VwGH 98/04/0117

VwGH98/04/01179.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des JW in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Mai 1998, Zl. MA 63-W 339 und 340/97, betreffend Entziehung von Gewerbeberechtigungen, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
StGB §146;
StGB §298 Abs1;
StGB §43;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
StGB §146;
StGB §298 Abs1;
StGB §43;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde dem Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Mai 1998 zwei näher beschriebene Gewerbeberechtigungen (Gastgewerbe und Handelsgewerbe) gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 GewO 1994 entzogen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, es stehe unbestritten die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 25. September 1996, GZ. 1c Vr 706/96, Hv 3626/96, wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten fest. Dieser Verurteilung sei in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer in der Zeit von September 1994 bis zum 7. Juni 1995 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte eines näher bezeichneten Versicherungsinstituts unter Benützung seines Sohnes als "vorsatzloses Werkzeug" durch Täuschung über Tatsachen zur Auszahlung einer Versicherungssumme in Höhe von etwa S 1,000.000,--, mithin zu einer Handlung zu verleiten versucht habe, welche das Versicherungsinstitut an seinem Vermögen habe schädigen sollen, und zwar dadurch, daß er im September 1994 anläßlich des Abschlusses eines Versicherungsvertrages zwischen dem Versicherungsinstitut und seinem Sohn durch die Vorgabe, einen Warenlagerbestand im Wert von etwa S 1,000.000, -- an seinen Sohn verkauft zu haben, wohingegen der Großteil der Waren unverkäuflich und daher wertlos gewesen sei, und in der Zeit vom 27. Dezember 1994 bis zum 7. Juni 1995 dadurch, daß er einen Versicherungsfall, nämlich einen Einbruchsdiebstahl in das Lager, in dem sich die erwähnte Ware angeblich befunden habe, vorgetäuscht habe, indem er das Lager ausgeräumt, mit einem Stemmeisen am Rollbalken Einbruchspuren gesetzt und in der Folge einen Mitarbeiter damit beauftragt habe, hierüber bei der Polizeibehörde Anzeige zu erstatten und schließlich seinen Sohn dazu veranlaßt habe, eine Schadensmeldung (Diebstahlschaden-Erhebungsprotokoll) über den fingierten Einbruchsdiebstahl dem genannten Versicherungsinstitut vorzulegen und dadurch wiederum die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des schweren Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 3, 129 Z. 1 StGB wissentlich vorgetäuscht habe. Die Verurteilung sei unbestrittenermaßen weder getilgt noch unterliege sie der beschränkten Auskunftspflicht. Nach der Eigenart der strafbaren Handlungen und nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers sei zu befürchten, daß der Beschwerdeführer bei der weiteren Gewerbeausübung gleiche oder ähnliche Straftaten begehen könnte. Die Ausübung sowohl des Gast- als auch des Handelsgewerbes biete zweifellos Gelegenheit zur Begehung von Delikten jener Art, wie sie der Verurteilung zugrunde gelegen seien. Es seien, weil die Gewerbeausübung mit einem intensiven Kontakt mit Kunden, Arbeitnehmern und Lieferanten, allenfalls auch mit anvertrauten fremden Vermögensgütern verbunden sei, insbesondere strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen zu befürchten. Soweit in diesem Zusammenhang auf den Umfang der erfolgten gerichtlichen Verurteilung abzustellen sei, müsse festgestellt werden, daß die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten weit jenseits der im § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannten drei Monate liege. Der Beschwerdeführer habe die der Verurteilung zugrundeliegenden Taten in einem Alter begangen (der Beschwerdeführer wurde am 1. November 1940 geboren), in dem die Charakterbildung eines Menschen erfahrungsgemäß längst abgeschlossen sei. Dem Vorbringen in der Berufung, der Beschwerdeführer habe sich nur auf Grund seiner verzweifelten finanziellen Situation, die im Zusammenhang mit einer Steuerprüfung entstanden sei, zum Versicherungsbetrug hinreißen lassen, sei zu entgegnen, daß eine Finanzprüfung einen Gewerbetreibenden, der seit 30 Jahren im Wirtschaftsleben stehe, nicht zu gerichtlich strafbaren, vorsätzlich zu begehenden strafbaren Handlungen verleiten dürfe. Dies gelte umso mehr, als der Rückstand beim Finanzamt - wie in der Berufung ausgeführt - zwischenzeitig zur Gänze abgetragen worden sei. Im besonderen sei aber in Prüfung des Charakterbildes des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, daß er zur Lösung seines Problems das Mittel des schweren Betruges statt der jedenfalls näher liegenden Möglichkeit einer Raten- oder Stundungsvereinbarung gewählt habe. Schließlich sei auch die seit Begehung der zur Verurteilung führenden strafbaren Handlungen mittlerweile verstrichene Zeit von nicht einmal zwei Jahren zu kurz, um aus dem Verhalten des Beschwerdeführers in diesem Zeitraum die Erwartung einer anderen Einstellung des Beschwerdeführers zu den rechtlich geschützten Werten ableiten zu können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Nichtentziehung seiner Gewerbeberechtigungen verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe sich mit seinem Charakterbild nur ungenügend auseinandergesetzt bzw. sie sei dort, wo dies geschehen sei, zu unrichtigen Schlüssen gelangt. So habe die belangte Behörde darauf abgestellt, daß die Dauer der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe weit jenseits der in § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannten drei Monate läge. Abgesehen davon, daß die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe nur unwesentlich über der vom Gesetz vorgesehenen Mindeststrafe liege und überdies zur Gänze bedingt nachgesehen worden sei, erscheine das Abstellen auf die Strafhöhe rechtsirrig. Aus der Höhe der verhängten Strafe könne die gebotene Zukunftsprognose nicht abgeleitet werden. Soweit die belangte Behörde ausgeführt habe, daß sich der Beschwerdeführer, als seit über 30 Jahren im Wirtschaftsleben stehend, auf Grund einer Finanzprüfung nicht zu einem Versicherungsbetrug hätte hinreißen lassen dürfen, so tadle sie damit das vergangene Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers führe aber ein solches einmaliges Fehlverhalten nicht automatischen zum Verlust der Gewerbeberechtigung; ein solcher sei nur auszusprechen, wenn die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftaten bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde allerdings zum Ergebnis gelangen müssen, daß im vorliegenden Fall eine solche Befürchtung nicht gerechtfertigt sei. Durch sein Verhalten nach Begehung der strafbaren Handlung, und zwar durch seine umfassende reumütige und geständige Verantwortung, die bereits vor der Hauptverhandlung erfolgte Schadenswiedergutmachung gegenüber der Versicherung sowie durch die vollständige Bezahlung des Steuerrückstandes habe der Beschwerdeführer in geradezu vorbildlicher Weise dokumentiert, daß es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt habe und die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes gerade nicht zu befürchten sei. Schließlich habe die belangte Behörde mit ihrer Auffassung, die seit der Verurteilung verstrichene Zeit von nicht einmal ganz zwei Jahren wäre zu kurz, um eine andere Einstellung des Beschwerdeführers zu den rechtlich geschützten Werten erwarten zu lassen, verkannt, daß der Beschwerdeführer gerade in diesen zwei Jahren auf Grund des geschilderten Verhaltens dokumentiert habe, daß er gewillt und in der Lage sei, ein Leben in völliger Übereinstimmung mit den von der Rechtsordnung an ihn herangetragenen Anforderungen zu führen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 und 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 ist von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister (§ 6 des Tilgungsgesetzes 1972 in der jeweils geltenden Fassung) unterliegt.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß in der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 25. September 1996 ein Gewerbeausschlußgrund im Sinne des § 13 Abs. 1 GewO 1994 gegeben ist. Er vertritt vielmehr die Auffassung, daß die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 insofern nicht erfüllt seien, als die Befürchtung, er werde bei der Gewerbeausübung eine gleiche oder eine ähnliche Straftat begehen, nach seiner Persönlichkeit nicht gerechtfertigt sei. Er stützt diese Ansicht insbesondere darauf, daß das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten ein einmaliges Fehlverhalten dargestellt habe, was auch daraus zu ersehen sei, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe nur unwesentlich über der vorgesehenen Mindeststrafe liege und überdies zur Gänze bedingt nachgesehen worden sei und daß aus seinem Verhalten nach Begehung der Straftat zum Ausdruck komme, er sei gewillt und in der Lage, ein Leben in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsordnung zu führen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die belangte Behörde setzte sich nämlich in der Begründung ihres Bescheides in ausführlicher Weise mit der Persönlichkeit des Beschwerdeführers auseinander, wobei sie insbesondere hervorhob, daß der Beschwerdeführer die der Verurteilung zugrundeliegenden Taten in einem Alter begangen habe, in dem die Charakterbildung eines Menschen längst abgeschlossen sei, daß er zur Bewältigung seiner finanziellen Schwierigkeiten das Mittel des schweren Betruges anstelle legaler Möglichkeiten gewählt habe und daß die seit der Verurteilung verstrichene Zeit von nicht ganz zwei Jahren, in der sich der Beschwerdeführer einwandfrei verhalten habe, zu kurz sei, um daraus die Erwartung ableiten zu können, die (zu Tage getreten) Einstellung des Beschwerdeführers zu den rechtlich geschützten Werten habe sich geändert.

