistete.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 21. März 1997 wurde unter I gegenüber der Beschwerdeführerin und der weiteren Eigentümerin die mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 29. Juni 1995 angedrohte Ersatzvornahme angeordnet. Unter II wurde als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme der Erlag von S 6,7 Mio binnen Monatsfrist aufgetragen.
Gegen diesen Bescheid haben die bis dahin unvertretenen Eigentümerinnen, so auch die Beschwerdeführerin, durch RA Dr. Ruth Mirecki, einen Wiedereinsetzungsantrag und eine Berufung eingebracht. In der Berufung wurde ausgeführt, dem mit Bescheid der Gemeinde Gramatneusiedel vom 30. Mai 1994 erteilten Auftrag sei bereits größtenteils nachgekommen worden. Die Vorlage von Rechnungen könne deshalb nicht erfolgen, weil die Verwalterin die Verwaltervollmacht gekündigt habe und die Herausgabe sämtlicher Unterlagen verweigere, weshalb beim Bezirksgericht Döbling bereits ein Verfahren anhängig sei. Die Vollstreckung sei unzulässig, weil die aufgetragenen Maßnahmen bereits erfüllt worden seien, weiters sei das angeordnete Zwangsmittel nicht das gelindeste und auch zum Ziel führende Zwangsmittel, dies schon deshalb nicht, weil allenfalls restliche Teilbereiche der aufgetragenen Maßnahmen durchgeführt werden müßten, keinesfalls aber die gesamten Maßnahmen. Darüber hinaus seien die Eigentümerinnen wirtschaftlich nicht in der Lage, den Betrag von 6,7 Mio S zu entrichten, der überdies für die allenfalls noch durchzuführenden restlichen Teilbereiche aufgrund der aufgetragenen und bereits durchgeführten Maßnahmen wesentlich überhöht erscheine.
Den Wiedereinsetzungsantrag der weiteren Eigentümerin hat die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung abgewiesen, jenen der Beschwerdeführerin hat sie mit Bescheid vom 14. Juli 1997 mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Beschwerdeführerin der Bescheid vom 21. März 1997 über die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme niemals zugestellt werden konnte. Es liege somit keine Fristversäumung vor und der Antrag auf Wiedereinsetzung sei demgemäß zurückzuweisen gewesen.
In der Folge hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 21. März 1997 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe der Androhung der Ersatzvornahme keine Folge geleistet und den gesetzten Termin verstreichen lassen, aufgrund eines von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung eingeholten Kostenvoranschlages ergebe sich ein Erfordernis von 6,7 Mio S. Die Entrichtung dieses Betrages sei der Beschwerdeführerin gegen nachträgliche Verrechnung aufzutragen. Da der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung ausdrücklich vorgesehen sei, stehe das angeordnete Zwangsmittel mit der Vorschrift des § 2 VVG nicht im Widerspruch. Die Erhebungen durch die Berufungsbehörde hätten ergeben, daß die Beschwerdeführerin bis dato den baupolizeilichen Auftrag nicht erfüllt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß der Beschwerdeführerin der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 21. März 1997 tatsächlich zugekommen ist, weil die bis dahin unvertretene Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid durch RA Dr. Ruth Mirecki die Berufung eingebracht hat. Auch die Beschwerde enthält keine diesbezügliche Gegendarstellung.
Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.
Die Ersatzvornahme ist das im VVG zur Erbringung vertretbarer Leistungen ausdrücklich vorgesehene Zwangsmittel, weshalb schon aus diesem Grund eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 2 VVG nicht in Betracht kommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/05/0238). Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in seiner Judikatur schon mehrfach ausgesprochen, daß an sich durch die Auferlegung einer unangemessen hohen Vorauszahlung von Ersatzvornahmekosten das aus § 2 VVG ableitbare Schonungsprinzip verletzt werden kann, es dürfe die Angemessenheit der Kosten nur in bezug auf die im Titelbescheid angeordneten Maßnahmen beurteilt werden, was bedeute, daß kein höherer Kostenvorschuß verlangt werden darf, als es zur Bestreitung der Kosten der Ersatzvornahme erforderlich ist (vgl. auch dazu das o.a. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998).
Entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die Erhebungen durch die Berufungsbehörde ergeben hätten, daß die Beschwerdeführerin bis dato den baupolizeilichen Auftrag nicht erfüllt habe, fehlen im vorgelegten Verwaltungsakt Unterlagen über diesbezügliche Erhebungen der Berufungsbehörde.
Offensichtlich ausgehend von der vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 21. März 1997 aufgenommenen Niederschrift vom 22. November 1996, wonach nur einige der aufgetragenen Arbeiten erfüllt worden seien (Anschluß an die Kanalisationsanlage, teilweise neue Elektroinstallationen), wobei aber die Elektroinstallationen zahlreiche Mängel aufwiesen und kein Nachweis über die vollständige Räumung der Senkgrube vorlag, holte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung eine Kostenschätzung für die Sanierung der Elektroinstallationen und Räumung der Senkgrube sowie Entfernung des allenfalls durch Fäkalien kontaminierten umgebenden Erdreiches ein. Das Gebietsbauamt V-Mödling führte dazu mit Stellungnahme vom 17. März 1997 aus, daß, um eine verläßliche Aussage über die Höhe der Sanierungskosten treffen zu können, hinsichtlich der Elektroinstallationen ein konzessioniertes Elektrounternehmen einen Kostenvoranschlag erstellen müßte, und daß keine Firma bereit gewesen sei, diese Kosten zu schätzen; es könne somit lediglich ein unverbindlicher Kostenrahmen genannt werden, der im gegenständlichen Fall im Bereich von 3 Mio S bis 4,5 Mio S für die Sanierung der Elektroinstallationen liegen würde. Hinsichtlich der Räumung der Senkgrube bzw. Entsorgung des allenfalls kontaminierten umgebenden Erdreiches könne aufgrund der fehlenden Angaben (das Gebietsbauamt habe nicht feststellen können, wie groß die bestehende Senkgrube sei, ob sie bereits vollständig geräumt oder das umgebende Erdreich durch Fäkalien kontaminiert worden sei) unter Berücksichtigung der Größe des gegenständlichen Objektes ebenfalls wieder nur ein Kostenrahmen angegeben werden, wobei davon ausgegangen werde, daß kein kontaminiertes Erdreich vorgefunden werde. Der Kostenrahmen für diese Arbeiten würde einen Bereich von 1,1 Mio bis 2,2 Mio S umfassen. Der gesamte Kostenrahmen betrage somit 4,1 Mio S bis 6,7 Mio S. Im Akt liegt hinsichtlich der Senkgrubenräumung des gegenständlichen Hauses ein Kostenvoranschlag der W. Ges.m.b.H. vom 22. September 1995, wonach für die "Senkgrubenräumung per Kessel 6 m3 S 650,--, Entsorgung per m3 S 100,-- ... Reinigung der Senkgrube mittels Hochdruckgerät per Stunde S 1.080,--", jeweils zuzüglich MwSt anfallen.
Der vom Gebietsbauamt selbst als "unverbindlich" bezeichnete Kostenrahmen reicht für eine Beurteilung, welche Kosten erforderlich sind (siehe abermals das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998), keinesfalls aus.
Warum die belangte Behörde bei einem derartig gelagerten Sachverhalt z.B. den Elektrokonzessionär, der die Mängel in der Verhandlung vom 22. November aufgelistet hat, nicht mit einer Kostenschätzung beauftragte und nicht einmal feststellen ließ, wie groß die Senkgrube ungefähr ist, ob sie geräumt ist, und weshalb die belangte Behörde zu dem Schluß gelangte, daß der im angegebenen Kostenrahmen des Gebietsbauamtes V-Mödling genannte Höchstbetrag von 6,7 Mio zur Bestreitung der Kosten der Ersatzvornahme erforderlich sei, bleibt unerfindlich. Weder die Begründung des Bescheides noch die Aktenlage bieten eine Rechtfertigung für diese Vorgangsweise. Die Stellungnahme des Gebietsbauamtes vom 17. März 1997 wurde der Beschwerdeführerin auch nicht zur Kenntnis gebracht.
Das von der belangten Behörde durchgeführte Verfahren ist daher mangelhaft gewesen, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedurfte, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
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