VwGH 98/04/0028

VwGH98/04/002826.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde 1) der M K in T, 2) der C I in V, 3) des W L in S, 4) der D D in T,

5) der U C in R, 6) des W H in S, 7) des G B in V, 8) der M G in L, 9) der A M in S, 10) der K S in V, 11) der W W in V,

12) der M H in V und 13) des A A in T, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. Dezember 1997, Zl. 318.681/4-III/A/2a/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: X Gesellschaft m.b.H. in L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §81;
AVG §13 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §81;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Bescheid vom 23. Dezember 1997 die von den Beschwerdeführern gegen den von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassenen Bescheid vom 3. Juli 1996 erhobene Berufung gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich) vom 4. Dezember 1995 genehmigten Betriebsanlage zur Erzeugung von Xylose durch die Realisierung eines Explosionsschutzkonzeptes, den Einbau von Lüftungsanlagen zur Be- und Entlüftung verschiedener Räume, den Einbau einer Aufzuganlage, eines Labors zur Durchführung von Analysen zur Prozeßüberwachung, einer Xyloseabfüllung (Verladung) und einer Verdunstungskühlanlage anstatt des Kühlwassersystems durch Luftkühler auf einem näher bezeichneten Standort habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als Gewerbebehörde erster Instanz (im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich) für den 1. Juli 1996 eine mündliche Augenscheinsverhandlung anberaumt, welche im Sinne des § 356 Abs. 1 GewO 1994 kundgemacht worden sei. Am Beginn dieser Augenscheinsverhandlung sei eine Reihe von Personen am Werkstor der mitbeteiligten Partei erschienen und habe die Teilnahme an der Verhandlung begehrt. Der Verhandlungsleiter habe dieser, ca. 15 Personen umfassenden Gruppe erklärt, daß sie nicht über Parteistellung verfügten und daher nicht zur Verhandlung zugelassen würden. Über ausdrücklichen Wunsch der Erstbeschwerdeführerin als Sprecherin dieser Personengruppe sei ihr ein Schreiben ausgehändigt worden, in dem ihr mitgeteilt worden sei, daß sie mangels Parteistellung in dem gegenständlichen Verfahren nicht zur Verhandlung zugelassen würden. Dieses Schreiben sei in der Folge von diesen Personen als Bescheid mittels Berufung bekämpft worden, welche mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. September 1996 gemäß § 58 Abs. 1 AVG als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Eine dagegen erhobene Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/04/0237, als unbegründet abgewiesen worden. Im Rahmen der genannten Augenscheinsverhandlung vom 1. Juli 1996 habe der Amtssachverständige für Luftreinhaltung zusammenfassend ausgeführt, es werde durch die geplante, zur Verhandlung anstehenden Anlagenänderung zu keinen bei den Nachbarn (der nächstgelegene Nachbar befinde sich in 200 m Entfernung) merkbaren Änderungen der Umweltsituation kommen, was auch hinsichtlich des Geruches gelte. In einer Entfernung von 200 m komme es jedenfalls weder zu Belästigungen durch Wasserdampfschwaden noch durch Geruchswahrnehmungen. Der ärztliche Sachverständige habe hinsichtlich Lärm auf Basis des von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Projektes ausgeführt, es werde durch das gegenständliche Projekt zu keiner Anhebung der Ist-Situation kommen. Zusammenfassend habe er festgestellt, daß durch die gegenständliche Anlage keine Immissionen erwartet würden, die zu Gesundheitsgefährdungen oder Belästigungen bei Anwohnern außerhalb des Werksgeländes führten. