Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte über eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Jänner 1996 wurde gemäß § 8 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) der Verlust dieser Aufenthaltsbewilligung verfügt. Die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgte nach dem Ausweis des Rückscheines durch postalische Hinterlegung. Beginn der Abholfrist war der 29. Jänner 1996.
Mit einer am 20. März 1996 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Jänner 1996. Zur Begründung dieses Wiedereinsetzungsantrages wurde folgendes ausgeführt:
"Ich habe obigen Bescheid der MA 62 vom 16.1.1996 bekommen und nachdem mich Herr GS ... stets in privaten Angelegenheiten unterstützt, diesem den Bescheid übergeben, damit er ihn meinem Anwalt zwecks Ausführung der Berufung überbringt.
GS ist mein Cousin und übersah bzw. versäumte die in den Bescheiden enthaltene Berufungsfrist durch starke berufliche Inanspruchnahme und überbrachte erst am 8.3.1996 den Bescheid meinem Rechtsvertreter.
Nachdem mir GS alle meine Angelegenheiten immer gut erledigt hat, war ich voll überzeugt, daß er auch diese Überbringung sofort ausführen würde. Es liegt sohin ein einmaliger unvorhersehbarer Fehler vor, weshalb ich ohne mein Verschulden an der Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides gehindert bin."
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. September 1996 wurde der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den den Verlust der Aufenthaltsbewilligung aussprechenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Jänner 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Die Zustellung des Bescheides vom 16. Jänner 1996 sei am 29. Jänner 1996 erfolgt. Die erst am 18. März 1996 (Datum der Postaufgabe) erhobene Berufung sei daher verspätet.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. September 1996 (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AVG ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Gesetzestextes und des Wiedereinsetzungsvorbringens aus, die starke berufliche Inanspruchnahme des vom Beschwerdeführer beauftragten GS rechtfertige nicht die Annahme, diesem sei die Fristversäumnis bloß als Versehen minderen Grades zuzurechnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die aufgrund ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
§ 113 Abs. 6 FrG 1997 lautet:
"(6) Rechtskräftige Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt wurde oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der Betroffene sie beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof angefochten und dieser die Entscheidung noch nicht getroffen hat. In diesen Fällen ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen. Mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Bescheide tritt auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft."
§ 63 Abs. 5 und § 71 Abs. 1 AVG lauten:
"(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. ..."
Bei den in Beschwerde gezogenen Bescheiden handelt es sich nicht um rechtskräftige Bescheide, mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde. Über die "Sache" Verlust der Aufenthaltsbewilligung hat die erstinstanzliche Behörde mit ihrem Bescheid vom 16. Jänner 1996 abgesprochen. Eine Entscheidung in dieser "Sache" hat die belangte Behörde nicht getroffen, weil sie im erstangefochtenen Bescheid vom Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes ausging, welcher gemäß § 66 Abs. 4 AVG eine Entscheidung in der "Sache" Verlust der Aufenthaltsbewilligung durch die zweitinstanzliche Behörde hinderte. Gegenstand des zweitangefochtenen Bescheides war ebenfalls nicht die Frage, ob der Verlust der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers verfügt, sondern ausschließlich jene, ob ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den diesen Verlust verfügenden Bescheid bewilligt werde. Die hier anfechtungsgegenständlichen verfahrensrechtlichen Bescheide sind daher nicht aus dem Grunde des § 113 Abs. 6 FrG 1997 außer Kraft getreten. Zur inhaltlichen Berechtigung der Beschwerden ist folgendes auszuführen:
1. Zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid:
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, die rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides sei am 29. Jänner 1996 erfolgt und seine Berufung sei erst am 18. März 1996 zur Post gegeben worden, nicht entgegen. Auf Basis dieser Bescheidannahme erweist sich die Berufung jedoch gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verfristet.
Der Beschwerdeführer vermeint jedoch, die Verfristung stehe infolge der Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde unter Antragstellung auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch gegen den die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Bescheid derzeit noch nicht fest.
Dieser Argumentation ist zu entgegnen, daß schon eine Pflicht der Behörde, im Fall der Verbindung der verspäteten Verfahrenshandlung mit einem Wiedereinsetzungsantrag zuerst über diesen zu entscheiden - von dem hier nicht vorliegenden Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Wiedereinsetzungsantrages durch die Behörde gemäß § 71 Abs. 6 AVG abgesehen - nicht besteht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, Slg. Nr. 12.275/A). Umso weniger war die belangte Behörde vorliegendenfalls verpflichtet, mit der Zurückweisung der Berufung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, oder gar bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über diese Beschwerde selbst, zuzuwarten.
Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Zur Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid:
Dem Wiedereinsetzungsvorbringen des Beschwerdeführers ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob zwischen ihm und GS ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB dergestalt zustandegekommen ist, daß sich letzterer zur Vornahme einer Rechtshandlung und nicht bloß zur Überbringung einer Erklärung an den Rechtsanwalt verpflichtete. Für den erstgenannten Fall wäre GS als Vertreter des Beschwerdeführers anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zlen. 95/19/0520, 0521, 0522), im anderen Fall als dessen Bote.
Diese Frage kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Wäre GS Bevollmächtigter, so wäre allein entscheidend, ob dieser ohne eigenes Verschulden oder nur aufgrund eines minderen Grades des Versehens durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Die im Wiedereinsetzungsantrag als ausschließlichen Grund für die Fristversäumnis ins Treffen geführte starke berufliche Inanspruchnahme des GS vermag aber für sich allein keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996 mit weiteren Hinweisen).
Wollte man aber GS bloß als Boten qualifizieren, so wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, nachzufragen, ob der Rechtsanwalt, dem die Erklärung durch den Boten übermittelt werden sollte, die Berufung auch einbringen werde (vgl. den hg. Beschluß vom 27. Juni 1991, Zlen. 90/06/0191, 0192). Daß der Beschwerdeführer an einer solchen Nachfrage gehindert gewesen wäre, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.
Aus diesen Erwägungen war auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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