VwGH 98/01/0555

VwGH98/01/055516.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch die Mutter G, diese vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 48, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Juni 1998, Zl. 203.529/0-III/07/98, betreffend Erstreckung von Asyl gemäß §§ 10 und 11 AsylG 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §10 Abs1;
AsylG 1997 §10 Abs2;
AsylG 1997 §11 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs5;
AsylG 1997 §57 Abs7;
AsylG 1997 §10 Abs1;
AsylG 1997 §10 Abs2;
AsylG 1997 §11 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs5;
AsylG 1997 §57 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Der Asylantrag der Mutter des Beschwerdeführers wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Juni 1998 gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde am 14. September 1998 zur Post gegeben, sie langte am 15. September 1998 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Aufgrund der Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 FrG der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 28. Juli 1998 betreffend Ungarn, welche am 3. August 1998 beim Bundesasylamt eingelangt ist, trat dieser Bescheid an diesem Tag außer Kraft. Da die Mutter des Beschwerdeführers durch den Bescheid vom 10. Juni 1998, der bereits vor Einbringung der dagegen erhobenen Beschwerde außer Kraft getreten ist, nicht in dem von ihr geltend gemachten Recht verletzt sein konnte, wurde die Beschwerde mit dem Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 98/01/0448, zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei beantragte am 30. April 1998 gemäß § 10 Abs. 1 AsylG die Erstreckung des einem Angehörigen aufgrund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyls. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 27. Mai 1998 ab. Der unabhängige Bundesasylsenat wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Juni 1998 gemäß §§ 10, 11 des AsylG ab. Der unabhängige Bundesasylsenat begründete den nunmehr angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, daß gemäß § 32 Abs. 1 letzter Satz AsylG durch die von der Mutter des Beschwerdeführers in ihrem Verfahren erhobene Berufung der Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Mai 1998, mit dem der Asylerstreckungsantrag des Beschwerdeführers abgewiesen worden sei, als angefochten gelte. Die Voraussetzungen für die Erstreckung von Asyl seien nicht erfüllt. Der Asylantrag der Mutter des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Juni 1998 im Instanzenzug zurückgewiesen worden. Die gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz für die Erstreckung von Asyl geforderte Voraussetzung, daß einem der in § 10 Abs. 2 AsylG genannten Angehörigen des Asylwerbers Asyl gewährt worden sei, liege nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des AsylG lauten:

"Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatssicherheit

§ 4. ...

(5) Können Fremde, deren Asylantrag nach Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, nicht in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt der Bescheid, mit dem der Asylantrag zurückgewiesen wurde, mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG außer Kraft. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen; ein anhängiges Berufungsverfahren ist als gegenstandslos einzustellen.

...

Asylerstreckungsantrag

§ 10. (1) Fremde begehren mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl.

(2) Asylerstreckungsanträge können frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden. Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.

Asylerstreckung

§ 11. (1) Die Behörde hat auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK, BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

(2) Fremde, die einen Asylerstreckungsantrag eingebracht haben, können im Verfahren über den Asylantrag ihres Angehörigen aus eigenem alles vorbringen, was ihnen für dieses Verfahren maßgeblich erscheint. Wird der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen, so gelten die der Sache nach damit verbundenen Asylerstreckungsanträge, sofern der Betroffene nach Belehrung über die Folgen nicht ausdrücklich darauf verzichtet, als Asylanträge. Die Behörde hat über diese Anträge unverzüglich zu entscheiden; im Falle eines Verzichtes sind Asylanträge dieser Fremden innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der die Asylerstreckungsanträge abweisenden Entscheidung unzulässig.

(3) Bringen Fremde einen Asylerstreckungsantrag während eines bereits anhängigen Verfahrens gemäß § 7 ein, ist mit der Erledigung dieses Antrages zuzuwarten, bis die Entscheidung über ihren Asylantrag ergangen ist. Asyl durch Erstreckung darf ihnen erst gewährt werden, wenn ihr Asylantrag rechtskräftig zurückgewiesen oder abgewiesen wurde.

(4) Bescheide, mit denen Angehörigen durch Erstreckung Asyl gewährt wurde, treten außer Kraft und Asylerstreckungsanträge werden gegenstandslos, wenn den Angehörigen gemäß § 7 Asyl gewährt wird."