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 3. Juli 1996 sei die beantragte Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage unter Vorschreibung von Auflagen erteilt worden. Ein Rechtsmittelverzicht sei weder von der mitbeteiligten Partei noch vom Arbeitsinspektorat abgegeben worden. Der Bescheid sei letzterem sowie dem ausgewiesenen Vertreter der mitbeteiligten Partei am 5. Juli 1996 zugestellt worden. Mit Eingabe vom 15. Juli 1996 hätten eine Reihe von Personen, darunter auch die Beschwerdeführer, Einwendungen wegen befürchteter Gesundheits- und Eigentumsgefährdungen, unzumutbarer Belästigungen durch Geruch, Lärm, Rauch, Ruß, Staub und Erschütterungen sowie nachteiliger Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer erhoben. Mit Eingabe vom 30. Juni 1997 hätten die Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 3. Juli 1996 erhoben. Mit Schreiben vom 17. November 1997 habe die Erstbehörde der Erstbeschwerdeführerin als ausgewiesener Vertreterin der übrigen Beschwerdeführer mitgeteilt, sämtliche Berufungswerber seien nicht Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994, weshalb ihre als Berufung bezeichnete Eingabe vom 30. Juni 1997 von der Behörde mittels Bescheid zurückzuweisen wäre. Mit Schreiben vom 28. November 1997 habe daraufhin die Erstbeschwerdeführerin im Namen aller Berufungswerber dazu eine Stellungnahme abgegeben, in der sie u.a. ausgeführt habe, die Verweigerung des Zutrittes zur Augenscheinsverhandlung vom 1. Juli 1996 sei rechtswidrig gewesen und die vorgebrachten Einwendungen seien, wenn einer der Nachbarn tatsächlich wegen der großen Entfernung vom Vorhaben nicht betroffen sein sollte, auf Grund des Grundsatzes der Amtswegigkeit zu beachten gewesen. Nach Ausführungen über den Inhalt der Bestimmung des § 75 Abs. 2 GewO 1994 und über die Rechtzeitigkeit der Berufung führte der Bundesminister weiter aus, Voraussetzung für die Erlangung der Parteistellung von Personen in einem Betriebsanlagenverfahren, die vom Genehmigungswerber verschieden seien, sei, daß diese Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 seien. Die Parteistellung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 sei daher von der Stellung als Nachbar abhängig. Da es in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 nicht auf eine allenfalls in einem Verfahren gemäß § 77 leg. cit. bereits erlangte Parteistellung ankomme, sondern diese durch Einwendungen neu zu erwerben sei, sei hinsichtlich des Zutreffens der Eigenschaften des § 75 Abs. 2 leg. cit. auf die Änderung der Betriebsanlage abzustellen. Das für die Beurteilung nach § 75 Abs. 2 GewO 1994 maßgebende räumliche Naheverhältnis werde durch den möglichen Immissionsbereich bestimmt. Stehe auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens fest, daß der regelmäßige Aufenthalt von bestimmten Personen außerhalb des möglichen Immissionsbereiches einer Betriebsanlage liege, so fehle diesen Personen die Nachbareigenschaft. Im vorliegenden Fall habe das Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz ergeben, daß der Immissionsbereich in bezug auf die verfahrensgegenständliche Änderung der Betriebsanlage offenbar mit dem Werksgelände ident sei und selbst bei den nächstgelegenen Nachbarn in 200 m Entfernung jedenfalls nicht mit Gefährdungen oder Belästigungen gerechnet werden könne. Tatsächlich sei der regelmäßige Aufenthalt nur bei einem der Berufungswerber "A", ansonsten andere Orte in Oberösterreich, die zumindest mehrere Kilometer vom Werksgelände entfernt seien. Die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände seien der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 AVG von der Behörde erster Instanz bekanntgegeben worden. Zu der im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahme sei auszuführen, daß die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausschließung der Berufungswerber von der Augenscheinsverhandlung der Behörde erster Instanz in dem vorliegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen sei, weil darüber ein eigenes Verwaltungsverfahren, das bis zum Verwaltungsgerichtshof gelangt sei, geführt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht, daß die belangte Behörde die in Rede stehende Betriebsanlage nicht genehmige, in ihren subjektiven Nachbarrechten