VwGH 98/02/0079

VwGH98/02/007910.7.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des S in Bisingen, Deutschland, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in 4020 Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 8. Jänner 1998, Zl. VwSen-105150/2/Sch/Rd, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §27 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §27 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16. Dezember 1996 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe an einem näher bezeichneten Ort im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zu einer näher angeführten Zeit am 25. August 1996 als Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit um 42 km überschritten und dadurch die Vorschriften des § 20 Abs. 2 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO verletzt; es wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. In seinem dagegen am 2. Jänner 1997 erhobenen Einspruch (eingelangt bei der Erstbehörde am 8. Jänner 1997) erklärte der Beschwerdeführer unter anderem, nach seiner Erinnerung nicht der "verantwortliche Fahrzeugführer gewesen" zu sein.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 18. Februar 1997 (zugestellt nach Ausweis der Akten am 21. Februar 1997) wurde der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs. 2 KFG aufgefordert, binnen zwei Wochen der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung mitzuteilen, wer das dem Kennzeichen nach näher bestimmte Fahrzeug am 25. August 1996 zu einer näher angegebenen Uhrzeit gelenkt habe.

Der Beschwerdeführer antwortete hierauf in seinem mit 28. Februar 1997 datierten und am 6. März 1997 bei der anfragenden Behörde eingelangten Schreiben im wesentlichen, daß er sich nicht mehr daran erinnern könne, welche Person den Wagen zur angegebenen Zeit als verantwortlicher Fahrzeugführer genutzt habe; für den Beschwerdeführer bestehe auch keine Möglichkeit, nachvollziehen zu können, welcher Fahrer oder welche Fahrerin den Wagen zum Tatzeitpunkt gelenkt habe.

Mit Strafverfügung vom 10. März 1997 wurde daraufhin der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Zulassungsbesitzer eines näher bezeichneten PKW"s trotz der schriftlichen Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung dieser keine Auskunft darüber erteilt zu haben, wer das näher bezeichnete Fahrzeug am 25. August 1996 zu einer näher umschriebenen Uhrzeit gelenkt habe oder wer diese Auskunft erteilen könne. Er habe dadurch die §§ 103 Abs. 2 und 134 Abs. 1 KFG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde.

In seinem mit 20. März 1997 datierten und am selben Tag bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung eingelangten Einspruch erklärte der Beschwerdeführer unter anderem wiederum, daß er sich nicht mehr erinnern könne, welche Person zum Tatzeitpunkt verantwortlicher Fahrzeugführer gewesen sei. Überdies sei ihm die Aufforderung zur Bekanntgabe des verantwortlichen Fahrzeugführers am 21. Februar 1997 zugekommen, sodaß die hierin gesetzte Zweiwochenfrist am 7. März 1997 geendet habe. Bei einer Bekanntgabe unter Ausnützung der gesetzten Frist wäre aber die dem (ursprünglichen) Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegende Geschwindigkeitsüberschreitung vom 25. August 1996 bereits verjährt gewesen. Auch aus diesem Grunde sei die Strafverfügung nicht gerechtfertigt.

Mit dem Straferkenntnis vom 10. Dezember 1997 erkannte die BH Urfahr-Umgebung den Beschwerdeführer schuldig, trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt zu haben, wer das dem Kennzeichen nach näher umschriebene Fahrzeug am 25. August 1996 zu einer näher angeführten Uhrzeit gelenkt habe oder wer diese Auskunft erteilen könne; der Beschwerdeführer habe dadurch den § 134 Abs. 1 iVm § 103 Abs. 2 KFG übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde.

In seiner dagegen erhobenen, mit 19. Dezember 1997 datierten und am 22. Dezember 1997 bei der Erstbehörde eingelangten Berufung vertrat der Beschwerdeführer insbesondere den Standpunkt, einem KFZ-Halter könne es keinesfalls vorgeworfen werden, wenn er außerstande sei, eine bereits längere Zeit zurückliegende KFZ-Nutzung durch Dritte nicht nachvollziehen zu können.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 1998 wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer geht davon aus, daß ihn an der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Als deutscher Staatsbürger müsse er "von der Bestimmung und Verpflichtung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 keine Kenntnis" haben, weshalb er auch nicht Aufzeichnungen hinsichtlich der jeweiligen Verwendung des von ihm gehaltenen Kraftfahrzeuges habe führen können. Wäre er früher zur Abgabe der Lenkerauskunft aufgefordert worden, so hätte er sehr wohl den tatsächlichen Fahrzeuglenker bekanntgeben können. Den Beschwerdeführer treffe auch deshalb kein Verschulden an einer Nichterteilung der Lenkerauskunft, weil eine Verfolgung des "tatsächlichen Lenkers" aufgrund der Überschreitung der Verfolgungsverjährungsfrist ausgeschlossen wäre.