Diese Annahmen der belangten Behörde vermögen die Schlußfolgerung, der Beschwerdeführer weise ein Persönlichkeitsbild auf, das die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei der Gewerbeausübung befürchten lasse, rechtens zu tragen. Gerade das den Straftaten unbestrittenermaßen zugrundeliegende Motiv gibt im Zusammenhang mit dem sich aus den Straftaten manifestierenden Charakter des Beschwerdeführers Anlaß zur Befürchtung, der Beschwerdeführer werde, sollte er neuerlich in vergleichbare finanzielle Schwierigkeiten geraten, wiederum einen Ausweg in ähnlichen Straftaten suchen. Es kann auch weder der bis zur gegenständlichen Verurteilung vorliegenden Unbescholtenheit des Beschwerdeführers noch auch dem während des - relativ kurzen - Zeitraumes von nicht einmal zwei Jahren seit dieser Verurteilung ins Treffen geführten Verhalten nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen jenes Gewicht beigemessen werden, das die in Rede stehende Befürchtung rechtswidrig erscheinen ließe.

Soweit der Beschwerdeführer jedoch darauf hinweist, daß die über ihn verhängte Strafe nur unwesentlich über der vom Gesetz vorgesehenen Mindeststrafe liege und ihm überdies zur Gänze bedingt nachgesehen worden sei, ist er auf die ständige hg. Judikatur zu verweisen, wonach im Entziehungsverfahren gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, in dem als Entziehungsgrund eine strafgerichtliche Verurteilung in Frage steht, zwar die Bindung der Behörde an das in Betracht kommende rechtskräftige Urteil anzunehmen ist, der Gewerbebehörde aber die selbständige Beurteilung obliegt, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung gegeben sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0287, und die hier verwiesene Vorjudikatur).

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 9. September 1998

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