auf Schutz vor einer Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit, ihres Eigentums und sonstiger dinglicher Rechte und des Unterbleibens einer unzumutbaren Belästigung durch zu befürchtende Emissionen im Normalbetrieb wie im Störfall, insbesondere bei Eintritt einer Staubexplosion oder eines Brandes durch die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei sowie in dem Recht auf sachliche Erledigung ihrer Berufung als verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringen sie vor, die belangte Behörde habe sich mit ihrer Entscheidung über das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1997, Zl. 96/04/0231, hinweggesetzt, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, daß die den Beschwerdeführern zuteil gewordene Verweigerung des Zutrittes zur Augenscheinsverhandlung durch die Behörde erster Instanz in einem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid anzufechten sei. Demgegenüber habe die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochen, daß die Rechtmäßigkeit der Ausschließung von der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren nicht mehr zu prüfen sei. Die belangte Behörde habe es ferner rechtswidrigerweise zugelassen, daß die Bewilligungsbehörde erster Instanz eine Teilerrichtungsbewilligung mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 erteilt und mit dem nunmehrigen Verfahren entgegen dem Bescheid der erstinstanzlichen Bewilligungsbehörde vom 4. Dezember 1995 eine Änderung einer bereits bewilligten Betriebsanlage rechtswidrig mit dem Bescheid vom 3. Juli 1996 bewilligt habe, obwohl die Bewilligungsbehörde erster Instanz wie die belangte Behörde gemäß den gesetzlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung über die vollständige Betriebsanlage abzusprechen gehabt hätte, um so das Zusammenwirken aller Anlagenteile und die Gesamtauswirkung auf die Umwelt und auf die von der Anlage betroffenen Nachbarn richtig und vollständig beurteilen zu können. Auf dieses schon in der Berufung erstattete Vorbringen sei die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort eingegangen. Mit dem Bescheid vom 4. Dezember 1995 sei nur eine Teilgenehmigung erteilt worden, weshalb es sich bei der nunmehr erteilten Genehmigung in Wahrheit nicht um eine solche im Sinne des § 81 GewO 1994, sondern um die ergänzende Genehmigung der Betriebsanlage handle, was rechtswidrig sei. Im vorliegenden Bewilligungsverfahren sei mit der belangten Behörde wie auch mit der Bewilligungsbehörde erster Instanz eine sachlich nicht zuständige Behörde eingeschritten, denn bei der Betriebsanlage handle es sich um eine solche zur Herstellung von Xylose aus der Dicklauge der L-AG und bei dieser Dicklauge handle es sich um gefährlichen Abfall. Es hätten daher die nach dem AWG zuständigen Bewilligungsbehörden einzuschreiten gehabt. Wenn nämlich eine ursprüngliche Betriebsanlage nach dem AWG zu bewilligen gewesen sei, dann sei auch eine Änderung dieser Anlage nach den Bestimmungen des AWG zu bewilligen. Die belangte Behörde habe ferner das Parteiengehör der Beschwerdeführer verletzt, da sie die Beschwerdeführer, obwohl sie Parteien im gegenständlichen Verfahren durch Erhebung der nachträglichen Einwendungen vom 15. Juli 1996 gewesen seien, nicht zum weiteren Verfahren beigezogen habe, noch ihnen die Verhandlungsschrift vom 1. Juli 1996 zur Stellungnahme zugänglich gemacht noch den Bescheid vom 3. Juli 1996 zugestellt habe. Im gesamten Verfahren habe die Behörde erster Instanz als einziges Schreiben an die Beschwerdeführer nur jenes vom 17. November 1997 gerichtet. Darin sei den Beschwerdeführern nur mitgeteilt worden, daß die Behörde auf Grund der nicht nachvollziehbaren Auslegung der Bestimmung des § 75 Abs. 2 GewO 1994 die als Berufung bezeichnete Eingabe vom 30. Juni 1997 mit Bescheid zurückzuweisen gedenke. Hätte die Behörde den Beschwerdeführern den maßgeblichen Sachverhalt vorgehalten, so hätten sie Folgendes vorbringen können:

"* daß es keineswegs so ist, daß die Frage der Rechtmäßigkeit

des Ausschlusses der Beschwerdeführer von der Augenscheinsverhandlung in diesem Verfahren nicht mehr zu prüfen ist,

* daß es keineswegs so ist, daß die Bewilligungsbehörde den

Beschwerdeführern zur Wahrung des Parteiengehörs den maßgeblichen Sachverhalt nach § 45 Abs. 3 AVG vorgehalten hätte,

* daß es unzulässig und rechtswidrig ist, wenn die belangte

Behörde nicht prüft, ob mit der Bewilligungsbehörde erster Instanz nicht doch die sachlich unzuständige Behörde eingeschritten ist und nicht wegen der Verarbeitung von Abfällen in der Anlage der mitbeteiligten Partei der Landeshauptmann von O.ö. nach § 29 AWG zuständig ist,

* daß es rechtswidrig und unzulässig ist, wenn durch die

belangte Behörde wie die Behörde erster Instanz die Einwendungen vom 15.7.1996 nicht nach § 356 Abs. 3 letzter Satz GewO im gegenständlichen Verfahren genauso beachtet werden, als wenn sie bei der mündlichen Augenscheinsverhandlung erhoben worden sind.

* daß es unzulässig und somit rechtswidrig ist, wenn die

belangte Behörde nicht prüft, ob es nicht rechtswidrig ist, daß die Bewilligungsbehörde erster Instanz die gegenständliche Betriebsanlage nicht doch in zwei nicht zulässigen Teilerrichtungsbewilligungen vom 4.12.1995 und 3.7.1996 bewilligt hat und somit keine Änderung nach § 81 GewO einer bereits bewilligten Betriebsanlage vorliegt,

* daß es unzulässig und somit rechtswidrig ist, wenn die

belangte Behörde wie auch die Behörde erster Instanz nicht hinreichend prüft und feststellt, ob die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei speziell was die Explosionsschutzmaßnahmen anbelangt, dem Stand der Technik und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaft entspricht und so ein ausreichender Schutz der subjektiven Rechte der Beschwerdeführer gewährleistet ist,

* daß es somit unzulässig und somit rechtswidrig ist, wenn

die belangte Behörde nicht ausreichend prüft, ob die Bescheidauflagen der Bewilligungsbehörde erster Instanz im Bescheid nicht zu unbestimmt sind, um so den subjektiven Rechten der Beschwerdeführer entsprechen zu können,

* daß es rechtswidrig und somit unzulässig ist, die Berufung

der Beschwerdeführer unter absurder Anwendung der Bestimmung des § 75 Abs. 2 GewO des Nachbarbegriffes, unter vollständiger Ausschaltung und Umgehung der Bestimmung des Abschnittes i) der GewO betreffend die Bewilligung von Betriebsanlagen, mit der Entscheidung vom 23.12.1997 zurückzuweisen."

Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, die belangte Behörde habe die Bestimmungen des § 77 GewO 1994 außer acht gelassen, wonach eine Betriebsanlage nur zu bewilligen sei, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften festgestellt sei, daß die subjektiven Rechte der Beschwerdeführer nach § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1994 nicht verletzt würden. Selbst wenn die Beschwerdeführer keine Einwendungen erhoben hätten, wäre die Bewilligungsbehörde erster Instanz wie auch die belangte Behörde zum Schutz dieser Interessen objektiv rechtlich von sich aus verpflichtet gewesen. Die in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 1996 zugezogenen Amtssachverständigen seien fast ausschließlich von einer Änderung nach § 81 einer bereits bewilligten Betriebsanlage ausgegangen, was aber nicht zutreffe. Die Sachverständigen hätten daher nur die Auswirkungen der Änderungen auf die Nachbarschaftsrechte zu beurteilen versucht, nicht jedoch die Gesamtheit der Betriebsanlage in allen ihren zueinander denkmöglichen Auswirkungen in ihre gutachterlichen Feststellungen einbezogen. Der angefochtene Bescheid sei ferner auch deshalb rechtswidrig, da die belangte Behörde die Unbestimmtheit der Bescheidauflagen im Bescheid vom 3. Juli 1996 zugelassen habe, wodurch keine nötige Bestimmtheit zum Schutz subjektiver Rechte der Beschwerdeführer gegeben sei, daß die Anlage nur unter bestimmten Voraussetzungen errichtet und betrieben werden könne. Schließlich habe die belangte Behörde die Berufung ohne Ermittlung eines hinreichenden Sachverhaltes zurückgewiesen, denn in keinem der Gutachten lasse sich die Feststellung der belangten Behörde über den Immissionsbereich mit dieser Eindeutigkeit entnehmen, da diese Gutachten nur unverbindliche Feststellungen in der Möglichkeitsform enthielten. So habe der Amtssachverständige für Luftreinhaltung wie folgt wörtlich ausgeführt:

"... Die geplanten Filteranlagen entsprechen daher dem Stand der Technik. Auf Grund der Entfernung von ca. 200 m bis zum nächsten Anrainer Wohngebäude und der dadurch bedingten geschätzten Verdünnung von mind. 1/10.000 kann davon ausgegangen werden, daß bei Normalbetrieb der gegenständlichen Anlage eine Staubbelastung durch die gegenständliche Anlage bei den Anrainern weder merkbar noch meßbar sein wird.

