VwGH 98/04/0078

VwGH98/04/007826.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Februar 1998, Zl. MA 63-D 40/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: D Gesellschaft m.b.H. in W), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Februar 1998 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 11. Bezirk vom 30. Dezember 1997, mit dem die Änderung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zur Ausübung des "Gastgewerbes in der Betriebsart einer Lieferküche" in einem näher bezeichneten Standort in Wien gemäß § 81 GewO 1994, unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen, genehmigt wurde, gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 in Verbindung mit § 359 Abs. 4 leg. cit. zurückgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde, neben der Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage, aus, die Beschwerdeführerin habe mit ihren Einwendungen in der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 13. November 1997 sowie in ihrer Berufung geltend gemacht, daß es durch die Inbetriebnahme eines Abfallpreßcontainers, der an der Grenze zu ihrer Liegenschaft aufgestellt worden und für die Aufnahme von Speiseresten bestimmt sei, zu unzumutbarer Geruchsbelästigung und einer Fliegenplage kommen würde. Sie habe damit keine Gefährdung ihres Eigentums, sondern lediglich Geruchsbelästigungen der in ihrem Betrieb beschäftigten Dienstnehmer geltend gemacht, sodaß sie im über den Genehmigungsantrag abgeführten Verwaltungsverfahren mangels Erhebung qualifizierter Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 keine Parteistellung erlangt habe. Denn, soweit die Beschwerdeführerin eine Gefährdung der Gesundheit oder eine Belästigung ihrer Dienstnehmer geltend mache, sei dieses Vorbringen deshalb nicht als Einwendung eines Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 zu qualifizieren, weil es einerseits keine persönliche Gefährdung der Beschwerdeführerin geben könne (eine solche komme infolge ihrer Eigenschaft als juristische Person nicht in Betracht) und sie andererseits nicht die Stellung einer Inhaberin einer Einrichtung im Sinne des § 75 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 und damit auch nicht eine auf diesen Tatbestand gestützte Nachbareigenschaft habe. Wie sich der beispielsweisen Aufzählung "Beherbergungsbetriebe, Krankenanstalten, Heime" entnehmen ließe, seien nämlich unter "Einrichtungen" im Sinne dieser Gesetzesstelle nur solche zu verstehen, in denen der vorübergehende Aufenthalt von Personen durch eine für derartige "Einrichtungen" typische Art der Inanspruchnahme gekennzeichnet sei. Der Aufenthalt von Dienstnehmern eines Dienstleistungsbetriebes in diesem Betrieb sei aber mit der Art des Aufenthaltes der Insassen bzw. Kunden in den im § 75 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 beispielsweise aufgezählten Einrichtungen nicht vergleichbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Gewährung der Parteistellung im Sinne der §§ 75, 356 in Verbindung mit § 359 GewO 1994 verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie im wesentlichen vor, sie sei im gegenständlichen Betriebsanlagenverfahren als Inhaberin einer Einrichtung im Sinne des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 eingeschritten und daher im Interesse ihrer Dienstnehmer als Nachbarin zu betrachten. Sie habe dazu in der Augenscheinsverhandlung vom 11. November 1997 als Anrainerin vorgebracht, daß sie gegen die Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage Einspruch erhebe, da durch den Abfallpreßcontainer eine unzumutbare Geruchsbelästigung auftreten würde. In ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Genehmigungsbescheid habe sie näher ausgeführt, daß sich direkt gegenüber dem situierten Container die Ansaugung der Klimaanlage für ihr Unternehmen befinde, wobei gerade bei hohen Außentemperaturen, für welche die installierte Klimaanlage ja bestimmt sei, diese abgeschaltet werden müsse, was für die Mitarbeiter unzumutbar sei. Auch sei es nicht nur wegen der Geruchsbelästigung, sondern auch wegen der Belästigung durch Fliegen, nicht möglich, die Fenster zu öffnen. Weiters könne auch trotz der Auflage, wonach ein flüssigkeitsdichter geschlossener Preßcontainer aufzustellen sei, eine Geruchsbelästigung nicht hintangehalten werden, da dieser Container nicht luftdicht gehalten werden könne. Die Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde stehe im Widerstreit zur Gesetzeslage. Die rechtliche Beurteilung des letzten Satzes der Bestimmung des § 75 Abs. 2 GewO 1994 durch die belangte Behörde, wonach die Beschwerdeführerin keine Nachbareigenschaft besitze, sei unrichtig. Wie sich aus der beispielsweisen Aufzählung "Beherbergungsbetriebe, Krankenanstalten, Heime" entnehmen ließe, seien unter Einrichtungen im Sinne des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 nur solche zu verstehen, in denen der vorübergehende Aufenthalt von Personen durch eine für derartige Einrichtungen typische Art der Inanspruchnahme der betreffenden Betriebsanlage als solche gekennzeichnet seien. Aus der Diktion, "daß als Nachbar Inhaber von Einrichtungen gelten, in denen sich wie etwa in ... regelmäßig vorübergehend aufhalten", ergebe sich, daß in dieser Gesetzesstelle nur demonstrativ Institutionen angeführt seien. Bei diesen Institutionen reiche offensichtlich aus, daß nur ein vorübergehender Aufenthalt von Personen erforderlich sei, um die Qualifikation als "Nachbar" zu erreichen. Zu derartigen Einrichtungen zählten z.B. auch Beherbergungsbetriebe, in welchen sich Personen in der Regel nur wenige Stunden aufhielten. In einem Betrieb, wie jenem der Beschwerdeführerin, hielten sich tagsüber sehr oft acht oder mehr Stunden Personen auf, wie dies in Beherbergungsbetrieben faktisch nie und in Schulen nur selten der Fall sei. Hiezu komme noch, daß viele der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin langjährige Angestellte seien, welche, obwohl sie oft 20 Jahre und mehr beschäftigt seien, derartige Immissionen dulden müßten. Die erstinstanzliche Behörde sei offensichtlich selbst der Ansicht gewesen, daß die Bestimmungen des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 auf das Unternehmen der Beschwerdeführerin anzuwenden seien, denn ansonsten wäre sie gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 verpflichtet gewesen, einen Anschlag im Betriebsgebäude anbringen zu lassen, mit welchem die Mitarbeiter davon verständigt worden wären, daß eine Verhandlung zur Änderung der Betriebsanlage stattfände. Dies sei aber nicht geschehen, sondern es sei nur die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Liegenschaft geladen worden. Nur durch einen derartigen Anschlag aber hätten die Mitarbeiter die Möglichkeit gehabt, dann, wenn die Beschwerdeführerin nach Ansicht der Behörde keine Parteistellung im gegenständlichen Fall besessen hätte, ihre Parteienrechte wahrzunehmen. Soweit die belangte Behörde ausführe, daß der Aufenthalt von Dienstnehmern eines Dienstleistungsbetriebes mit der Art des Aufenthaltes für "Insassen bzw. Kunden" in den im § 75 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 beispielsweise aufgezählten Einrichtungen nicht vergleichbar sei, so müsse darauf verwiesen werden, daß dies nicht der gesetzlichen Definition entspreche, sondern dort von "Personen" die Rede sei. Der Personenkreis sei naturgemäß weiter auszulegen, als Insassen und Kunden. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung sei auch zu entnehmen, daß Personen, welche sich "regelmäßig" in derartigen Betrieben aufhielten, geschützt werden sollen, wobei die Inhaber von Einrichtungen derartiger Betriebe diejenigen seien, die die Interessen für diese Personen zu vertreten hätten. Entsprechend dieser gesetzlichen Berechtigung sei auch die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, im gegenständlichen Verfahren eingeschritten und habe im Interesse ihrer Dienstnehmer die berechtigten Einwendungen erhoben, welche von der Behörde negiert worden seien.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ...
  2. 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen;