Wie der Beschwerdeführer im übrigen selbst zutreffend erkennt, ist die Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG; bei diesem hat der Täter glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl. etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 764 unter der Nr. 25 lit. p erwähnte hg. Rechtsprechung). Davon ausgehend ist es dem Beschwerdeführer mit dem wiedergegebenen Vorbringen nicht gelungen darzutun, warum ihn an der Übertretung der genannten Vorschrift kein Verschulden treffen sollte: Allein aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer deutscher Staatsbürger ist und seinen Wohnsitz in Deutschland hat, folgt noch nicht, daß er gehindert gewesen wäre, sich mit den von ihm als Kraftfahrzeughalter in Österreich zu beachtenden Normen vertraut zu machen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. § 31 Abs. 2 VStG regelt die Verjährungsfrist; diese beträgt bei den Verwaltungsübertretungen der hier in Betracht kommenden Art sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Eine Verfolgungshandlung ist nach § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Im Beschwerdefall ist unbestritten dem Beschwerdeführer mit der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 18. Dezember 1996 (zugestellt am 21. Dezember 1996) vorgeworfen worden, als Lenker des PKW"s mit dem näher angeführten amtlichen Kennzeichen am 25. August 1996 zu einer näher bestimmten Uhrzeit an einem näher umschriebenen Tatort die zulässige Geschwindigkeit um 42 km pro Stunde überschritten zu haben. Damit ist gegen den Beschwerdeführer eine Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten. Wäre die Behörde erster Instanz etwa aufgrund der an den Beschwerdeführer als Kraftfahrzeughalter gerichteten Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG zu dem Schluß gekommen, dieser sei doch - entgegen seinem Vorbringen im Einspruch - der wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung verantwortliche Lenker gewesen, dann wäre sie aufgrund der die Verjährungsfrist unterbrechenden Verfolgungshandlung berechtigt gewesen, den Beschwerdeführer auch nach Ablauf von sechs Monaten seit der vorgeworfenen Tat zu verfolgen. Es kann daher schon deshalb nicht gesagt werden, daß eine nach dem Ablauf von sechs Monaten nach dem 25. August 1996 abgegebene Lenkerauskunft nichts zur Verfolgung des Lenkers hätte beitragen können und somit der dem Beschwerdeführer allfällig vorzuwerfende Unrechtsgehalt betreffend die Lenkerauskunft nicht vorhanden sei.

Das Schwergewicht der Beschwerdeausführungen liegt aber in dem Vorwurf, die belangte Behörde hätte die Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung von Amts wegen aufgreifen müssen. Zwar sei diese Bezirkshauptmannschaft für das Strafverfahren betreffend die Geschwindigkeitsüberschreitung zuständig gewesen, doch nicht für jenes betreffend die unrichtige oder unvollständige Lenkerauskunft nach § 103 Abs. 2 KFG. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nämlich als Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft ausschließlich der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde anzusehen. Der Sitz der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung befinde sich aber in Linz. Für eine dort begangene Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG sei die Bundespolizeidirektion Linz örtlich zuständig.

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156, ausgeführt, daß Erfüllungsort der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 103 Abs. 2 KFG der Sitz der anfragenden Behörde und somit auch Tatort ist (vgl. etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 5. März 1997, Zl. 96/03/0154, und vom 27. Juni 1997, Zl. 97/02/0220, letzteres Erkenntnis betreffend einen deutschen Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland). Unbestritten ist aber, daß der Sitz der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeidirektion Linz gelegen ist (vgl. auch die Verordnung der Bundesregierung vom 7. Dezember 1976 über den Wirkungsbereich der Bundespolizeibehörden, BGBl. Nr. 690/1976).

Da nach der Aktenlage eine der im Gesetz geregelten Ausnahmen von der Bestimmung des § 27 Abs. 1 VStG (vgl. die Abs. 2 und 3 leg. cit. sowie etwa § 28 VStG oder § 29a VStG) nicht in Betracht kommt, war die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zur Erlassung des Bescheides vom 10. Dezember 1997 nicht zuständig. Daran ändert auch § 123 Abs. 4 KFG idF der 19. KFG Novelle nichts, regelt diese Bestimmung im gegebenen Zusammenhang doch nur die sachliche, nicht aber auch die örtliche Zuständigkeit der anfragenden Behörde für die Durchführung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG. Die belangte Behörde hat diese Unzuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz nicht aufgegriffen und so ihren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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