Zum Kühlturm ist festzustellen, daß bei Anlagen vergleichbarer Größe, wenn die Anrainer in einer Entfernung von 200 m situiert sind, weder Belästigungen durch Wasserdampfschwaden noch Geruchswahrnehmungen wahrzunehmen sein werden. ..."

Dieses Gutachten enthalte noch folgende bloß pauschale Feststellungen:

"... im wesentlich größeren Ausmaße Luftschadstoffe

entstehen, ohne daß es zur Belästigung oder gar

Gefährdung ...";

"... enthalten keine im nennenswerten Ausmaß

schadstoffbelastete Abluft, sodaß sich ...";

"... Aus dem Bereich ... ist mit äußerst geringen

Staubemissionen zu rechnen, wobei unter Staub praktisch

ausschließlich biologisch abbaubarer Zucker zu verstehen

ist ...";

"... davon ausgegangen werden kann, daß bei

Normalbetrieb ...";

"... daß bereits bei den nächstgelegenen Nachbarn Anrainern

mit keiner Geruchsbelästigung zu rechnen sein wird ...";

"... die mit Sicherheit nicht schadstoffbelastend sind ..."

Dem Gutachter sei in diesem Zusammenhang entgangen, daß Xylose, die in der Anlage gewonnen werde, einmal kein Zucker sei, sondern erst ein Vorprodukt zur Herstellung eines Süßstoffes, der mit klassischem Zucker nicht die geringste Ähnlichkeit habe. Auch sei dem Gutachter entgangen, daß in der Anlage der mitbeteiligten Partei es zum Einsatz von erheblichen Mengen Zellulosestaub komme, wozu in den gutachterlichen Feststellungen nichts enthalten sei. Eine entscheidende Rechtswidrigkeit des Verfahrens liege auch darin, daß von der Behörde und den Amtssachverständigen nur der Normalbetrieb und nicht auch ein Störfall beurteilt worden sei. Die Notwendigkeit eines Explosionsschutzkonzeptes zeige aber mit aller Deutlichkeit, daß es sich bei der Betriebanlage der mitbeteiligten Partei um eine gefahrengeneigte Anlage im Sinne der Störfallverordnung handle, sodaß es unumgänglich sei, zur Feststellung des Immissionsbereiches nicht nur auf den Normalbetrieb, sondern auch auf den Störfall abzustellen. Die Achtbeschwerdeführerin habe ihren ständigen Aufenthalt in nur 250 m südöstlich der Betriebsanlage. Es möge durchaus sein, daß die anderen Beschwerdeführer sowohl im Normalbetrieb wie im Stör- oder Brandfall von der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei nicht betroffen seien, doch hätte es dazu konkreter Feststellungen bedurft. Die Achtbeschwerdeführerin sei aber, was speziell den Störfall an Staubexplosion und Brand anbelange, Staubverfrachtungen und Rauchgasen ausgesetzt, die zur Gefährdung ihrer Gesundheit und möglicherweise des Eigentums und sonstiger dinglicher Rechte führen könne. Sie sei im Störfall aber auf alle Fälle einer unzumutbaren Belästigung ausgesetzt. Im tiefergelegenen Betriebsgelände der mitbeteiligten Partei komme es zu einer enormen Wärmeemission, was zu einer lokalen, fast ständig andauernden Luftbewegung zwischen dem Betriebsareal und dem ständigen Aufenthalt der Achtbeschwerdeführerin führe. Somit seien die von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen von einem Verdünnungsfaktor von zumindest 1 : 10.000 unzutreffend.