§ 11 Abs. 3 und 4 AsylG können im folgenden außer Betracht bleiben, weil sie Asyl- und Asylerstreckungsanträge ein und derselben Person betreffen.

§ 10 Abs. 1 AsylG scheint dem Wortlaut nach ein schon im Zeitpunkt des Asylerstreckungsantrages positiv, nämlich durch Asylgewährung, abgeschlossenes Verfahren über den Hauptantrag vorauszusetzen. Dem steht aber die ausdrückliche Anordnung des § 10 Abs. 2 AsylG entgegen, wonach Asylerstreckungsanträge "frühestens zur selben Zeit" wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden können. Mit der Vorstellung, derartige vor einem positiven Abschluß des Hauptverfahrens gestellte Anträge seien zwar nicht als unzulässig zurückzuweisen, aber schon während des erstinstanzlichen Verfahrens über den Hauptantrag spruchreif und mangels Vorliegens der Voraussetzung eines bereits "gewährten Asyls" sogleich abzuweisen, ließe sich diese Anordnung des Gesetzgebers nicht sinnvoll in Einklang bringen. Daß eine derartige Spruchreife während des erstinstanzlichen, aber zumindest in bezug auf eine verfahrensbeendende Entscheidung über den Asylerstreckungsantrag auch während des Berufungsverfahrens über den Hauptantrag nicht anzunehmen ist, ergibt sich jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes vor allem aus § 11 Abs. 2 erster Satz AsylG, wonach Erstreckungswerber im Verfahren über den Hauptantrag aus eigenem alles vorbringen können, was ihnen für dieses Verfahren (nämlich dasjenige über den Hauptantrag) maßgeblich erscheint. Diese Bestimmung setzt voraus, daß das Verfahren über den Erstreckungsantrag nicht vor dem Verfahren über den Hauptantrag rechtskräftig beendet wird. Zusätzliche Bestätigung findet dies in der detailliert durchgestalteten Parallelführung beider Verfahren für den hier vorliegenden besonders geregelten Fall, daß der Hauptantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird und der Erstreckungswerber auf die Behandlung seines Antrages als Asylantrag verzichtet (vgl. hiezu § 11 Abs. 2 zweiter und dritter Satz in Verbindung mit § 32 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 dritter Satz AsylG, wobei es an der zuletzt genannten Stelle statt "zurückweisenden" richtig "abweisenden" heißen müßte; die Aufhebung der Wortfolge "§ 4 und" des § 32 AsylG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98-10 u.a., und der Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" des § 32 AsylG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1998, G 210/98-7 u.a., wegen der verfassungswidrigen Kürze der in der Stammfassung dieser Bestimmung vorgesehenen Berufungsfrist ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/01/0402, ausgesprochen, daß im Falle der Aufhebung des letztinstanzlichen Bescheides über den Hauptantrag durch einen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes der den Asylerstreckungsantrag abweisende letztinstanzliche Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ist (gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen). Diese Rechtsfolge resultiert aus der "ex tunc"-Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses.

Im gegenständlichen Fall ist der Bescheid über den Hauptantrag jedoch ex lege mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG mit "ex nunc"-Wirkung außer Kraft getreten. Bis zum Außerkrafttreten des Bescheides über den Hauptantrag gehörte dieser daher dem Rechtsbestand an.

Der Erstreckungsantrag wurde mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Juni 1998 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben im Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe am 12. Juni 1998 zugestellt. Der Bescheid über den Hauptantrag trat jedoch erst am 3. August 1998 durch Einlangen der Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 FrG beim Bundesasylamt außer Kraft. Die belangte Behörde war daher zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht an dessen Erlassung gehindert.

Da der Mutter des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt nicht Asyl gewährt war, ist die belangte Behörde im Recht, daß die gemäß § 10 Abs. 1 AsylG für die Erstreckung von Asyl geforderte Voraussetzung nicht vorliegt.

Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war. Abschließend wird darauf hingewiesen, daß im gegenständlichen Fall aus den im hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311, genannten Gründen die Stellung eines neuen Asylerstreckungsantrages nicht unzulässig ist.

Wien, am 16. Dezember 1998

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