    ...

Gemäß § 75 Abs. 1 leg. cit. ist unter Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.

Nach dem Abs. 2 dieses Paragraphen sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Absatzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind in einem Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage oder deren Änderung, unbeschadet der Regelung des hier nicht in Betracht kommenden zweiten Satzes dieses Absatzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Eine Einwendung muß, um auf Grund des § 356 Abs. 3 leg. cit. zu bewirken, daß ein Nachbar Parteistellung erlangt, somit auf einen oder mehrere der Tatbestände des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit., im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Nur wer eine solche Einwendung rechtzeitig erhebt, erlangt im Rahmen dieser Einwendung als Nachbar Parteistellung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0213, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Rechtsansicht der belangten Behörde, sie habe durch die von ihr in der Augenscheinsverhandlung abgegebene Erklärung mangels der Möglichkeit, als juristische Person persönlich gefährdet oder belästigt zu werden, keine Parteistellung als unmittelbar betroffener Nachbar erlangt. Sie meint aber, es komme ihr die Rechtsstellung als Inhaber einer Einrichtung im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 zu, weshalb sie namens ihrer Dienstnehmer deren Gefährdung oder Belästigung geltend zu machen berechtigt gewesen sei. Dieser Rechtsansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.

Wie sich der beispielsweisen Aufzählung "Beherbergungsbetriebe, Krankenanstalten, Heime" entnehmen läßt, sind nämlich unter "Einrichtungen" im Sinne dieser Gesetzesstelle nur solche zu verstehen, in denen der vorübergehende Aufenthalt von Personen durch eine für derartige "Einrichtungen" typische Art der Inanspruchnahme gekennzeichnet ist. Der Aufenthalt von Dienstnehmern eines Dienstleistungsbetriebes (hier: Anlagen und Gebäudetechnik GesmbH) in diesem Betrieb ist aber mit der Art des Aufenthaltes der Insassen bzw. Kunden in den im § 75 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 beispielsweise aufgezählten Einrichtungen nicht vergleichbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0196).

Von dieser Rechtsprechung abzugehen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht veranlaßt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei mangels Parteistellung im Verwaltungsverfahren nicht zur Erhebung einer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid legitimiert gewesen, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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