In Erwiderung des zuletzt erstatteten Vorbringens vermag der Verwaltungsgerichtshof aus den in der Beschwerde zitierten Aussagen des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen für Luftschadstoffe nicht den von den Beschwerdeführern gezogenen Schluß zu ziehen, dieser Sachverständige habe seine Aussagen nur in der Möglichkeitsform ohne Verbindlichkeit getroffen. Die zitierten Aussagen lassen vielmehr mit aller Deutlichkeit erkennen, daß dieser Sachverständige es als erwiesen ansah, daß bei Normalbetrieb der gegenständlichen Anlage eine Staubbelastung als Folge der gegenständlichen Änderungen an der Anlage bei den Anrainern weder merkbar noch meßbar sein werde, noch daß es zu Belästigungen durch Wasserdampfschwaden oder zu Geruchswahrnehmungen kommen werde. Auch vermag die bloß behauptungsmäßige, nicht weiter begründete Bestreitung der Aussage des Sachverständigen über den zu erwartenden Verdünnungsfaktor von zumindest 1 : 10.000 Zweifel an der Schlüssigkeit dieses Gutachtens nicht zu begründen.

Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Verletzung ihres Parteiengehörs geltend machen, sind sie einerseits auf den Inhalt des auch in der Beschwerde dargestellten Schreibens der Erstbehörde vom 17. November 1997 hinzuweisen, in dem ihnen ihre mangelnde Nachbareigenschaft zur Kenntnis gebracht und sie zu einer Stellungnahme aufgefordert wurden. Andererseits sind sie auf die Bestimmung des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu verweisen, wonach nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur eine solche, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist diese Relevanz nicht offenkundig, ist es Sache des Beschwerdeführers, sie darzulegen. Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer in der Beschwerde zwar dargelegt, was sie vorgebracht hätten, hätte ihnen die Behörde "den maßgeblichen Sachverhalt" zur Stellungnahme vorgehalten, doch ist darin kein Vorbringen zu ersehen, das geeignet gewesen wäre, die belangte Behörde in der Frage des Immissionsbereiches in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zu einem anderen Ergebnis gelangen zu lassen. Es ist das Beschwerdevorbringen daher nicht geeignet, die Feststellung der belangten Behörde, es werde auch bei den nächsten Nachbarn in 200 m Entfernung von der Betriebsanlage zu keinen merkbaren Änderungen der Umweltsituation durch den Betrieb der geänderten Betriebsanlage kommen, als auf einer mangelhaften Verfahrensgrundlage fußend darzustellen.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.

Nach § 356 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, ausgenommen in den Fällen des § 359 b, auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß das Verfahren nach § 81 GewO 1994 die Existenz einer genehmigten Betriebsanlage voraussetzt und den Prüfungsgegenstand dieses Verfahrens - von dem im zweiten Satz des § 81 Abs. 1 GewO 1994 genannten Sonderfall abgesehen - die den Inhalt des dem Verfahren zugrunde liegenden Antrages bildende Änderung dieser Betriebsanlage, nicht aber schlechterdings die geänderte Betriebsanlage insgesamt bildet. Auch dient das Verfahren nach § 81 GewO 1994 nicht der inhaltlichen Überprüfung des nach § 77 GewO 1994 ergangenen Genehmigungsbescheides. Es ist daher im vorliegenden Verfahren auf das Beschwerdevorbringen, soweit es die Rechtsrichtigkeit des (auch nach dem Vorbringen in der Beschwerde in Rechtskraft erwachsenen) Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. Dezember 1995 in Zweifel zieht, nicht weiter einzugehen, sondern der Inhalt dieses Bescheides dem vorliegenden Verfahren nach § 81 GewO 1994 zugrunde zu legen. Damit erweist sich aber auch das Vorbringen in der Beschwerde über die Unzuständigkeit der belangten Behörde als verfehlt, weil auf Grund des rechtskräftigen Bescheides vom 4. Dezember 1995 davon auszugehen ist, daß es sich bei der in Rede stehenden Betriebsanlage grundsätzlich um eine solche handelt, die der Genehmigungspflicht nach der Gewerbeordnung unterliegt. Daß aber die den Gegenstand des vorliegenden Antrages der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung der Änderung dieser Betriebsanlage bildenden Maßnahmen solche wären, die unabhängig von der Art der zugrunde liegenden Betriebsanlage der Genehmigungspflicht nach dem Abfallwirtschaftsgesetz unterlägen, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher auch der Rechtsansicht der Beschwerdeführer über die Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht zu folgen.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren gemäß Abs. 1, unbeschadet des folgenden Satzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind von Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Gemäß § 75 Abs. 2 leg. cit. sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes - von den hier nicht in Betracht kommenden Sonderregelungen des 2. und 3. Satzes dieser Gesetzesstelle abgesehen - alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.

Wie schon die belangte Behörde zutreffend hervorgehoben hat, ergibt sich aus der Bestimmung des § 356 Abs. 3 erster Satz GewO 1994 in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise als Voraussetzung für den Erwerb der Parteistellung sowohl in einem Verfahren nach dem Abs. 1 dieses Paragraphen als auch in einem Verfahren zur Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage das Erfordernis, daß der betreffenden Person einerseits die Qualifikation eines Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 zukommt und diese andererseits rechtzeitige Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 erhoben hat. Fehlt einer Person die Qualifikation eines Nachbarn, so vermag ihr auch die rechtzeitige (sei es im Rahmen der Augenscheinsverhandlung, sei es im Sinne des zweiten Satzes des § 356 Abs. 3 GewO 1994) Erhebung von Einwendungen nicht die Position einer Verfahrenspartei und damit insbesondere das nach § 359 Abs. 4 GewO 1994 (vom Arbeitsinspektorat abgesehen) nur Parteien vorbehaltene Recht zur Berufung zu verschaffen.

Wie die belangte Behörde als Ergebnis eines, wie oben ausgeführt, mängelfreien Verfahrens festgestellt hat, reicht der als Folge der in Rede stehenden Änderungen auftretenden Emissionen vom Normalbetrieb der gegenständlichen Betriebsanlage ausgehende Immissionsbereich nicht bis zu den nächsten Anrainern. Daß aber die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens betreffenden Änderungen der in Rede stehenden Betriebsanlage einen Störfall befürchten ließen, dessen Auswirkungen über diesen Immissionsbereich hinausreichen könnten, ist weder von vornherein erkennbar noch wird Derartiges in der Beschwerde behauptet. Die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde wiederholt genannte Explosionsgefahr, der mit dem den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Explosionsschutzkonzept begegnet werden soll, geht von der bereits mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 genehmigten Betriebsanlage aus und bildet daher entsprechend der oben dargestellten Rechtslage nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Liegen aber solcherart die Liegenschaften der Beschwerdeführer und auch der ständige Aufenthalt der Beschwerdeführer außerhalb des Immissionsbereiches jener Emissionen der Betriebsanlage, die ihre Ursache in der den Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens bildenden Änderung dieser Betriebsanlage haben, kommt ihnen in diesem Verwaltungsverfahren auch nicht die Stellung von Nachbarn im Sinne des Gesetzes und damit - unabhängig davon, ob sie zeitgerecht Einwendungen erhoben haben oder nicht - nicht Parteistellung und damit auch nicht das Recht zur Berufung gegen den erstbehördlichen Genehmigungsbescheid zu.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstbehördlichen Genehmigungsbescheid sei als unzulässig zurückzuweisen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

In Erwiderung des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens sei noch darauf hingewiesen, daß diese Rechtsauslegung keineswegs im Widerspruch zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/04/0231, über die Möglichkeit der Geltendmachung der ihnen aus der Verweigerung ihres Zutrittes zur Verhandlung vom 1. Juli 1996 allenfalls erwachsenen Beeinträchtigungen im Genehmigungsverfahren steht, weil dort diese Möglichkeit ausdrücklich vom Erwerb der Parteistellung abhängig gemacht wird.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in den als (weiteren) Beschwerdepunkt geltend gemachten Rechten auf Versagung der Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage und auf Schutz vor einer Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit, ihres Eigentums und sonstiger dinglicher Rechte und des Unterbleibens einer unzumutbaren Belästigung durch zu befürchtende Emissionen im Normalbetrieb wie im Störfall insbesondere bei Eintritt einer Staubexplosion oder eines Brandes durch die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei durch den angefochtenen Bescheid schon deshalb nicht verletzt sein können, weil der angefochtene Bescheid nicht die Genehmigung dieser Betriebsanlage oder deren Änderung zum Gegenstand hat, sondern allein die Zurückweisung der gegen einen derartigen Genehmigungsbescheid erhobenen Berufung.

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte